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Kein "Change" in der Iran-Politik der USA
Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder ein Angriff der USA oder Israels auf den Iran als unmittelbar bevorstehend vorausgesagt worden war, ist scheinbar Ruhe eingetreten. Seit der letzten Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrats – es war bereits die dritte – ist schon über ein Jahr verstrichen. Das ist im Wesentlichen dem Zögern Russlands und Chinas geschuldet, sich am Vorantreiben einer Eskalation zu beteiligen, die die Chancen für eine politische, friedliche Regelung des Streits um das iranische Atomprogramm immer geringer werden lässt.
Alle Faktoren, angefangen bei der bevorstehenden Bildung einer aggressiven Rechtsregierung in Israel unter Benjamin Netanjahu, sprechen dafür, dass dieser Konflikt in den kommenden Monaten wieder verschärft wird. Auf die Frage, ob „die militärische Option“ gegen Iran auch unter dem neuen Präsidenten Barack Obama „auf dem Tisch bleiben“ werde, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, am 28. Januar: „Der Präsident hat seine Meinung nicht geändert, dass er sich alle seine Optionen offenhalten sollte. Wir müssen alle Elemente unserer nationalen Macht einsetzen, um in Bezug auf den Iran unsere Interessen zu schützen.“ – Einen Tag zuvor hatte US-Generalstabschef Mike Mullen auf eine Frage der Jerusalem Post geantwortet, dass der Einsatz militärischer Gewalt gegen Iran „eine Option“ bleibe, wenn auch „als letztes Mittel“. Gleichzeitig wies Mullen jedoch auf die Bedeutung des Versuchs hin, Iran insbesondere mit Blick auf den Afghanistan-Krieg für eine politische Zusammenarbeit zu gewinnen.
Von Obama wird von unterschiedlichen Seiten erwartet, dass er von der Konfrontationspolitik seines Vorgängers abweichen und die Chancen für einen politischen, möglicherweise sogar einen „strategischen“ Dialog mit dem Iran austesten könnte. Das lässt sich jedoch aus seinen bisherigen Äußerungen nur sehr bedingt herauslesen oder in diese hineininterpretieren.
Tatsachen auf den Kopf gestellt
In seiner Rede zur Amtseinführung am 20. Januar sagte Obama, ohne Iran direkt zu nennen: „Diejenigen, die sich mit Korruption, Betrug und dem Stummmachen Andersdenkender an die Macht klammern, sollen wissen, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen, aber dass wir ihnen unsere Hand entgegenstrecken, wenn sie bereit sind, ihre geballte Faust zu öffnen.“
Dass er mit dieser beleidigenden, keineswegs zum Dialog ermutigenden Umschreibung tatsächlich den Iran gemeint hatte, machte Obama im ersten Interview seiner Amtszeit deutlich, das er am 27. Januar dem in Dubai ansässigen, aber in saudischem Besitz befindlichen Sender AlArabiya gab. Der Präsident sagte dort, nachdem er die bekannten Vorwürfe gegen den Iran – Streben nach Atomwaffen, Unterstützung des internationalen Terrorismus, Drohungen gegen Israel – erhoben hatte: „Aber ich denke, es ist wichtig für uns, dass wir willens sind, mit dem Iran zu sprechen und sehr deutlich zu sagen, wo unsere Differenzen liegen, aber auch, wo mögliche Wege zum Vorankommen sind. Wir werden in den nächsten Monaten unsere allgemeinen Grundsätze und unser Vorgehen ausarbeiten. Und, wie ich in meiner Rede bei der Amtseinführung sagte, wenn Länder wie Iran bereit sind, ihre geballte Faust zu öffnen, werden sie unsere Hand ausgestreckt finden.“
Die wirklichen Verhältnisse – dass es immer wieder die USA sind, die dem Iran mit militärischer Gewalt drohen und nicht etwa umgekehrt – hat Obama mit diesem Bild auf den Kopf gestellt. Seine Forderung, Iran müsse die „geballte Faust öffnen“, um die Hand der USA „ausgestreckt“ zu finden, beinhaltet ein breites Spektrum von noch nicht genau definierten Erwartungen. Dazu gehört jedenfalls mit Sicherheit weit mehr als nur der Verzicht auf die Anreicherung von Uran. Durch die Vermengung und Belastung mit anderen Themen würde ein Kompromiss in der Atomfrage Frage selbstverständlich enorm erschwert, wenn nicht von vornherein unmöglich gemacht.
