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Konfrontationskurs gegen Russland

Die Regierung der USA hat am 23. Oktober einseitige Sanktionen gegen eine Reihe von Unternehmen in Kraft gesetzt, die mit Iran völlig legale Handelsbeziehungen unterhalten. Die Strafmaßnahmen treffen etwa ein Dutzend chinesische, nordkoreanische, südkoreanische, syrische, sudanesische, venezolanische und arabische Firmen sowie das russische Monopolunternehmen für Rüstungsexporte, Rosoboronexport. Washington wirft dem Unternehmen vor, dass es Luftabwehrsysteme an den Iran geliefert hat, darunter zuletzt 29 russische Tor-M1 im Wert von 700 Millionen Dollar aufgrund eines Vertrages aus dem Jahr 2005. Zum Abkommen gehört wie üblich auch die Ausbildung iranischer Experten an dem System, einschließlich der damit verbundenen Radaranlagen. Rosoboronexport verhandelt darüber hinaus mit Iran über die Lieferung von Luftabwehrraketen des moderneren und effektiveren Typs S-300.

In einer Stellungnahme des russischen Außenministeriums werden die Sanktionen gegen Rosoboronexport als „unfreundlicher Akt“ verurteilt, der negative Auswirkungen auf die russisch-amerikanischen Beziehungen, einschließlich der Zusammenarbeit im Rahmen der „Iran-Sechs“ haben werde. Gemeint sind die Bemühungen der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands um gemeinsame Aktivitäten im Atomstreit mit Iran. „Wenn einige Leute in Washington sich einbilden, dass dieser Schritt Russland geneigter machen könnte, die Haltung der USA gegenüber dem iranischen Atomproblem zu unterstützen, sind sie auf dem Holzweg“, warnte Außenminister Sergej Lawrow. Die Strafmaßnahmen hätten keine Grundlage im internationalen Recht, sondern seien Ausdruck der „äußerst arroganten extraterritorialen Anwendung amerikanischer Gesetze“.

Russische Medien meldeten unter Berufung auf „Quellen in der Verteidigungsindustrie“, dass durch die Sanktionen unter anderem auch die russischen Titanium-Lieferungen an Boeing gefährdet sein könnten. Denn der größte Titanium-Produzent der Welt, VSMPO-AVISMA, ist eine Tochterfirma von Rosoboronexport.

Dieser Konflikt zeigt, dass die US-Regierung bei ihrer aggressiven Strategie gegen Iran immer weniger Wert auf eine Kooperation mit Russland und auch China legt. Die letzte Resolution im UN-Sicherheitsrat, die Ende September verabschiedet wurde, enthielt keinerlei neuen Inhalt, sondern diente nur dem Zweck, trotz weitgehender Meinungsverschiedenheiten in der Sache irgendeine gemeinsame Aktivität vorzutäuschen. In Wirklichkeit haben sich die Iran-Sechs seit der dritten Sanktionsresolution des Sicherheitsrats vom 3. März dieses Jahres auf keine weiteren Schritte mehr einigen können.

Künftige Kampfmaßnahmen der US-Regierung im Iran-Konflikt, wie die geplante Sperrung des Persischen Golfs für alle iranischen Erdöl-Exporte, werden sich auch gegen die Interessen Russlands und Chinas richten. In einer Studie von Politikern beider Parteien des US-Kongresses (siehe oben) wird sogar erwogen, die Seeblockade auch auf das Kaspische Meer, also auf den iranischen Handel mit Russland, Kasachstan und Turkmenistan, auszuweiten. Neben der Verminung der iranischen Häfen an diesem größten Binnengewässer der Welt schlagen die Autoren auch vor, den Schiffsverkehr mit dem Iran durch Kampfflugzeuge zu „unterbinden“. Das könnte die USA an den Rand einer militärischen Konfrontation mit Russland führen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. Oktober 2008