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Sack und Esel

Die Republikaner der USA führen eine Skandal-Kampagne gegen Justizminister Holder, um Präsident Obama zu treffen.

Ein Ausschuss des Abgeordnetenhauses der USA hat am Mittwoch beschlossen, Justizminister Eric Holder wegen „Missachtung des Kongresses“ anzuklagen. Sofern nicht noch in letzter Stunde ein Kompromiss zustande kommt, wird die republikanische Mehrheit des Hauses dem Antrag voraussichtlich schon in der nächsten Woche zustimmen. Barack Obamas Gegner versuchen, mit aggressiver Unterstützung neokonservativer Medien, wenige Monate vor der Präsidentenwahl am 6. November einen öffentlichkeitswirksamen Skandal zu inszenieren, der den Amtsinhaber moralisch demontieren soll.

Ausgangspunkt des Streits ist eine „verdeckte Operation“ der Bundesbehörde für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoffe (ATF), die zwischen Ende 2009 und Anfang 2011 stattfand. Das tatsächlich skandalöse Unternehmen unter dem Namen „Fast and Furious“, das mehrere Vorläufer in der Ära von George W. Bush hatte, steht allerdings in Wirklichkeit nicht zur Diskussion. Die Behörde ließ damals durch Strohmänner mehrere tausend Schusswaffen illegal nach Mexiko verkaufen. Angeblich sollte das dazu dienen, Waffenhändlern und Drogenkartellen auf die Spur zu kommen. Tatsächlich verloren die Fahnder der Behörde aber rund 2.000 der Waffen aus dem Blick. Einige Dutzend von ihnen tauchten später im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen wieder auf. Zwei lagen neben der Leiche des US-amerikanischen Grenzschützers Brian Terry, der am 14. Dezember 2010 bei einem Schusswechsel mit mexikanischen Banditen getötet wurde. Kurz darauf wurde „Fast and Furious“ beendet, eine Untersuchung wurde eingeleitet und einige Verantwortliche entlassen.

Die Republikaner, die seit November 2010 eine sichere Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben, nutzten diese von Anfang an, um den als „liberal“ - in manchen US-Kreisen geradezu ein Schimpfwort – geltenden Justizminister unter Beschuss zu nehmen. Mittlerweile hat Holder dem Kontrollausschuss des Hauses rund 7.600 Dokumente übergeben, die sich auf die Waffen-Affäre beziehen. Er verweigert aber die Herausgabe von internen E-Mails, die sich Mitarbeiter seines Ministeriums nach dem 4. Februar 2011 gegenseitig zusandten, als „Fast and Furious“ bereits abgeblasen war.

An diesem Tag schickte Holders Amt einen Brief an den Kongress, in dem der Waffenhandel geleugnet wurde. Erst im Dezember 2011 gab das Ministerium zu, dass das Schreiben nicht der Wahrheit entsprach, und widerrief es offiziell. Angeblich hatten die örtlichen Beamten der ATF in Arizona, die die Operation organisiert hatten, falsche Informationen geliefert. Der Streit dreht sich also, auch wenn die Republikaner ständig den Namen des toten Grenzschützers Terry im Mund führen, nicht wirklich um „Fast and Furious“, sondern um die unterstellten und nicht gerade unwahrscheinlichen Vertuschungsversuche des Justizministeriums. Die Republikaner fordern eine Erklärung, wer für den Brief verantwortlich war und warum es so lange dauerte, den Fehler öffentlich zu korrigieren.

Obama hat am Mittwoch mit einem Brief eingegriffen, in dem er sich auf das „Executive Privilege“ des Präsidenten beruft. Praktisch geht es darum, dass er die Zurückhaltung der vom Kontrollausschuss geforderten Dokumente durch Holder mit dem Argument der „nationalen Sicherheit“ rechtfertigt. Der Jurist Obama, der dieses Privileg vor Beginn seiner eigenen Amtszeit wiederholt kritisiert hatte, macht nun erstmals selbst davon Gebrauch. George W. Bush hatte es sechs Mal eingesetzt, Bill Clinton sogar vierzehn Mal. Hauptsächlich verbindet sich das „Executive Privilege“ allerdings mit dem Namen von Richard Nixon, der sich während der Watergate-Affäre vergeblich hinter diesem zu verstecken versuchte.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 22. Juni 2012