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Tag der Scharfmacher
Demagogische Reden der republikanischen Präsidentschaftsbewerber auf der Konferenz der Israel-Lobby. Harter Konter von Obama.
Die Jahreskonferenz der US-amerikanischen Pro-Israel-Lobby AIPAC, die am Sonntag mit einer Ansprache Barack Obamas begann, ist mit heftigen Angriffen gegen den Präsidenten zu Ende gegangen. Die Schlusssitzung am Dienstagmorgen stand im Zeichen der Grußadressen der drei wichtigsten republikanischen Bewerber für die Präsidentschaftswahl im November. Während die Reden von Mitt Romney und Newt Gingrich aus einer Station ihrer Wahltournee auf eine Bildwand übertragen wurden, hatte sich Rick Santorum persönlich nach Washington in die Konferenzhalle bemüht.
Alle drei Politiker konzentrierten sich darauf, Obama Schwäche gegenüber Iran vorzuwerfen und sich gegenseitig mit aggressiven Sprüchen zu überbieten. Der Preis ging zweifellos an Gingrich, der per Satellit verkündete: „Die rote Linie ist jetzt!“ Das Publikum erhob sich begeistert zu einem stehenden Applaus. Vielleicht hatte nicht jeder von ihnen darüber nachgedacht, was er gerade gehört hatte. Die „rote Linie“ ist in diesen Tagen ein ständig gebrauchter Begriff für einen imaginären Punkt, dessen Überschreiten durch die Iraner sofort massive Kriegshandlungen der USA auslösen müsse.
Mitt Romney versprach, dass schon eine „Atomwaffenfähigkeit“ Irans für ihn ein Kriegsgrund wäre. Er machte sich damit die Standardformel der israelischen Regierung und des AIPAC zu eigen. Im Gegensatz dazu pflegt Obama lediglich zu sagen, dass er die Iraner daran hindern werde, Nuklearwaffen zu besitzen. Starker Beifall dankte Romney auch für seine Versprechen „Unter einer Romney-Administration wird es keine Kluft zwischen unseren Nationen – gemeint: den USA und Israel – oder ihren Führern geben“ und „Ich werde Israel niemals auffordern, zu den Grenzen von 1967 zurückzukehren“. Zu den Diskussionen um einen israelischen „Präventivschlag“ gegen Iran sagte Romney: „Israel braucht keine öffentlichen Belehrungen, wie es seine Entscheidungen über Krieg und Frieden abzuwägen hat. Es braucht unsere Unterstützung.“
Santorum kritisierte in seiner Ansprache die gerade bekannt gewordene Entscheidung der Sechsergruppe, ein neues Treffen mit dem Iran zu vereinbaren. Die Gruppe besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – sowie Deutschland. Die Akzeptierung des iranischen Gesprächsangebots sei, so der Redner, „ein weiteres Appeasement (Beschwichtigungspolitik), eine weitere Verzögerung, eine weitere Gelegenheit für sie – die Iraner – die Entwicklung voranzutreiben, während wir uns unterhalten“.
Präsident Obama, der in seiner Rede auf der AIPAC-Konferenz und bei seinem gemeinsamen Auftritt mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu am Montag auf jede Äußerung zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen verzichtet hatte, schlug angesichts der republikanischen Attacken einen schärferen Ton an: „Wenn einige dieser Leute meinen, wir müssten einen Krieg starten, dann sollen sie das sagen und vor dem amerikanischen Volk vertreten.“ „Diejenigen, die so etwas befürworten oder die Kriegstrommel schlagen, sollten dem amerikanischen Volk klipp und klar erläutern, was die Kosten und was die Vorteile wären.“
Unverkennbar an die Adresse Netanjahus gerichtet setzte der Präsident hinzu: „Es geht nicht nur um das Problem israelischer Interessen, dies ist ein Problem amerikanischer Interessen. (…) Es ist darüber hinaus nicht nur ein Problem der Folgen für Israel, wenn vorzeitig gehandelt wird. Es gibt ebenso auch Folgen für die Vereinigten Staaten.“
Knut Mellenthin
Junge Welt, 8. März 2012