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Flexibilität für Streubomben

Die US-Streitkräfte setzen in Afghanistan gegen den Willen der Kabuler Regierung weiterhin Streubomben ein. Das geht aus einem von WikiLeaks veröffentlichten Bericht des amerikanischen Außenministeriums hervor. Das „vertrauliche“ Papier stammt vom 10. Dezember 2008 und trägt die Unterschrift von Mark T. Kimmitt, der unter George W. Bush Staatssekretär für Politisch-Militärische Angelegenheiten im State Department war.

Eine Woche zuvor war die afghanische Regierung trotz starken Drucks der USA dem internationalen Abkommen gegen die Produktion, Lagerung und Verwendung von Streubomben (Convention on Cluster Munitions, CCM) beigetreten. Es handelt sich bei diesen Waffen um Behälter, in denen sich bis zu mehreren hundert Sprengkörper befinden. Sie können aus Flugzeugen abgeworfen oder als Artilleriemunition verschossen werden. Abgesehen von den verheerenden Wirkungen im militärischen Einsatz sind nicht explodierte Clusterbomben auch langfristig gefährlich. Besonders Kinder, die sie beim Spielen finden, aber auch eigene Soldaten können ihnen zum Opfer fallen. So starben 1991 im Golfkrieg 22 Angehörige der US-Streitkräfte durch nicht explodierte Streubomben; weitere 58 wurden verletzt.

Die CCM trat am 1. August 2010 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten zwar 108 Staaten das Abkommen unterschrieben, aber nur 38 hatten es auch ratifiziert. Die US-Regierung lehnt einen Beitritt ab. Auch andere bedeutende Staaten wie Russland, China, Indien, Brasilien, Pakistan und Israel haben die Konvention bisher nicht unterzeichnet.

Die US-Streitkräfte haben in Afghanistan von Anfang an, also seit November 2001, in großem Umfang Streubomben eingesetzt und sich dabei über alle Proteste des Roten Kreuzes und zahlreicher internationaler Menschenrechtsorganisationen hinweggesetzt. Nachdem Präsident Hamid Karzai trotz starken amerikanischen Drucks die CCM unterschrieben hatte, argumentierte das State Department in dem jetzt veröffentlichten Papier, dass die USA trotzdem auch künftig Streubomben in Afghanistan lagern und einsetzen könnten. Angeblich lasse der Artikel 21 des Abkommens genug „Flexibilität“. Die diplomatischen Vertreter der USA in Kabul wurden mit diesem Schreiben aufgefordert, ihre Kontaktleute im afghanischen Außen- und Verteidigungsministerium zu drängen, sich für diese „Interpretation“ einzusetzen.

Die US-Streitkräfte verwendeten auch im Irakkrieg große Mengen Streubomben. Wie die Zeitung USAToday am 16. Dezember 2003 berichtete, hatte das Pentagon die Öffentlichkeit zunächst über den Umfang des Einsatzes dieser Waffen getäuscht. Während anfangs von 1.500 Cluster-Bomben gesprochen wurde, waren es einem später freigegebenen Report zufolge 10.782. Mehrere hundert Streugeschosse seien zwischen Ende März und Anfang April 2003 in irakische Stadtgebiete abgefeuert worden. Dutzend und möglicherweise sogar Hunderte Zivilisten seien durch diese Angriffe getötet worden, schrieb USAToday damals.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Dezember 2010