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Ein bisschen Normalisierung

Offizielle Vertreter beider koreanischer Staaten sprechen wieder miteinander.

Nord- und Südkorea sind bei ihren Verhandlungen über die Wiederaufnahme der Produktion in der Industriezone Kaesong einen Schritt vorangekommen. Am Wochenende einigten sich Vertreter der beiden koreanischen Staaten bei einem 16stündigen Arbeitstreffen im Dorf Panmunjon an der Waffenstillstandslinie auf eine Reihe von Sofortmaßnahmen. Es war die erste hochrangige Begegnung seit rund sechs Jahren. Die Gespräche sollen am Mittwoch fortgesetzt werden.   

Die jetzt erreichte Einigung stand unter erheblichem Zeitdruck, weil es unter anderem darum geht, ganz schnell Sicherungs- und Reparaturarbeiten gegen den Monsunregen vorzunehmen. Die Sommerregenzeit in Korea beginnt im Allgemeinen gegen Ende Juni und dauert bis Mitte oder Ende Juli. In diesem Jahr wurde das Einsetzen der starken Regenfälle aber schon am 17. Juni gemeldet.

Kaesong ist das bedeutendste Vorzeigeobjekt der „Sonnenschein-Politik“ gegenüber dem Norden, die Südkorea von 1998 bis 2008 unter seinem Präsidenten Kim Dae Jung betrieb. Kim wurde dafür im  Jahr 2000 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Unter seinem Nachfolger Lee Myung-bak, dessen Amtszeit im Februar 2013 endete, wurde die „Sonnenschein-Politik“ aufgegeben oder drastisch eingeschränkt. Erhalten blieb jedoch der Industriepark in Kaesong, wo 53.000 nordkoreanische Arbeiterinnen und Arbeiter für 123 Klein- und Mittelunternehmen aus dem Süden produzieren. Die Regierung der Demokratischen Volksrepublik (DVRK) hatte die Arbeitskräfte im April abgezogen und den Betrieb in Kaesong stillgelegt. Begründet wurden diese Schritte mit mehrwöchigen Militärübungen der USA und Südkoreas, in deren Verlauf die amerikanische Luftwaffe auch nuklear ausrüstbare Bombenflugzeuge auf die Halbinsel verlegte. Diese Kriegsspiele finden regelmäßig statt, und es war auch nicht das erste Mal, dass die DVRK dagegen mit der Einstellung der Arbeit in Kaesong protestierte.

Die in der Nacht zum Sonntag (Ortszeit) erzielte Vereinbarung sieht vor, dass die in der gemeinsamen Industriezone engagierten südkoreanischen Unternehmen ab Mittwoch Personal nach Kaesong schicken können, um eine Bestandsaufnahme der Schäden vorzunehmen und Gegenmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Darüber hinaus soll es den Unternehmen gestattet werden, bereits fertiggestellte Güter, aber auch Rohmaterial, Einzelteile und sogar Geräte aus den Anlagen in Kaesong abtransportieren zu lassen. Die DVRK garantiert für die Freiheit der Zufahrtswege und die persönliche Sicherheit des beteiligten Personals aus dem Süden.

Grundsätzlich einigten sich die Vertreter beider Seiten am Wochenende auch darauf, die Produktion in Kaesong wieder aufzunehmen – jedoch ohne festes Datum und „abhängig von den Vorbereitungen“, wie es in der Vereinbarung heißt. Einzelheiten werden voraussichtlich am Mittwoch zur Sprache kommen. Dann soll es auch darum gehen, wie einer Wiederholung der Arbeitseinstellung künftig vorgebeugt werden kann. Südkorea wünscht eine entsprechende verbindliche Zusage der DVRK, wird diese aber wahrscheinlich nicht erhalten, sondern einen Kompromiss hinnehmen müssen. Die DVRK wird außerdem darauf bedacht sein, dass der  Abtransport von Gütern, Material und Geräten aus Kaesong nicht zu einer mehr oder weniger verschleierten Demontage ausufert.

Die Nordkoreaner hätten es zweifellos vorgezogen, über die ganze Angelegenheit direkt mit den in der Industriezone engagierten Unternehmern aus dem Süden statt mit der Regierung in Seoul zu verhandeln. Tatsächlich hatte es entsprechende Verhandlungen und sogar Besuche in Kaesong schon im Mai gegeben, bevor diese dann  ausdrücklich untersagt wurden. Südkorea verbietet seinen Bürgern alle Kontakte und Reisen in den Norden, sofern diese nicht vom Wiedervereinigungsministerium genehmigt wurden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 9. Juli 2013