Funktionen für die Darstellung

Darstellung:
  • Standard.
  • Aktuelle Einstellung: Druckansicht.

Seitenpfad

Iran-USA: Ruhe vor dem Sturm?

Im Streit um Irans ziviles Atomprogramm ist Ruhe eingetreten, seit am 6. Juni das Vorschlagspaket der EU übergeben wurde. Ruhe vor dem Sturm? Iran lässt sich mit der Antwort Zeit. Bis zum Ende des persischen Monats Mordad werde Iran seine Position darlegen, kündigte Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Mittwoch an. Das wäre um den 22. August herum. Der US-Regierung dauert das zu lange. Teheran solle noch vor dem G8-Gipfel in St. Petersburg antworten, forderte George W. Bush am Donnerstag. Der Gipfel beginnt am 17. Juli.

Aber es geht letztlich nicht um das Tempo der Verhandlungen, sondern um deren Erfolgsaussichten. Ali Laridschani, hierzulande meist als "Chefunterhändler" tituliert, hat sich in einem Gespräch mit der britischen Zeitung Guardian (23. Juni 2006) durch und durch pessimistisch geäußert. Er setzte damit einen deutlichen Gegenakzent gegen den in letzter Zeit vorherrschenden konstruktiv-optimistischen Ton iranischer Stellungnahmen. Laridschani ist Vorsitzender des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, einer der wichtigsten Posten in der komplizierten iranischen Hierarchie. Er hat das Vertrauen und die Protektion der höchsten religiösen Autorität des Landes, Ajatollah Ali Khamenei. Zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören auch die Verhandlungen über Irans Atomprogramm, an denen er aber nur selten persönlich teilnimmt.

Die USA seien fest entschlossen, die iranische Regierung zu stürzen, völlig unabhängig vom Ausgangs des Atom-Streits, sagte Laridschani dem Guardian. "Das Atom-Thema ist nur ein Vorwand. Gäbe es nicht das Atom-Thema, würden sie mit irgend etwas anderem kommen." Die Politik der US-Regierung im Nahen Osten, vom Irak bis Palästina, sei zutiefst destabilisierend. "Sie wollen die Region in Brand setzen. Die amerikanische Strategie beruht auf der Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen". Laridschani brachte mit diesen außergewöhnlich deutlichen Vorwürfen wahrscheinlich mehr zum Ausdruck als nur seine persönliche Meinung.

Die Sorge der Iraner, dass die US-Regierung im Fall einer Einigung über das Atom-Problem einen Rattenschwanz weiterer Forderungen nachschieben würde, ist sachlich begründet. Zum einen hat US-Außenministerin Condoleezza Rice das klar ausgesprochen: Das Beharren Teherans auf eigener Uran-Anreicherung sei nicht der einzige Punkt, der einer Verbesserung der Beziehungen im Wege stehe. "Die iranische Regierung unterstützt Terror, ist in Gewalt im Irak verwickelt und untergräbt die Wiederherstellung der vollen Souveränität im Libanon."

Zweitens könnten die im EU-Vorschlagspaket angedeuteten "wirtschaftlichen Anreize" nur zum Tragen kommen, wenn zuvor die US-Sanktionen aufgehoben werden. Denn diese verbieten nicht nur amerikanischen Unternehmen fast jeden Handel mit Iran, sondern schränken durch Strafandrohungen auch den europäisch-iranischen Handel, vor allem auf den Gebieten moderner Technologie, stark ein. Die US-Sanktionen sind aber nicht mit dem Atom-Streit begründet worden, sondern mit der angeblichen Unterstützung Irans für den Terrorismus. Was Terrorismus ist, definiert die US-Regierung bekanntlich anders als die Mehrheit der Staatengemeinschaft. Washington denkt dabei vor allem an Hamas und Hisbollah.

Ein weiterer Punkt, der Teheran misstrauisch macht, ist die Weigerung der Amerikaner, direkte Gespräche aufzunehmen. Zwar hat die US-Regierung sich Ende Mai endlich bereit erklärt, in die Atom-Verhandlungen einzusteigen. Aber nur unter der Bedingung, dass Iran zuvor die Maximalbedingung, Stopp aller mit der Uran-Anreicherung verbundenen Tätigkeiten, akzeptiert. In Teheran ist man überzeugt, dass Washington sich jetzt nur gesprächsbereit erklärt hat, weil es sich der Ablehnung seiner Vorbedingung sicher ist.

Die US-Regierung hat mehrere Kontaktversuche Teherans abgelehnt oder abgebrochen. So in den Jahren 2001/2002, als Washington die Zusammenarbeit in Sachen Afghanistan und al-Kaida abrupt beendete. So im Frühjahr 2003, als die USA nach der Einnahme Bagdads ein sehr weitreichendes iranischen Gesprächsangebot ablehnten. Laut Washington Post vom 18. Juni wäre Teheran damals bereit gewesen, über alle Streitfragen, einschließlich der "Terrorismus-Unterstützung", der Koordination im Irak und einer Zwei-Staaten-Lösung des Palästina-Konflikts zu sprechen.

Selbst die thematisch eng begrenzten Gespräche über die Lage im Irak, von denen im März soviel die Rede war, scheinen nie wirklich in Gang gekommen zu sein. Zwar erklärten sich damals beide Seiten öffentlich bereit, den Kontakt aufzunehmen, aber es gibt keinen glaubwürdigen Anhaltspunkt, dass auch nur ein einziges Treffen stattgefunden hat.

Die von der US-Regierung beabsichtigte Alternative zum Dialog ist Konfrontation, fürchtet man daher in Teheran. Eine Konfrontation, in der nach den Worten von Präsident Bush "alle Optionen auf dem Tisch" sind. Einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 23.6.2006