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Gesprächsangebot oder Finte?
US-Regierung will sich an Gesprächen über das iranische Atomprogramm beteiligen, legt aber kein neues Angebot vor.
Die US-Regierung will sich künftig an allen Kontakten mit dem Iran über dessen Atomprogramm direkt und aktiv beteiligen. Das gab Außenministerin Hillary Clinton am Mittwoch bekannt. Zuvor hatten die sogenannten Iran-Sechs – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA –beschlossen, der iranischen Regierung ein Treffen vorzuschlagen, „damit wir vielleicht gemeinsam eine diplomatische Lösung des kritischen Themas finden“. Eine entsprechende Einladung soll der EU-Verantwortliche Javier Solana nach Teheran übermitteln.
Die Iran-Sechs haben sich zuvor erst ein einziges Mal unter Vermittlung Solanas mit iranischen Vertretern getroffen. Das war am 19. Juli 2008. Die damals noch von George W. Bush geführte US-Regierung hatte William S. Burns, Staatssekretär im Außenministerium, entsandt, der aber nur als stiller Beobachter teilnahm. Damals, wie auch bei der jetzigen Einladung, ging es um einen Weg zur Wiederaufnahme der Verhandlungen, die die Iran-Sechs im August 2005 abgebrochen hatten.
Stand der Dinge ist seither, dass die Iran-Sechs Verhandlungen ablehnen, so lange Iran nicht als Vorbedingung die unbefristete Einstellung der Uran-Anreicherung und aller damit verbundenen Arbeiten akzeptiert. In der Zwischenzeit haben lediglich mehrere Sondierungsgespräche zwischen Solana und dem iranischen Chefunterhändler stattgefunden. Im Kern geht es dabei nicht um die Sache, sondern nur um die komplizierte Suche nach einem Formelkompromiss, bei dem einerseits die Iran-Sechs ihre Vorbedingung für Verhandlungen nicht explizit fallen lassen, andererseits Iran sie aber auch nicht annehmen und erfüllen muss.
Von dem Treffen, zu dem Solana jetzt im Auftrag der Iran-Sechs einladen soll, ist daher wenig zu erwarten. Dass die US-Regierung diesmal einen Vertreter schicken will, der nicht nur zuhört, sondern auch spricht, verbessert die Voraussetzungen nicht wesentlich, so lange keine neuen Vorschläge auf den Tisch kommen. Was das angeht, lässt die am Mittwoch abgegebene Stellungnahme der Iran-Sechs wenig Raum für Hoffnung, denn es heißt da: „Wir bekräftigen unsere Einigkeit in der Zielsetzung und unserer kollektive Entschlossenheit, durch direkte Diplomatie unsere gemeinsamen Sorgen über Irans Atomprogramm zu lösen, in Übereinstimmung mit dem Paket-Vorschlag für eine Zusammenarbeit mit dem Iran.“
Diesen Vorschlag hat die iranische Regierung jedoch schon Anfang August 2005 und erneut nach dem Treffen im Juli 2008 als völlig unzureichend und unannehmbar zurückgewiesen. Er enthält kaum verbindliche Zusagen, sondern listet nur in großen Zügen auf, worüber man verhandeln könnte, falls Iran die Uran-Anreicherung aufgibt. Vor diesem Hintergrund fürchtet man in Teheran, dass die Gesprächseinladung nur ein taktisches Mittel der US-Regierung ist, um Iran wieder einmal die Schuld für das Scheitern einer Verhandlungslösung zuzuweisen und damit schärferen Sanktionen den Weg zu bereiten.
Unterdessen hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Donnerstag in Isfahan eine Anlage eingeweiht, in der nuklearer Brennstoff für Schwer- und Leichtwasserreaktoren produziert werden soll. Gleichzeitig gab er bekannt, dass Iran erfolgreich zwei selbst hergestellte neue Typen von Zentrifugen getestet hat, mit denen die Uran-Anreicherung um ein Mehrfaches beschleunigt werden kann.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 11. April 2004