Dennis Ross, jetzt Berater für die Iran-Politik im Außenministerium, hat es in einem schon im September 2008 veröffentlichten Strategiepapier so ausgedrückt: „Die Vereinigten Staaten wollen, dass Iran sein Streben nach Atomwaffen und seine Unterstützung für terroristische Gruppen und Milizen, die bestehende Regierungen bedrohen oder als Geisel nehmen, aufgeben, und dass es seine Versuche beendet, einen arabisch-israelischen Frieden zu verhindern.“ (Diplomatic Strategies for Dealing with Iran, Diplomatische Strategien für den Umgang mit Iran)
Im Wesentlichen entspricht das den Vorwürfen, die Obama in seinem Interview mit AlArabiya gegen den Iran erhoben hat. Mit „terroristischen Gruppen“ sind in diesem Kontext in erster Linie die Hamas gemeint, die im Januar 2006 die ersten demokratischen Wahlen Palästinas gewann, sowie die Hisbollah, die seit vorigem Jahr der libanesischen Regierungskoalition angehört.
Kein konkretes Angebot
Derzeit gibt es, entgegen anderslautenden Deutungen und Behauptungen, noch kein konkretes Gesprächsangebot der USA an den Iran. Obama erläuterte die Sachlage in seiner ersten Pressekonferenz am 9. Februar so: „Mein Team für nationale Sicherheit untersucht zur Zeit unsere bisherige Iran-Politik. Es betrachtet dabei Gebiete, auf denen wir einen konstruktiven Dialog führen könnten, wo wir direkt in Beziehung zu ihnen treten könnten. Meine Erwartung ist, dass wir in den kommenden Monaten nach Einstiegen suchen, die geschaffen werden können, wo wir beginnen können, uns am Tisch direkt gegenüber zu sitzen – diplomatische Einstiege, die es uns erlauben, unsere Politik in eine neue Richtung zu lenken.“ Es gebe „zumindest die Möglichkeit einer auf gegenseitigen Respekt und Fortschritt gegründeten Beziehung“, sagte Obama, auch wenn das „nicht über Nacht“ geschehen könne, „weil im Lauf der Jahre eine Menge Misstrauen aufgebaut wurde“.
Inzwischen hat Außenministerin Hillary Clinton die italienische Einladung an Iran unterstützt, sich an einer internationalen Afghanistan-Konferenz der G-8 zu beteiligen, die am 27. Juni in Triest stattfinden soll. Der italienische Außenminister Franco Frattini hatte am 18. Februar bei einem Besuch in der an Iran grenzenden westafghanischen Provinz Herat – dort ist das italienische ISAF-Kontingent stationiert – den Iran als „Vermittler“ bei der Stabilisierung Afghanistans bezeichnet. Die iranische Regierung hat auf die Einladung ausgesprochen positiv reagiert.
Das Interesse der USA, sich mit dem Iran in einer Reihe von Fragen, zu denken ist dabei neben Afghanistan selbstverständlich auch an Irak, zu arrangieren, liegt auf der Hand. Ebenso klar ist aber, dass man dabei nicht weit kommen wird, so lange Washington darauf besteht, sich „die militärische Option“, also die Möglichkeit eines Angriffskriegs gegen Iran, „“offen zu halten“. Unter allen nur erdenklichen Streitfragen zwischen beiden Staaten nimmt die durch nichts bewiesene Behauptung, Iran strebe nach der Produktion oder dem Erwerb von Atomwaffen, eine zentrale und überragende Stellung ein. Das gilt umso mehr, wenn diese Behauptung mit zurechtphantasierten engen Zeitangaben – wie etwa, Iran könnte innerhalb von drei, sechs oder zwölf Monaten eine Atombombe bauen – verknüpft wird. Dadurch steht die US-Regierung unter einem zum Teil selbst erzeugten Handlungsdruck, dem sie sich auch bei unterstelltem Willen zu einer diplomatischen Einigung kaum entziehen könnte.
