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„Stunde der Bewährung“

Israel versucht, einen Keil zwischen Iran und Syrien zu treiben. Gerüchte über amerikanisch-israelische Kriegspläne nehmen zu.

Seit dem 21. Mai ist es offiziell: Israel und Syrien verhandeln über einen Friedensschluss, der vor allem die Grenzziehung auf den Golan-Höhen regeln soll. Vorerst handelt es sich nur um „indirekte Gespräche“, die in der Türkei stattfinden. Israelis und Syrer sitzen in getrennten Konferenzräumen. Der außenpolitische Chefberater des türkischen Ministerpräsidenten, Professor Ahmet Davutoglu, trägt die Botschaften zwischen den beiden Delegationen hin und her. Diese sonderbare Kommunikationsform sei auf Wunsch Syriens gewählt worden, heißt es inoffiziell, ohne dass es dafür Indizien gibt. Die türkische Regierung hoffe, dass es im Juni erstmals zu einer direkten Begegnung der Verhandlungsparteien kommt. Das NATO-Mitglied Türkei gilt als „strategischer Partner“ Israels, insbesondere auf militärischem Gebiet, hat aber auch gute Beziehungen zum Nachbarland Syrien.

Israel hält das 1.800 Quadratkilometer große Gebiet – das entspricht der doppelten Fläche Berlins – seit dem Junikrieg 1967 besetzt. Über 100.000 arabische Bewohner wurden damals vertrieben oder flüchteten. In einer Pufferzone zwischen dem besetzten Gebiet und Syrien ist seit 1974 eine gut 1000 Mann starke Friedenstruppe, UNDOF, stationiert. Seit 1981 gelten auf den Golan-Höhen israelische Gesetze, Rechtsprechung und Verwaltungshoheit, auch wenn Israel offiziell bis heute das international gebräuchliche Wort „Annektion“ für diesen Vorgang vermeidet. Die UNO protestierte, ausnahmsweise sogar mit Duldung der USA, gegen den einseitigen, rechtswidrigen Akt, drohte sogar mit Strafmaßnahmen, beließ es aber bei leeren Worten. Schon die damals alleinregierende Arbeitspartei hatte sofort nach dem Junikrieg begonnen, Siedlungen auf den Golan-Höhen gründen zu lassen, um das Gebiet dauerhaft an den israelischen Staat zu binden. Gegenwärtig leben dort rund 20.000 jüdische Israelis. Ein kleiner Teil, die sogenannten Schebaa-Farmen, wird vom Libanon beansprucht.

Im Rahmen der Anfang der 90er Jahre in Madrid begonnenen Verhandlungen zwischen Israel und der PLO kamen auch Gespräche mit Syrien in Gang. Beide Prozesse wurden im Jahr 2000 unterbrochen. Im Fall des Golan war angeblich nur noch die genaue Grenzziehung strittig – vordergründig betrachtet eine ganz kleine Differenz von weniger als hundert Metern. Syrien will die Grenze wiederherstellen, die vor dem Junikrieg bestanden hatte. Das würde bedeuten, dass das Ostufer des Sees von Genezareth (hebräisch: Jam Kinneret) wieder syrisches Territorium wäre. Israel will aber die alleinige Kontrolle über dieses wichtigste Wasserreservoir des Landes nicht mehr aus der Hand geben. Tatsächlich war das aber sicher nicht der einzige Grund, an dem die Gespräche vor acht Jahren scheiterten. Denn Israel belastet einen eventuellen, nie genau definierten Rückzug vom Golan mit weitreichenden Vorbedingungen, die eine völlige Änderung der außenpolitischen Orientierung Syriens zur Folge haben würden. Außerdem hat Israel bisher nie etwas anderes angeboten als einen sehr langen Zeitrahmen für den Rückzug. So etwa das Modell einer formalen Verpachtung des Golan auf mindestens 15 oder auch 25 Jahre. Dann würden dort zwar syrische Fahnen flattern, ansonsten bliebe aber auf unabsehbare Zeit alles beim jetzigen Zustand, einschließlich der israelischen M ilitärenrichtungen.

