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Neue Empfehlungen der Israel-Lobby zum Atomstreit mit Iran

Israel könnte sich zu einem militärischen Alleingang entschließen, wenn es mit dem Vorgehen der „internationalen Gemeinschaft“ gegen das iranische Atomprogramm nicht zufrieden ist. Israel könnte diese Entscheidung sehr bald treffen, weil es seine militärischen Chancen in den nächsten ein, zwei Jahren schwinden sieht: nicht nur wegen Irans weiteren Fortschritten in der Entwicklung der Atomtechnologie, sondern auch aus Sorge vor einer verstärkten iranischen Luftabwehr.

Diese Thesen stehen, mediengerecht schon auf der ersten Seite platziert, in einem Strategiepapier, das das Washington Institute for Near East Policy am 4. März veröffentlicht hat. Titel: “Preventing a Cascade of Instability. U.S. Engagement to Check Iranian Nuclear Progress”. Zu der Arbeitsgruppe, die das Papier erstellte, gehörte Dennis Ross, Chefberater von US-Außenministerin Hillary Clinton für die Iran-Politik. Ross war bis zu seiner Ernennung regelmäßiger Mitarbeiter des Washington Institute.

Das WINEP ist eine Filiale der US-amerikanischen pro-Israel-Lobby AIPAC. Die Arbeit des Instituts dient dazu, in wissenschaftlich und strategisch verschleierter Form die israelischen Forderungen an die Politik der Vereinigten Staaten zu transportieren. Die Sätze über einen möglichen militärischen Alleingang Israels dienen in diesem Kontext vor allem als Mahnung, beim Konfrontationskurs der Bush-Regierung gegen Iran zu bleiben und, falls sich die USA wirklich auf einen „Dialog“ mit Teheran einlassen wollen, dabei die israelischen Vorstellungen zu berücksichtigen. Denn, so das WINEP-Papier: „Die Vereinigten Staaten selbst würden einen hohen Preis für einen israelischen Militärschlag zahlen; viele würden annehmen, Washington habe Israel grünes Licht gegeben.“

Die Verfasser betonen die Notwendigkeit, Gesprächsangebote an Iran unmittelbar mit Schritten zur Steigerung des Drucks zu verbinden. Die US-Regierung solle solche Angebote nicht im Alleingang vornehmen, sondern dafür einen internationalen Konsens, insbesondere mit Russland und China, anstreben. Das soll nach Möglichkeit mit einer präventiv vereinbarten „Strategie verschärfter Wirtschaftssanktionen und internationalen politischen Drucks“ verbunden werden, falls der „Dialog“, der zeitlich sehr eng befristet werden soll, nicht zum iranischen Einlenken führt. Ins Spiel gebracht wird ein internationaler Boykott, Iran mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten zu beliefern, auf die das Land mangels eigener Anlagen angewiesen ist.

Entschieden lehnen die Verfasser jede Diskussion über einen Kompromiss mit dem Iran hinsichtlich der Uran-Anreicherung – wie etwa die Legitimierung einer kleinen Produktionsmenge oder bestimmter Forschungsarbeiten – ab. Iran dürfe keine „latente Kapazität, schnell Atomwaffen herzustellen“ behalten. Allenfalls über bedeutungslose „gesichtswahrende Maßnahmen“ könne man sich noch unterhalten, aber erst, wenn Iran grundsätzlich zugestimmt hat, auf Uran-Anreicherung vollständig zu verzichten.

Die US-Regierung soll, mit Blick auf künftige noch aggressivere Maßnahmen gegen Iran, einen möglichst breiten internationalen Konsens anstreben, empfehlen die Verfasser des WINEP-Papiers. Von zentraler Bedeutung seien dabei Russland und China, was „diplomatisches Geschick“ und zumindest für die nächste Zeit die Betonung von Kooperation statt Konfrontation erfordere.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. März 2009