Über das iranische Atomprogramm ist schon einmal fast zwei Jahre lang verhandelt worden. Im Oktober 2003 hatte das sogenannte EU-Trio – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – die Gesprächsführung mit Iran übernommen, auch im Auftrag und in Absprache mit der amerikanischen Regierung. Im Zuge dieser Verhandlungen war Iran bereit, als freiwillige, nicht rechtlich bindende „vertrauensbildende Maßnahme“ alle Arbeiten an der Uran-Anreicherung, die sich damals noch im Vor- und Versuchsstadium befand, zu unterbrechen. Als Gegenleistung hatten die Europäer ein „Angebotspaket“ mit „materiellen Anreizen“ versprochen. Dessen Vorlage zögerten sie jedoch zunächst lange hinaus und präsentierten schließlich Anfang August 2005, kurz vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, ein Papier mit vagen Versprechungen, das von der iranischen Führung als völlig unzureichend abgelehnt wurde. Es war daraufhin der noch amtierende, als reformwillig und gemäßigt geltende Präsident Mohammad Khatami, der als Reaktion die Wiederaufnahme einiger eingestellter Arbeitsprozesse in der Konvertierungsanlage von Isfahan anordnete.
Im Gegenzug brach das EU-Trio – wiederum in Abstimmung mit den USA – sofort die Verhandlungen ab und kündigte an, diese erst nach einer Rückkehr Irans zum Moratorium wieder aufzunehmen. Iran lehnt diese Vorbedingung ganz entschieden ab. Das ist seither der Stand der Dinge. In der Zwischenzeit haben nur noch von Zeit zu Zeit Sondierungsgespräche zwischen dem Außenpolitik-Chef der EU, Javier Solana, und dem iranischen Chefunterhändler stattgefunden. Das war zunächst Ali Laridschani, der jetzt als Parlamentssprecher amtiert, und ist seit Oktober 2007 dessen Nachfolger Said Jalili. In diesen Gesprächen ging es immer wieder erfolglos darum, einen Formelkompromiss zu finden, um bei beiderseitiger Gesichtswahrung die Verhandlungen erneut aufzunehmen.
Seit Frühjahr 2006 gibt es zudem das von der damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice formulierte Angebot, die USA seien sofort zu direkten Gesprächen mit dem Iran bereit, falls dieser zuvor die Uran-Anreicherung einstellen würde. Als scheinbare Demonstration guten Willens wurde am 19. Juli 2008 sogar der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, William J. Burns, zu einem Treffen zwischen Solana und Jalili nach Genf geschickt – wenn auch nur als stummer Zuhörer. Einige Medien sprachen unter Berufung auf anonyme Quellen auch davon, dass Burns den EU-Chefdiplomaten überwachen sollte, da dessen Berichte über seine Treffen mit den iranischen Kollegen in Washington als schönfärberisch angesehen würden.
Wird die neue US-Administration bereit sein, die bisherige Blockadehaltung aufzugeben und direkte Gespräche über das iranische Atomprogramm auch ohne Vorbedingungen akzeptieren? Explizit ausgesprochen wurde das bisher nicht, doch ist es anzunehmen. Das bedeutet aber per se noch keinen Fortschritt, so lange nicht auch ein grundsätzliches Umdenken in der Sache selbst stattfindet. Sollte im Wesentlichen aber nur das schon abgelehnte „Angebotspaket“ vom August 2005 in etwas aufgehübschter Verpackung erneut präsentiert werden, wären die Gespräche schon in der Sackgasse, ehe sie überhaupt richtig begonnen haben.
Israels „rote Linien“
Schwer belastet würden Gespräche, wenn sie denn zustande kämen, auch durch die israelischen „roten Linien“, mit denen Außenministerin Clinton konfrontiert wurde, als sie Anfang März den Nahen Osten bereiste. Diese Vorgaben wurden noch von der alten Regierung unter Ehud Olmert, Tzipi Livni und Ehud Barak formuliert. Unter Benjamin Netanjahu, mit dem Rechtsextremisten Avigdor Lieberman als Außenminister, werden Israels Forderungen ganz sicher nicht abgeschwächt.