Dennoch bekundete Syriens Präsident Baschar al-Assad schon im Jahre 2003 öffentlich sein Interesse an einer Wiederaufnahme der Kontakte, die inoffiziell und auf niedriger Ebene nie ganz eingestellt worden waren. Im September 2004 begannen mit Wissen beider Regierungen Geheimgespräche zwischen dem syrisch-amerikanischen Geschäftsmann Ibrahim Suleiman und dem Generaldirektor im israelischen Außenministerium, Alon Liel. Angeblich kam dabei im Juli 2006 eine Grundsatzvereinbarung zustande, deren Inhalt die israelische Tageszeitung Haaretz am 21. Mai 2008 so referierte:

  1. Israel zieht sich auf die 1967er Grenze zurück. Umstritten blieb der Zeitrahmen. Israel beanspruchte dafür 15 Jahre, während Syrien den Rückzug in fünf Jahren abgeschlossen sehen wollte.
  2. Auf syrischem Gebiet soll am See von Genezareth ein großer gemeinsam genutzter Freizeit- und Naturpark entstehen, zu dem Israelis freien Zugang haben.
  3. Israel behält die alleinige Kontrolle über das Wasser des Jordan und des Sees von Genezareth.
  4. Entmilitarisierung beiderseits der Grenze. Dabei soll das zu entmilitarisierende syrische Gebiet vier mal so groß sein wie das israelische.
  5. Syrien stellt die Unterstützung für Hisbollah und Hamas ein und beendet seine enge Zusammenarbeit mit dem Iran.

Dieser Punkt ist, jenseits aller Detailfragen, auch heute das größte Problem in den Verhandlungen. Während Ministerpräsident Ehud Olmert diskrete Formulierungen bevorzugt – „Die Syrer wissen, was wir wollen, und wir wissen, was sie wollen“ – spricht seine Außenministerin Tzipi Liwni Klartext: „Syrien muss verstehen, dass es vollständig auf die Unterstützung des Terrorismus verzichten muss: Hisbollah, Hamas und natürlich Iran.“ „Die Syrer müssen auch verstehen, dass sie sich vollständig von ihren problematischen Verbindungen mit Iran distanzieren müssen.“ (Haaretz, 22.5.2008)

Syrien bekundet offiziell, es werde „keine Kompromisse bezüglich seiner Beziehungen zu anderen Ländern und Völkern“ machen, wie die Regierungszeitung Tischrin am 24. Mai schrieb. Zur Unterstreichung dieser Haltung unterzeichnete der syrische Verteidigungsminister Hassan Turkmani am 27. Mai in Teheran ein neues Abkommen über die Festigung der „Verteidigungsbeziehungen“, das unter anderem gegenseitige Besuche von Militärdelegationen, gemeinsame militärische Ausbildung und waffentechnische Zusammenarbeit vorsieht.

Nimmt man die Bekundungen aus Damaskus Wort für Wort ernst, fragt sich allerdings, zu welchem Zweck Assad überhaupt die Gespräche führen lässt. Denn dass die Forderung nach Bruch mit Hamas, Hisbollah und Iran für Israel nicht verhandelbar ist, sondern im Gegenteil das israelische Hauptziel darstellt, steht von vornherein fest. Darüber hinaus hätte Olmert, selbst wenn Assad sämtliche Vorbedingungen erfüllen würde, keine Mehrheit für einen Rückzug vom Golan. Nicht nur die von Benjamin Netanjahus Likud angeführte Opposition ist absolut dagegen, sondern auch Teile von Olmerts Koalitionsregierung widersprechen entschieden jedem territorialen „Zugeständnis“. Darunter die ultra-orthodoxe Schas-Partei, auf deren Stimmen Olmert unbedingt angewiesen ist. Vier Minister aus Olmerts eigener Partei, der Kadima, darunter der frühere Verteidigungsminister Schaul Mofas, der jetzt Transportminister ist, fordern, den Golan zumindest in den nächsten 25 bis 30 Jahren nicht zu räumen. Ihr vorgeschobenes Argument: So lange werde es dauern, um sich davon zu überzeugen, dass Syrien wirklich seine Unterstützung des internationalen Terrorismus aufgegeben hat.

