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Schweigeminute statt Glamour
Alternativer Medienpreis für Holocaust-Chronologie
Nein, Anna Netrebko war nicht da, das war ein anderer Wettbewerb. Es konnten weder Kult-Transen noch irgendwelche Luder gesichtet werden, und nach der Laudatio auf den ersten Preis gab es statt Johlen und Applaus eine schlichte Schweigeminute.
Eine Schweigeminute für die 1500 Juden aus Beuthen, die am 15.2.1942 in den Gaskammern von Auschwitz ermordet wurden. Ein Gedenken für die 80.000 Menschen, die im März und April '42 im Vernichtungslager Belzec getötet wurden. Eine Erinnerung an Anne Frank und Millionen namenloser Kinder, Frauen und Männer, die dem deutschen Faschismus zum Opfer fielen.
Morddaten und Deportationstermine hat jw-Autor Knut Mellenthin in seiner Chronologie des Holocaust in 15 Jahren Recherche akribisch aufgelistet. Dazu Gesetze, Erlasse, Reden - eine mit Grauen erfüllende, mehr als 500 Einzelseiten umfassende Dokumentation des Bösen.
Dass diese Arbeit den 1. Preis verdient, war der Jury nach eigenem Bekunden sofort klar. Denn mit dem Alternativen Medienpreis (Nürnberger Medienakademie, "Radio Z", Münchner Journalistenakademie) werden solche wichtigen gesellschaftspolitischen Arbeiten geehrt, die mit großem persönlichen Engagement ihrer Anbieter sogenannte "unterdrückte Informationen" oder auch "graue Literatur" veröffentlichen.
Auch der Drittplatzierte der Sparte Internet, der von Holger Kulick geleitetete Webauftritt "Mut gegen rechte Gewalt" arbeitet in diesem Sinne. Klärt auf, hilft Opfern rechter Gewalt und versucht, mit einem modernen Portal zu zeigen, dass es Sinn macht, sich zu wehren.
Damit in der Zukunft nicht wieder das geschehen kann, was die Nürnberger Zeitschrift "Transit" beispielsweise in persönlichen Schilderungen von Opfern begreifbar macht. Für das Einstehen gegen Rassismus und Faschismus in Vergangenheit und Gegenwart in vielfältiger journalistischer Form wurden Gerhard Jochem, Danièle List, Susanne Rieger und Monika Wiedemann mit dem 1. Preis der Sparte Presse ausgezeichnet.
Die weiteren Geehrten, wie die Nürnberger Aktion "Kinderstraße" oder das Anti-Globalisierungsprojekt "Venceremos" von Katharina Mouratidi, versuchen, das "Heute" zu verändern. Zum Teil mit grenzenlosem Enthusiasmus, wie der "rote Reporter" Klaus H. Jann, der mit seinem Lokal-Blatt seit 37 Jahren in seiner Heimatstadt Wülfrath gelebte Demokratie praktiziert.
Die prämierten Projekte sind von Umfang und technischer Qualität recht unterschiedlich, gemeinsam aber ist den Preisträgern, dass sie Visionäre im besten Sinne sind.
Eileen Heerdegen, Junge Welt 15. Mai 2007
Alternativer Medienpreis 2007
Preisträger online:
- Preis: www.holocaust-chronologie.de
- Preis: www.kinderstrasse.com
- Preis: www.mut-gegen-rechte-Gewalt.de
Preisträger Presse:
- Preis: Transit / Testimon
- Preis: Der Rote Reporter
- Preis: Venceremos
Lobende Erwähnung: www.ceiberweiber.at