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Rechenschaft gefordert
Seit dem 19. März beteiligen sich die USA am illegalen Krieg gegen Libyen. Jetzt soll Präsident Barack Obama erstmals gezwungen werden, sich darüber vor dem Kongress zu verantworten. Eine entsprechende Resolution nahm das Abgeordnetenhaus am Freitag mit 265 gegen 148 Stimmen an. Dem von den Republikanern eingebrachten Antrag stimmten auch 45 der 193 demokratischen Parlamentarier zu.
Mit der Entschließung wird Obama aufgefordert, dem Haus innerhalb von 14 Tagen detailliert die Art des militärischen Einsatzes, die voraussichtlichen Kosten und die angestrebten Ziele darzulegen. Außerdem soll der Präsident erklären, warum er diesen Krieg ohne die gesetzlich vorgeschriebene Autorisierung durch den Kongress führen lässt. Der Beschluss ist, formal betrachtet, für Obama nicht verbindlich, bringt ihn aber unter politischen Zugzwang.
Der Antrag war erst am Donnerstag ganz kurzfristig vom republikanischen Sprecher des Hauses, John A. Boehner, eingebracht worden. Der taktische Zweck bestand darin, einer wesentlich radikaleren Vorlage des demokratischen Abgeordneten Dennis J. Kucinich den Wind aus den Segeln zu nehmen, nachdem diese unerwartet große Unterstützung bei Republikanern gefunden hatte. Kucinichs Resolution verlangt, die US-Streitkräfte innerhalb von 15 Tagen aus allen militärischen Operationen in und um Libyen zurückzuziehen. Der Antrag wurde mit 148 gegen 265 abgelehnt, was als sehr achtbares Ergebnis gelten kann. 87 Republikaner stimmten der Resolution zu.
Zuvor hatte die republikanische Führung Kucinichs Initiative scharf verurteilt und damit deutlich gemacht, dass es ihr zwar um politische Munition gegen Obama, aber nicht um die Beendigung der Kriegsbeteiligung geht. Die Resolution würde, tadelte Boehner, „unseren Truppen Schaden zufügen und unseren Verbündeten in den Rücken fallen, die in Afghanistan und anderen Gebieten an unserer Seite stehen“. Die Führung der Demokraten hatte sich vor der Abstimmung vom Freitag gegen beide Anträge ausgesprochen. „Die Resolutionen (…) fördern unsere Bemühungen in der Region nicht und senden unseren NATO-Partnern die falsche Botschaft“, hieß es in einer Presseerklärung der einflussreichen Abgeordneten Nancy Pelosi.
Hintergrund der parlamentarischen Aktivitäten ist die vom Kongress 1973 aufgrund der Erfahrungen des Vietnamkrieges verabschiedete War Powers Resolution. Sie nimmt im Grund nur einen Verfassungsgrundsatz wieder auf, wonach allein der Kongress das Recht hat, Kriege zu erklären. Das 1973 verabschiedete Gesetz sieht vor, dass der Präsident spätestens 48 Stunden nach der Eröffnung von Kriegshandlungen dem Kongress darüber Mitteilung machen muss. Spätestens 60 Tage später muss er die militärischen Operationen einstellen lassen, sofern der Kongress bis dahin den Krieg nicht autorisiert hat.
Obama meldete dem Kongress zwar am 21. März den Beginn der Kampfhandlungen gegen Libyen, machte aber keine Anstalten, die Zustimmung von Abgeordnetenhaus und Senat einzuholen. Am 20. Mai lief die 60-Tage-Frist ab. An diesem Tag richtete der Präsident lediglich einen Brief an den Kongress, dass die Beteiligung der USA seit dem 4. April hauptsächlich aus Unterstützung der Verbündeten bestehe und seiner Ansicht nach kein Votum der Parlamentarier erfordere.
Schon frühere Präsidenten hatten das War-Powers-Gesetz ignoriert. So Ronald Reagan, als er 1982 Marines in den Libanon schickte, und Bill Clinton beim Bombenkrieg gegen Jugoslawien 1999.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 6. Juni 2011