Große Teile der Militärführung argumentieren mit angeblichen Sicherheitsgründen gleichfalls gegen einen Rückzug von den Golan-Höhen. Bei Meinungsumfragen lehnen regelmäßig zwei Drittel der israelischen Bevölkerung die Rückgabe des Gebiets an Syrien ab. Das sind sogar mehr als die, die sich gegen eine Teilung Jerusalems aussprechen. Falls der von Korruptionsvorwürfen schwer angeschlagene Olmert die Absicht haben sollte, durch die Verhandlungen mit Syrien von seinen persönlichen Problemen abzulenken und Punkte zu machen, wie ihm in israelischen und ausländischen Medien unterstellt wird, hätte er sich ein denkbar ungünstiges Thema ausgesucht. Er kann damit nur seine Ablösung beschleunigen. Kurzfristig vielleicht durch Außenministerin Liwni, die aber Schwierigkeiten hätte, die Koalition zusammenzuhalten, weil sie ähnlich wie Olmert vielen Politikern als außenpolitisch „zu weich“ gilt. Das mag angesichts ihres eher schneidigen Auftretens erstaunen, aber Israel hat sein eigenes, stark nach rechts verschobenes Koordinatensystem. Auf etwas längere Sicht führt vermutlich kein Weg an vorgezogenen Wahlen vorbei, die den Hardliner Netanjahu als Sieger sehen könnten.

Aussichten auf vorzeigbare Erfolge bestehen für die Gespräche mit Syrien also nicht. Damit wird auch die in den Medien gehandelte Spekulation unwahrscheinlich, Olmert wolle vielleicht die „syrische Schiene“ als Alternative zu den festgefahrenen Verhandlungen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas aufbauen. Wer erinnert sich heute noch an den seltsamen Begriff „Convergence Plan“, mit dem Olmert zu den Parlamentswahlen im März 2006 angetreten war? Bis zum Ende seiner regulären Amtszeit im Jahr 2010 wollte er "die Grenzen Israels endgültig festlegen". Viele verstreute Siedlungen auf der Westbank mit insgesamt 70.000 Bewohnern sollten geräumt werden. Allerdings vermied Olmert jede Konkretisierung. Gleichzeitig sollte Israel aber die „Siedlungsblöcke" im Großraum Jerusalem formal und endgültig annektieren. Hier leben jetzt schon über 250.000 Menschen, und viele Bewohner der aufzugebenden kleineren Siedlungen sollten, Olmerts Plan zufolge, künftig ebenfalls dort untergebracht werden. Zu Israel soll dann endgültig auch das schon 1967 annektierte arabische Ostjerusalem, einschließlich der historischen Altstadt, gehören. Bisher hat kein Staat der Welt, nicht einmal die USA, diesen völkerrechtswidrigen Akt anerkannt.

Endgültig erledigt wäre damit der palästinensische Anspruch auf Jerusalem (al-Kuds) als Hauptstadt eines eigenen Staates. Erledigt wäre nach Realisierung von Olmerts Plan auch das gesamte Projekt eines "lebensfähigen" Palästinenserstaates. Denn der Anschluss der „Siedlungsblöcke" an Israel würde die Westbank an ihrer schmalsten Stelle in zwei Teile zerschneiden. Darüber hinaus wollte Olmert auch das gesamte Jordantal, das die Grenze zu Jordanien bildet, annektieren, so dass die Westbank endgültig eine rundum von israelischem Territorium umschlossene Enklave bilden würde. Olmert hatte damals, im März 2006, angekündigt, er wolle mit der Umsetzung seines Planes in zwei Jahren, vielleicht auch schon in 18 Monaten beginnen. Tatsächlich ist aber bis heute nicht das Geringste geschehen, und der „Convergence Plan“ wird nicht einmal mehr erwähnt. Auch die Vorgabe von US-Präsident George W. Bush, bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2009 wenigstens irgendein nichtssagendes, aber dekoratives Grundsatzabkommen abzuschließen, erscheint mittlerweile nur noch illusorisch. Beide Verhandlungsstränge, der israelisch-palästinensische und der israelisch-syrische, haben keine Basis in der Wirklichkeit. Für beide gilt, dass Olmerts Position nicht nur unannehmbar für die Gegenseite, sondern auch nicht mehrheitsfähig in Israel ist. Das ist so offensichtlich, dass es allen Akteuren bewusst sein müsste.