Die Tageszeitung Haaretz beschrieb am 3. März die nicht offiziell veröffentlichten israelischen Vorgaben für eventuelle Gespräche mit dem Iran so:
„1. Jeder Dialog muss eingeleitet und begleitet werden durch härtere Sanktionen gegen Iran, sowohl im Rahmen des UN-Sicherheitsrats als auch außerhalb von diesem. Anderenfalls könnten die Gespräche vom Iran ebenso wie von der internationalen Gemeinschaft als Hinnahme des iranischen Atomprogramms aufgefasst werden.“
2. „Vor Beginn des Dialogs sollten die USA zusammen mit Russland, China, Frankreich, Deutschland und Großbritannien einen Aktionsplan formulieren, was man tun will, wenn die Gespräche scheitern. Insbesondere muss es eine Vereinbarung geben, dass das Scheitern der Gespräche sofort extrem harte internationale Sanktionen gegen Iran zur Folge haben wird.“
3. „Für die Gespräche muss ein Zeitrahmen gesetzt werden, um Iran daran zu hindern, Zeit zur Vervollständigung seiner nuklearen Entwicklung herauszuschinden. Außerdem sollten die Gespräche als ‚einmalige Gelegenheit’ für Iran definiert werden.“
4. „Es kommt wesentlich auf das Timing an. Die USA sollten sich überlegen, ob es Sinn macht, die Gespräche vor den iranischen Präsidentenwahlen im Juni zu beginnen.“
Der zweite Punkt steht selbstverständlich nicht im Belieben der US-Regierung. Das EU-Trio für ein solches Vorgehen zu gewinnen, dürfte nach den bisherigen Erfahrungen keine allzu großen Schwierigkeiten bereiten. Anders steht es aber mit Russland und China, die sich schon seit etwa zwei Jahren zunehmend sträuben, die von Washington vorgegebene Konfrontationsstrategie mitzutragen.
Das von Israel im vierten Punkt vorgeschlagene Timing verkürzt ganz entscheidend die Zeit, die überhaupt noch rein theoretisch für Verhandlungen zur Verfügung stünde. Dies deshalb, weil die Behauptungen über die Nähe Irans zum Besitz von Atomwaffen bzw. zur Fähigkeit, solche zu produzieren, immer dramatischer werden. Hinzu kommt, dass zumindest aus israelischer Sicht die Inbetriebnahme des von einem russischen Unternehmen gebauten Atomkraftwerks Buschehr einen zentralen Einschnitt darstellt, vor dem ein militärischer „Präventivschlag“ stattfinden müsste. Iran hat diesen Schritt jetzt für August angekündigt. Nach russischer Ansicht wird es vermutlich erst Ende 2009 oder Anfang 2010 so weit sein. So oder so bleiben für Gespräche und folgende „extrem harte“ Sanktionen nur noch wenige Monate.
Aufstand gegen die Lobby?
Natürlich lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit voraussagen, wie weit die US-Regierung bei der Eröffnung von Gesprächen mit dem Iran den israelischen Vorgaben folgen wird oder ohnehin schon zu ähnlichen taktischen Entscheidungen gekommen ist. Was sich aber feststellen lässt, ist dies: Erstens sind erfahrungsgemäß die Chancen, dass die amerikanische Politik den israelischen Wünschen weitgehend folgt, sehr groß. Zweitens hat sich Israel auf diesem Feld schon jetzt öffentlich unübersehbar und unüberhörbar positioniert, während es von Seiten der US-Regierung bisher absolut keine Aussagen, noch nicht einmal Andeutungen, zu den Rahmenbedingungen eines Dialogs mit dem Iran gibt. Drittens hat Hillary Clinton Anfang März in Israel versprochen, vor der Aufnahme von Gesprächen mit dem Iran die Verbündeten der USA „breit und tiefgehend“ zu konsultieren, „damit wir, wenn wir uns bewegen, uns so weit wie möglich gemeinsam bewegen“. Man werde nichts tun, wodurch die Verbündeten überrascht würden.
