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UN-Vollversammlung gegen Drohnen

Seit rund zehn Jahren werden regelmäßig unbemannte Flugkörper, sogenannte Drohnen, zur Tötung von Menschen benutzt, hauptsächlich von den USA. Am vorigen Freitag wurde das Thema zum ersten Mal von der Vollversammlung der Vereinten Nationen diskutiert. Übertönt von dem geräuschvollen Theater um Kanzlerin Angela Merkels abgehörtes Handy blieb die menschenrechtlich sehr viel wichtigere Debatte um die ferngesteuerten Mordmaschinen in den deutschen Medien fast unbeachtet.

Zwei Zwischenberichte lagen der Vollversammlung vor: Der eine vom Briten Ben Emmerson, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Schatten der „Terrorismusbekämpfung“. Der andere vom Südafrikaner Christof Heyns, dem Berichterstatter zu außergerichtlichen, summarischen und willkürlichen Tötungen. Beide Berichte bezogen auch Tötungen durch Luftangriffe mit Flugzeugen, Hubschraubern und Raketen mit ein und waren nicht ausschließlich auf die USA beschränkt.

Gegenwärtig sind es jedoch nur drei Länder, die bewaffnete Drohnen für Tötungsoperationen einsetzen: neben den Vereinigten Staaten, in sehr viel geringerem Umfang, auch Großbritannien und Israel. Während sich die ersten beiden grundsätzlich bereit erklärt haben, mit den UN-Berichterstattern zu kooperieren, lehnt nur Israel ausdrücklich jede Zusammenarbeit ab.

Sowohl Emmerson als auch Heyns beschrieben die Drohneneinsätze als einen derzeit weitgehend rechtsfreien Raum, über den ein Konsens der internationalen Gemeinschaft erst noch hergestellt werden müsse. Das Hauptproblem dabei sei nicht das Fehlen von Rechtsgrundsätzen und -vorschriften, sondern der absolute Mangel an Transparenz. Die drei Staaten, die diese Waffensysteme einsetzen, verweigern in der Regel jede noch so geringfügige Information der Öffentlichkeit über Voraussetzungen, Zwecke und Folgen ihrer Operationen. Nicht einmal deren Stattfinden wird offiziell gemeldet. Staaten, die auf diese Weise Menschen töten, seien verpflichtet, im größtmöglichen Ausmaß unverzüglich die Folgen ihrer Einsätze zu untersuchen und detaillierte öffentliche Erklärungen dazu abzugeben, besonders wenn der Verdacht besteht, dass „Zivilisten“ davon betroffen waren, heißt es in den Schlussfolgerungen Emmersons. Staaten, die bewaffnete Drohnen benutzen, müssten die rechtlichen Grundlagen für ihren Einsatz, die operativen Verantwortlichkeiten, die Kriterien der Zielauswahl  und die Auswirkungen der Angriffe offenlegen, forderte Heyns.

In der Debatte stellten vor allem die Diplomaten Venezuelas und Brasiliens die Legitimität der Tötungsaktionen grundsätzlich in Frage. Der venezolanische Vertreter wies darauf hin, dass höchstens ein Zehntel mder Opfer überhaupt „gezielt angegriffene Personen“ seien, und sprach von einer „Form der kollektiven Bestrafung“. Besonders fiel auf, dass auch Russland und China, die sich zu diesem Thema bisher extrem zurückgehalten hatten, jetzt die Praxis der US-Regierung kritisierten. Die Drohnenangriffe seien „ein leerer Raum im internationalen Recht, in dem es Missbräuche gebe, sagte der chinesische Vertreter. „Die Prinzipien der UN-Charter, die Souveränität  aller Staaten und die legitimen Rechte der Bürger aller Länder“ müssten respektiert werden.

Der Repräsentant Pakistans bekräftigte, dass alle Drohnenangriffe gegen sein Land illegal seien und sofort vollständig eingestellt werden müssten. „Die psychologischen Auswirkungen der Drohneneinsätze auf die Verwandten der Zivilpersonen, die auf unmenschliche Weise getötet werden, fördern Gefühle des Hasses und radikalisieren noch mehr Menschen. Drohnenangriffe sind deshalb kontraproduktiv.“

Nach einem Besuch in Pakistan hatte Emmerson schon im März konstatiert, dass es nach Angaben der pakistanischen Regierung seit 2004 mindestens 330 Drohnenangriffe gegeben habe. Dabei seien mindestens 2.200 Menschen, darunter 400 „Zivilisten“, getötet und weitere 600 verletzt worden. Die Angriffe seien „eine Quelle der Radikalisierung zum gewalttätigen Extremismus unter jüngeren männlichen Paschtunen“ und trügen so zur „Verewigung des Kreislaufs der Gewalt“ bei.

Neben den Zwischenberichten der beiden UN-Berichterstatter wurden in der vorigen Woche auch drei Untersuchungen von sogenannten Nichtregierungsorganisationen veröffentlicht. Die am Dienstag in einer abgesprochenen Aktion gleichzeitig vorgelegten Papiere von Amnesty International und Human Right Watch konzentrierten sich jeweils auf ein Land: der Report von AI auf Pakistan, der von HRW auf Jemen. Dieses Land war auch Gegenstand einer schon am vorigen Wochenende veröffentlichten Studie der Schweizer Organisation Alkarama. Die endgültigen Berichte von Emmerson und Heynes werden erst im nächsten Jahr erwartet

Knut Mellenthin

Junge Welt, 28. Oktober 2013