Womit wir wieder bei der Frage nach dem realen Sinn der israelisch-syrischen Gespräche sind. Es liegt nahe, darin den israelischen Versuch zu sehen, Syrien mit Blick auf nahe bevorstehende kriegerische Aktivitäten zu neutralisieren oder zumindest seine Unterstützung für Israels Gegner zu reduzieren. Das kann sich auf die seit Wochen angekündigte Großoffensive gegen den Gaza-Streifen (und vielleicht auch gegen Teile der Westbank) beziehen, die beschlossene Sache zu sein scheint, aber auch auf neue Kriegspläne gegen die libanesische Hisbollah.

Vor allem aber machen Israels Kontakte zu Damaskus vor dem Hintergrund der amerikanisch-israelischen Kriegsvorbereitungen gegen Iran Sinn. Mit der neuerdings gezielt ausgestreuten, völlig unrealistischen Behauptung anonymer israelischer „Stellen“, Iran könne schon Mitte 2009 über eine einsatzbereite Atomwaffe verfügen, scheint möglicherweise ein Zeitrahmen gesetzt.

Zwei Tage vor der offiziellen Bekanntgabe der israelisch-syrischen Geheimgespräche, am 19. Mai, behauptete die Jerusalem Post unter Berufung auf „hochrangige Quellen im Umfeld von Präsident Bush“, dass dieser vor Ende seiner Amtszeit Militärschläge gegen Iran anordnen wolle. Eine Woche zuvor hatte sich der US-Präsident mehrere Tage lang in Israel aufgehalten und dabei auffällig aggressive Äußerungen gegen den Iran von sich gegeben. Das Weiße Haus ließ den Bericht der Jerusalem Post jedoch sehr scharf dementieren. Der Artikel sei das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde, sagte Präsidentensprecherin Dana Perino.

Am 21. Mai meldete die israelische Tageszeitung Haaretz, Regierungschef Olmert habe gegenüber der demokratischen Sprecherin des US-amerikanischen Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, Vorschläge zur Verschärfung der Isolierung Irans gemacht. Pelosi hatte sich zusammen mit einer Gruppe von Abgeordneten und Senatoren beider Parteien vom 16. bis 20. Mai in Israel aufgehalten. Haaretz zufolge hatte Olmert seine Ansicht bekundet, dass die vom UN-Sicherheitsrat durch drei Resolutionen verhängten Sanktionen gegen Iran „sich erschöpft“ hätten und eine neue Qualität von drastischeren Strafmaßnahmen erforderlich sei. Als erste Option habe der israelische Ministerpräsident im Gespräch mit Pelosi eine Seeblockade der iranischen Häfen durch US-Kriegsschiffe gefordert. Sein zweiter Vorschlag sei gewesen, iranischen Geschäftsleuten auf allen Flugplätzen die Landung zu verweigern. Olmert wolle bei seiner USA-Reise Anfang Juni für diese Maßnahmen werben, so Haaretz unter Berufung auf nicht näher bezeichnete anonyme Quellen.

Während Olmerts Büro eine Stellungnahme zu dem Bericht verweigerte, gab Pelosis Sprecher ein Dementi ab: Über diese Vorschläge sei beim Israel-Besuch der Politikerin nicht gesprochen worden. Pentagon-Sprecher Geoff Morrell erklärte ausweichend und nichtssagend, über Blockade-Pläne sei ihm nichts bekannt, aber „wie wir von Anfang an gesagt haben: alle militärischen Optionen bleiben auf dem Tisch“. Am 28. Mai griff das kürzlich vom neokonservativen Medien-Giganten Rupert Murdoch erworbene Wall Street Journal die Forderung nach einer militärischen Seeblockade gegen Iran in einem redaktionellen Leitartikel auf.

Am 22. Mai berichtete der „Geheimdienstexperte“ von Haaretz, Yossi Melman, vorab über ein demnächst erscheinendes Thesenpapier von Patrick Clawson und Michael Eisenstadt im Auftrag des Washington Institute for Near East Policy. Das WINEP, das sich hinter der Tarnung als „Think Tank“ einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, ist eine Propagandazentrale, die der offiziellen US-amerikanischen Pro-Israel-Lobby AIPAC nahe steht. In ihrem Papier sind Clawson und Eisenstadt bemüht, die weithin bestehenden Befürchtungen über die regionalen und vielleicht sogar weltweiten Folgen eines Angriffs auf den Iran klein zu reden und damit indirekt für eine militärische „Lösung“ zu werben. „Irans Optionen, darauf zu antworten, sind begrenzt und schwach“, lautet ihr Fazit. Seine Drohungen, im Kriegsfall die für den Erdöltransport von der arabischen Halbinsel wichtige Straße von Hormuz zu sperren, werde Iran wahrscheinlich nicht realisieren, und die iranischen Raketen, die bis Israel reichen, hätten Zielabweichungen von über einem Kilometer.

