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US-Berater schulen Pakistanis für den Krieg gegen das eigene Volk

„Über 70 US-amerikanische Militärberater und technische Spezialisten arbeiten heimlich in Pakistan, um der Armee beim Kampf gegen Al-Kaida und die Taliban in den gesetzlosen Stammesgebieten des Landes zu helfen“, meldete die New York Times am Montag. Falsch, widersprach das Pentagon am Dienstag: Die Militärberater und Spezialisten sind zwar da, aber geheim sei der Einsatz keineswegs. „Wir haben darüber öffentlich schon seit Monaten gesprochen.“

Das stimmt, und stimmt auch wieder nicht, weil der Bericht der New York Times Details enthielt, die bisher noch nicht bekannt waren. Angefangen bei dem Umstand, dass Pentagon-Sprecher Bryan Whitman nur von 30 „Beratern“ sprach, die Ausbildungsaufgaben wahrnehmen, die Zeitung aber von 70 Militärs und Geheimdienstleuten mit einem breiteren Aufgabenfächer.

Dass amerikanische Offiziere ihre Kollegen vom pakistanischen Grenzkorps (Frontier Corps, FC) ausbilden – nach dem Multiplikator-Prinzip „Die Ausbilder ausbilden“ – ist tatsächlich seit Oktober 2008 bekannt. Dass dies unter anderem zur Bildung einer 400 Mann starken, auf die Aufstandsbekämpfung spezialisierten Sondereinheit des FC geführt hat, deren Einsätze anscheinend direkt von US-Offizieren des Special Operation Command „beraten“ und mit CIA-„Informationen“ versorgt werden, wusste man hingegen bis zur Meldung der Times nicht.

Das FC wurde 1907 von der britischen Kolonialmacht geschaffen und nach der Unabhängigkeit Pakistans 1947 beibehalten. Einsatzgebiete dieser Truppe sind die Nordwest-Grenzprovinz, die sogenannten Stammesgebiete unter Regierungsverwaltung (FATA) und die Provinz Belutschistan. Insgesamt zählt das FC 80.000 Mann und soll mit amerikanischer Hilfe auf 100.000 Mann aufgestockt werden. Gleichzeitig soll die Ausrüstung und Ausbildung der Grenztruppe erheblich verbessert werden. Die USA liefern offiziell nur „nicht-tödliche“ Ausrüstung wie Helme, Schutzwesten und Funkgeräte. Was darüber hinaus auf dem Umweg der offiziellen Waffenhilfe für die pakistanische Armee den Weg zum FC findet, ist nicht zu überprüfen.

Die Soldaten des FC werden ausschließlich aus Bewohnern ihrer Einsatzgebiete rekrutiert; nur die Offiziere kommen aus anderen Teilen Pakistans. Was aus der Sicht des Pentagon die Attraktivität des FC zur Aufstandsbekämpfung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausmacht – die Verwurzelung der Soldaten in der Bevölkerung, ihre Kenntnis der örtlichen Verhältnisse – ist natürlich auch seine Schwäche: Die Truppe ist zum Krieg gegen ihre eigenen Leute schlecht motiviert, auf ihre Loyalität gegenüber der Zentralregierung in Islamabad, geschweige denn gegenüber den USA, ist kein Verlass. Andererseits sind die USA mit ihrem weiter gehenden Ansinnen, auch die pakistanische Armee in der Aufstandsbekämpfung zu schulen, bisher gegen die Wand gelaufen. Vor diesem Hintergrund ist Washington offenbar nach dem Vorbild des Irak der Meinung, sich über das FC die Loyalität einzelner Stämme buchstäblich erkaufen zu können.

Dem Bericht der New York Times zufolge arbeiten amerikanische und pakistanische Militärs und Geheimdienstleute bei der Steuerung von Drohnen-Angriffen gegen die nordwestlichen Grenzgebiete direkt zusammen, indem sie Informationen austauschen. Darüber hinaus gebe es „ein kleines Team von pakistanischen Luftverteidigungs-Kontrolleuren“, das in der amerikanischen Botschaft in Islamabad arbeitet und dafür sorgen soll, dass es bei den Raketen-Attacken amerikanischer Drohnen nicht zu unerwünschten Zwischenfällen kommt. Zur Ziel-Identifizierung sei außerdem „eine kleine Anzahl von CIA-Agenten“ auf pakistanischem Gebiet tätig.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. Februar 2009