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"Gott sei Dank für den Tod der UNO"
Neocon-Vordenker nennt nächste Kriegsziele
"Thank God for the death of the UN", triumphiert US-Regierungsberater Richard Perle in einem Kommentar der englischen Tageszeitung "The Guardian". Zugleich mit Saddam Hussein werde auch die UNO untergehen. Sie habe "nur Anarchie" gebracht, die Welt brauche aber "Ordnung". Das "liberale Konzept von Sicherheit durch internationales Recht und internationale Institutionen" sei gescheitert, verkündet Perle.
Richard Perle, heimlicher Chef der "Neokonservativen", ist durch kein offizielles Regierungsamt gehindert, mit solchen Bekenntnissen zum unverhüllten Faustrecht der stärksten Militärmacht der Welt vorzupreschen. Als Vorsitzender des Defense Policy Board, des Beratergremiums im Pentagon, ist er auch ohne Amt einer der wichtigsten Vordenker der amerikanischen Strategie. Von ihm stammt das Konzept eines "Regimewandels" im gesamten Nahen und Mittleren Osten.
Schon einige Wochen vor Beginn des amerikanisch-britischen Überfalls auf Irak benannte Perle in einem Interview mit der ihm nahe stehenden US-Zeitschrift "National Review" die nächsten Ziele: Iran, Syrien, Libyen "und nebenbei noch ein paar andere". Er glaube aber, dass in Iran und Syrien ein Umsturz aus eigener Kraft, ohne direktes militärisches Eingreifen, möglich sei. Die USA müssten lediglich der Opposition jede nur erforderliche Unterstützung geben. Libyen sei ein anderer Fall, aber vorerst nicht auf der Tagesordnung. Doch müsse Ghadafi wissen, "dass wir ihn im Auge behalten".
Weniger zurückhaltend äußerte sich Perle in der in London erscheinenden, mit saudischem Geld finanzierten Zeitung "A Sharq al Awsat": Sollte Syriens Präsident Assad den amerikanischen Forderungen nicht nachkommen müsse er sich sagen, dass er selbst "das zweite Ziel" werden könnte. Perle listete eine Reihe von Forderungen auf, mit denen Damaskus nach Abschluss des Irak-Krieges konfrontiert werden soll: Außer von den USA vorgeschriebenen innenpolitischen "Reformen" soll Syrien auch veranlasst werden, seine Truppen aus dem Libanon zurückzuziehen - die dort aufgrund eines Abkommens mit der Regierung in Beirut stationiert sind - und die Büros aller "terroristischen" Organisationen zu schließen. Ein Begriff, der in Washington oder Tel Aviv allerdings anders ausgelegt wird als in der arabischen Welt.
Bereits Mitte Februar hatte John Bolton, Staatssekretär im US-Außenministerium, bei einem Besuch in Israel angekündigt, dass man sich nach dem Irak-Krieg auch mit Syrien, Iran und Nordkorea "befassen" werde. Der israelische Regierungschef Sharon forderte bei dem Treffen die USA nachdrücklich auf, nach dem Irak auch Iran, Libyen und Syrien zu "entwaffnen". Insbesondere die von Iran ausgehende Bedrohung sei so groß, dass die USA sich damit noch während des Vorgehens gegen Irak beschäftigen müssten, sagte Sharon.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 25. März 2003