Mit Blick auf einen israelischen Alleingang sagte Clawson im Gespräch mit Melman: „Israel muss die Umstände schaffen, unter denen die Weltmeinung Israel und seine Motive versteht, auch wenn sie den Angriff bedauert. In dieser Beziehung profitiert Israel von Ahmadinedschad und seinen Statements. Sie helfen Israel, der Welt seine Position nahe zu bringen und die Bedrohungen zu erklären, mit denen es konfrontiert ist.“

Am 28. Mai schrieb der US-amerikanische Journalist Muhammad Cohen in der Asia Times, die Bush-Regierung plane innerhalb der nächsten zwei Monate Luftangriffe gegen Iran. Als Quelle gab Cohen einen anonymen früheren Unterstaatssekretär an. Ziele könnten Stützpunkte der von den USA zur „Terrororganisation“ erklärten Revolutionsgarden in der Nähe der Grenze zum Irak sein. Zwei US-Senatoren, Diane Feinstein von den Demokraten und der Republikaner Richard Lugar, seien vertraulich über diese Pläne unterrichtet worden und wollten ihren Widerspruch dagegen demnächst in einem Kommentar für die New York Times bekunden. Beide ließen Cohens Behauptungen noch am selben Tag in allen sie betreffenden Punkten dementieren. Diese Reaktion hatte der Journalist allerdings in seinem Artikel schon vorweggenommen, indem er schrieb: „Aufgrund ihrer Verpflichtung, die Geheimhaltung solcher vertraulicher Informationen zu wahren, ist es unwahrscheinlich, dass die Senatoren den Plan der Bush-Regierung oder ihre Kenntnis davon offenbaren werden.“

Zusammen mit der in sich selbst sinnlosen Intensivierung und Veröffentlichung der Gespräche über die Golan-Höhen lassen die sich häufenden Meldungen oder gezielten Falschmeldungen der letzten Tage die Interpretation zu, dass die Umsetzung der Kriegspläne gegen Iran oder zumindest die Einleitung unumkehrbarer militärischer Aktionen noch vor dem Ende der Amtszeit von Präsident Bush bevorsteht. Indessen ist diese Annahme alles andere als zwingend, weil solche Gerüchte schon seit Jahren immer wieder lanciert werden. Es gab solche Spekulationen zuletzt unter anderem vor den Kongresswahlen vom November 2006 und dann wieder im Frühjahr 2007, als aufgrund einer einzigen offensichtlich dubiosen russischen Quelle der April als definitiv feststehender Angriffszeitpunkt die Runde machte.

Die jetzigen Gerüchte haben aber ihre spezielle Logik angesichts der realistischen Möglichkeit, dass Barack Obama nächster Präsident der USA werden könnte. Mit seiner Ankündigung vor einigen Monaten, er würde im Fall seiner Wahl als eine seiner ersten Handlungen das direkte Gespräch mit seinem iranischen Kollegen Mahmud Ahmadinedschaft suchen, hat der Demokrat die zum Krieg drängenden Kräfte nachhaltig verstört. Obama hat diese Ankündigung inzwischen zwar abgeschwächt und am 3. Juni vor Vertretern der AIPAC in Washington sogar betont, daß er einen harten Kurs gegen Iran fahren werde, da das Land eine Bedrohung für Israel sei: »Die Gefahr aus dem Iran ist ernst und real, und mein Ziel wird es sein, diese Gefahr zu eliminieren.« Nichtsdestoweniger gilt er maßgeblichen Kräften als zu unzuverlässig und unberechenbar. Das spricht dafür, die Dinge tatsächlich noch in den letzten Monaten der Bush-Amtszeit so auf den Weg zu bringen, dass die Rahmenbedingungen für seinen Nachfolger festgelegt sind und kein Ausweichen mehr möglich ist.

Vielleicht hatte das auch die deutsche Bundeskanzlerin im Sinn, als sie am 18. März in der Knesset, eindeutig im Iran-Kontext gemeint, scheinbar etwas rätselhaft und überdramatisch erklärte: "Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben."

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. Juni 2008