Und schließlich, viertens, stimmen die israelischen „roten Linien“ vollständig mit den taktischen Vorschlägen überein, die in einer Reihe von Strategiepapieren enthalten sind, die in den vergangenen sieben Monaten veröffentlicht wurden. Allen diesen Papieren ist gemeinsam, dass unter den Autoren Dennis Ross erscheint, der jetzt Clintons Chefberater für die Iran-Politik ist. In einem von ihm persönlich gezeichneten Papier fasst Ross, der seit vielen Jahren offen als Zionist und Israel-Lobbyist agiert, die Funktion eines Dialog-Angebots so zusammen: „Eine härtere politische Gangart – entweder militärisch oder als wirkungsvolle Eindämmung – wird sich international und im eigenen Land leichter verkaufen lassen, wenn wir auf diplomatischem Gebiet versucht haben, unsere Differenzen mit dem Iran auf ernsthafte und glaubwürdige Weise zu lösen.“ (Diplomatic Strategies for Dealing with Iran, September 2008)
Israels nächster Premierminister, Netanjahu, hatte die Ausschaltung der „iranischen Bedrohung“ mit allen Mitteln ins Zentrum seines Wahlkampfs gestellt. Sind demgegenüber Chancen für eine alternative Politik der US-Regierung zu erkennen? Nichts, was Obama bisher gesagt hat, kann wirklich als Argument für eine solche Hoffnung interpretiert werden. Tatsächlich steht, abgesehen von nichtssagenden Bekenntnissen zum Dialog, die Definition der künftigen Iran-Politik der neuen Administration noch in den Sternen, was den schon seit Monaten sehr rührigen Propagandisten einer harten Konfrontationslinie einen riesigen Startvorteil verschafft. Seit Dwight D. Eisenhower (1953–1961) und in sehr viel geringerem Maß John F. Kennedy (1961-1963) hat kein US-Präsident mehr einen grundsätzlichen Konflikt mit einer israelischen Regierung und mit der Pro-Israel-Lobby im eigenen Land riskiert. George H. W. Bush (1989-1993), der Vater von Obamas Vorgänger, hat sich auf einem begrenzten Teilgebiet, der Siedlungsexpansion in den besetzten Gebieten, mit den Zionisten anzulegen versucht – und hat diesen Konflikt in der Praxis verloren, weil er den Kongress geschlossen gegen sich hatte.
Obamas Voraussetzungen, sich auf eine Schlacht mit der Lobby einzulassen – die ihm mit Sicherheit drohen würde, wenn er sich gegenüber Iran kompromissbereit zeigen würde -, wären besonders schlecht. Unter allen aussichtsreichen Kandidaten war er während der Wahlkampagne derjenige, dem aus Israel und aus einigen jüdischen Kreisen der USA das größte Misstrauen entgegenschlug. An seinem politischen Verhalten konnte das nicht liegen. Denn sein „record“ ist nicht nur tadellos, sondern erstklassig. Unter „record“ versteht die Israel-Lobby die sorgfältig über viele Jahre geführte Personalakte mit sämtlichen Äußerungen potentiell karriereverdächtiger Politiker zum Nahost-Konflikt sowie die Auflistung ihres Verhaltens in allen einschlägigen parlamentarischen Debatten. Obama hat in seiner politischen Laufbahn nie Anlass zu Zweifeln an seinem bedingungslosen „commitment“ (Verbindung, Verpflichtung) gegenüber Israel gegeben.
Eher spielten anscheinend Rufmord-Lügen eine Rolle: Obama habe als Kind in Indonesien eine Madrassa, eine islamische Religionsschule besucht, sei immer noch Moslem und habe seinen Eid als Senator auf den Koran statt auf die Bibel abgelegt. Jedenfalls musste der Kandidat mit Hilfe seiner jüdischen Freunde und Verbündeten monatelang hart darum kämpfen, das gegen ihn geschürte Misstrauen abzubauen. Dazu gehörte auch eine Rede auf dem Jahreskongress 2008 der pro-Israel-Lobby AIPAC, von der Uri Avnery schrieb, sie habe „alle Rekorde an Unterwürfigkeit und Liebedienerei gebrochen“. Dies alles macht es äußerst unwahrscheinlich, dass sich Obama dem Vorwurf aussetzen würde, es mit der Verpflichtung zum Schutz Israels nicht ernst zu meinen und gegenüber dem Iran „Beschwichtigungspolitik“ zu betreiben.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 19. März 2009