Funktionen für die Darstellung
Seitenpfad
Afghanistan
Drogenweltmacht unter US-Schirmherrschaft
In der vergangenen Woche fand in Paris eine Außenministerkonferenz über den Drogen-Export aus Afghanistan statt. Mehr als 50 Staaten waren vertreten. Herausgekommen ist nichts außer der vagen Idee einer "multilateralen operative Strategie", die primär den Drogen-Handel angreifen soll. Das ist zu interpretieren als Ausweichen vor dem mangelnden Willen, direkt im Ursprungsland die Produktion der Drogen-Rohstoffe, aus denen Heroin gewonnen wird, zu verhindern.
Die Taliban hatten den Anbau von Mohn effektiv unterbunden. Zuvor war Afghanistan mit Riesenabstand zu den Konkurrenten Myanmar (Burma) und Laos die Nr. 1 gewesen. Als die USA im Herbst 2001 die Taliban stürzten, warnten alle Experten vor einer Wiederherstellung der alten Zustände.
Das trat sogar noch schneller ein, als viele befürchtet hatten. Schon im ersten Jahr unter amerikanischer Besatzung eroberte sich afghanisches Rohopium mit 75 Prozent der Weltproduktion wieder unangefochten die Spitze. Nach UNO-Schätzungen wurden im vorigen Jahr 3.400 Tonnen gewonnen, etwa so viel wie vor dem Verbot. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 25 Millionen leben schätzungsweise 3,3 Millionen Afghanen vom Mohn.
Afghanistan war keineswegs immer die Nr. 1. Führendes Anbaugebiet war früher, von der CIA und anderen amerikanischen Dienststellen behütet und gefördert, Südostasien: Laos, Burma und Thailand, das sogenannte Goldene Dreieck. Der Aufstieg Afghanistans zur Drogen-Weltmacht begann mit der amerikanischen Bürgerkriegsstrategie gegen die progressive Regierung in Kabul und gegen die sowjetische Militärintervention 1979. Von da an wurden unter dem Schutz der Mudschaheddin die Anbauflächen kontinuierlich ausgeweitet: Als Mittel zur Destabilisierung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, aber auch als Finanzquelle für Waffenkäufe und persönliche Bereicherung.
Als 1989 die Sowjetunion ihre Truppen abzog und schließlich die Unterstützung der Kabuler Regierung ganz einstellte, reduzierten auch die USA die Förderung ihrer Verbündeten. Daraufhin erlebte die Rohopium-Produktion als Geldquelle der Bürgerkriegsparteien einen neuen Aufschwung.
Die Taliban, die 1996 in Kabul einzogen, unternahmen im folgenden Jahr einen ersten Versuch, den Mohnanbau zu verbieten. Zunächst ohne Erfolg: 1999 erreichte die Rohopium-Produktion mit etwa 4.600 Tonnen ihren absoluten Rekord. Sie schlugen daraufhin eine andere Taktik ein, indem sie per Dekret alle Bauern verpflichteten, die Anbaugebiete für Mohn um ein Drittel zu verringern. Das wurde nur zum Teil befolgt, führte aber zusammen mit einer schweren Dürre dazu, dass die Produktion im Jahr 2000 nach UNO-Schätzungen um 28 Prozent unter der des Vorjahres lag.
Im Juli 2000 verhängte die Regierung ein totales Anbau-Verbot, das nach Ansicht aller internationalen Beobachter ein voller Erfolg war. Das Anbaugebiet schrumpfte von 80.000 auf 8.000 Hektar, die letzte Jahresproduktion vor der Machtübernahme durch die USA wurde auf höchstens 200 Tonnen geschätzt.
Anderthalb Jahre später ist unter US-Besatzung wieder alles beim alten. "The Islamic Emirate", eine von den Taliban herausgegebene englischsprachige Zeitschrift, hatte schon im April 2001 die Absicht, Afghanistan mit Gewalt wieder für die weltwirtschaftlich extrem wichtige Drogenproduktion zu öffnen, als einen wesentlichen Hintergrund der amerikanischen Kriegshetze gegen ihr Land analysiert. Der internationale Handel mit illegalen Drogen repräsentiert einen Jahreswert von schätzungsweise 400 Milliarden Dollar, die in die legalen Finanzströme transferiert werden. In dieser Größenordnung können nur noch der Waffenhandel und das Ölgeschäft mithalten.
Fakt ist, dass unter amerikanischer Herrschaft der Mohn wieder blüht. Wenn in einem Land in riesigem Umfang ungehindert Drogen produziert werden, geht man allgemein davon aus, dass diejenigen, die das Land beherrschen, an diesem Geschäft interessiert und beteiligt sind. Der Mohnanbau wird mit Hilfe von Satelliten auf den Hektar genau überwacht, er lässt sich nicht verbergen. Das Ganze wäre, wenn denn der politische Wille vorhanden wäre, eine Frage der Abfindung der Bauern. Da die Produzenten nur einen Bruchteil des Endpreises bekommen, würden wahrscheinlich 100 bis 150 Millionen Dollar ausreichen, um die gesamte afghanische Jahresproduktion an Rohopium aufzukaufen und zu vernichten. Das ist ein Bruchteil der Gelder, die für ineffektive internationale Polizeimaßnahmen ausgegeben werden.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 27. Mai 2003