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Die nächste Front

US-Soldaten mit Geheimauftrag in Nordwestpakistan

Der Tod von drei US-amerikanischen Soldaten in Nordwestpakistan hat die Aufmerksamkeit auf einen wenig bekannten Aspekt der militärischen Zusammenarbeit zwischen Washington und Islamabad gelenkt. Die Angehörigen der Special Forces kamen am Mittwoch bei einer Bombenexplosion im Distrikt Unter-Dir ums Leben. Zwei weitere US-Soldaten wurden verletzt. Bei dem Anschlag wurden außerdem drei oder vier Schülerinnen und ein pakistanischer Soldat getötet. 130 Menschen, mehrheitlich Schülerinnen und Schüler, wurden verletzt.

Während es in ersten Berichten hieß, dass eine ferngelenkte Straßenmine beim Passieren eines Militärkonvois explodiert sei, scheint inzwischen sicher, dass ein Selbstmordattentäter ein mit über 100 Kilo Sprengstoff beladenes Fahrzeug direkt gegen den gepanzerten Jeep gesteuert hat, in dem sich die in Zivil gekleideten amerikanischen Soldaten befanden. Es wird deshalb vermutet, dass den Hintermännern des Anschlags präzise Informationen durch Agenten in den pakistanischen Sicherheitskräften vorlagen. In dem angegriffenen Konvoi befanden sich unter anderem auch Verwaltungsbeamte und ausländische Journalisten. Sie wollten an der feierlichen Eröffnung einer Schule teilnehmen, die vor einem Jahr von Aufständischen gesprengt und mit US-amerikanischer Hilfe wiederhergestellt worden war.

Nach offiziellen Angaben, die anlässlich des Anschlags veröffentlichen wurden, befinden sich rund 200 Angehörige der US-Streitkräfte in Pakistan. 100 von ihnen sind Offiziere der Special Forces, die zu einer Ausbildungseinheit gehören. Ihr Auftrag besteht darin, bei der Aufstellung einer 1000 Mann starken Spezialtruppe des pakistanischen Frontier Corps mitzuwirken. Das Grenzkorps besteht, mit Ausnahme seiner Offiziere, ausschließlich aus Bewohnern der Nordwest-Region und wird auch nur dort eingesetzt.

Dass US-Soldaten seit etwa 18 Monaten in Pakistan sind, um Angehörige des Frontier Corps auszubilden, war schon vor dem Anschlag bekannt. Allerdings wurde darüber bisher wegen des weit verbreiteten Misstrauens gegen die aggressive amerikanische Militärpolitik nur wenig gesprochen. Jetzt wird selbst in den pro-westlichen englischsprachigen Medien Pakistans darüber diskutiert, ob die militärische Zusammenarbeit sehr viel weiter geht als von beiden Seiten zugegeben wurde.

Zumindest hat es den Anschein, dass die fünf US-Soldaten, die sich in dem Fahrzeug befanden, nicht nur Gäste der Einweihungsfeier sein sollten, sondern dem Konvoi mit Einsatzauftrag angehörten. Die pakistanische Zeitung „The News“ schreibt darüber hinaus, die US-Ausbilder seien schon vor einiger Zeit dazu übergegangen, pakistanische Truppen bei Operationen gegen örtliche Aufständische zu „begleiten“. Diese Praxis ist aus Afghanistan bekannt, wo sie als „Partnering“ bezeichnet wird und vor kurzem als verbindlich für alle Besatzungstruppen, einschließlich der deutschen Bundeswehr, erklärt wurde.

Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge gehörten die getöteten US-Soldaten zwar formal zur Ausbildungseinheit, hätten aber als Spezialisten für „zivile Angelegenheiten“ gearbeitet. Ihr Auftrag habe darin bestanden, die „Koordinierung“ mit örtlichen Beamten und Stammesführern herzustellen und aufrecht zu erhalten.

Nach offiziellen Angaben kamen in Pakistan bisher 12 Mitglieder der US-Streitkräfte ums Leben. Der Vorfall in Unter-Dir ist aber der erste, bei dem amerikanische Soldaten im Einsatz in den Aufstandsgebieten getötet wurden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. Februar 2010