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Strategische Ungeduld

USA verlangen mehr Bürgerkrieg in Pakistan

Die US-Regierung verstärkt ihren Druck auf Pakistan, den Bürgerkrieg von den sogenannten Stammesgebieten im Nordwesten auf das gesamte Land auszuweiten. Zum 21. Mal in seiner Amtszeit als Generalsstabschef der amerikanischen Streitkräfte traf Admiral Michael Glenn Mullen am Mittwoch zu zweitägigen Gesprächen mit führenden Politikern und Militärs in Islamabad ein. Das sind durchschnittlich sieben Besuche pro Jahr, und im Zentrum steht meist nur ein Thema: Pakistan muss „mehr tun“, um die „Schlupfwinkel der Terroristen“ anzugreifen und zu vernichten.

Im pakistanischen Fernsehen sprach Mullen über die „strategische Ungeduld bei mir und anderen“. Auch die Existenz von „Spannungen“ zwischen Washington und Islamabad räumte er ein. Zugleich äußerte er die Erwartung, dass Pakistan recht bald eine Offensive gegen Nordwasiristan beginnen werde. Allerdings dürfe es den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen. Angesichts des permanenten Drängens und Drohens der US-Regierung ist das jedoch keine sehr glaubwürdige Einschränkung.

Das pakistanische Militär hatte im Frühjahr 2009 einen Feldzug in der Region rund um das Swat-Tal geführt, der zeitweise über 2,5 Millionen Menschen zu Vertriebenen machte. Im Oktober 2009 griffen die Streitkräfte Südwasiristan an, mussten die Operationen aber bei Winterbruch abbrechen. Anschließend war von pakistanischer Seite klar, dass es zunächst keine weiteren großen Feldzüge geben würde, da die Verluste und Kosten sehr hoch waren. Die Lage in den umkämpften Gebieten solle erst einmal stabilisiert werden, hieß es.

Ab Ende Juli dieses Jahres machte dann die Flutkatastrophe des Indus, der das ganze Land auf einer Länge von rund 2.200 Kilometern durchzieht, alle noch so dringenden militärischen Forderungen der Obama-Regierung gegenstandslos. Die Überschwemmungen trafen mehr als 20 Millionen Menschen und hinterließen riesige Schäden, die auf bis zu 40 Milliarden Dollar geschätzt werden. Dem standen nicht einmal 2 Milliarden internationale Unterstützung gegenüber. Pakistan ist jetzt schon mit über 50 Milliarden Dollar verschuldet und muss pro Jahr drei Milliarden aufbringen, um die Zinsen zu zahlen.

Indessen berichtete die New York Times am Dienstag über zwei neue Lageberichte (NIE) der 16 US-amerikanischen Geheimdienste: der eine zu Afghanistan, der andere zu Pakistan. Der Tageszeitung zufolge geht es wieder einmal um die seit Jahren bekannten Vorwürfe, dass die pakistanischen Politiker und Militärs den Taliban aus dem Nachbarland Stützpunktgebiete auf ihrem Territorium überlassen. So lange sich das nicht ändere, sei der Krieg in Afghanistan letztlich nicht zu gewinnen, heißt es angeblich in dem Papier. Sein Inhalt wird zwar geheimgehalten, aber seine Kernpunkte werden gezielt an die Mainstream-Medien ausgestreut. Der Bericht wiederholt laut New York Times auch die Beschwörungen, dass Pakistans Atomwaffen oder hoch angereichertes Plutonium in die Hände von Terroristen gelangen könnten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. Dezember 2010