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Das NED - die Fortsetzung der CIA mit anderen Mitteln

Das 1983 gegründete National Endowment for Democracy der USA steht im Zentrum der pro-imperialistischen Wühltätigkeit im Nahen und Mittleren Osten, im post-sozialistischen Osteuropa und in Lateinamerika. Allen Weinstein, einer der Gründer des NED, sagte 1991: "Vieles von dem, was wir heute machen, wurde vor 25 Jahren von der CIA insgeheim erledigt."

Wo immer die USA weltweit an "demokratischen Revolutionen" basteln, fällt der Name National Endowment for Democracy. Im kommenden Steuerjahr 2006 soll das NED 80 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt erhalten. Die Hälfte davon ist für Nordafrika und die von der US-Regierung als "Broader Middle East" bezeichnete Region vorgesehen. Dazu gehören neben dem Nahen Osten und der arabischen Halbinsel auch Iran und Afghanistan. Präsident George W. Bush kommt damit seiner Anfang 2004 gegebenen Ankündigung nach, die Finanzmittel des NED zu verdoppeln. Sie lagen damals bei 40 Millionen, wurden im laufenden Steuerjahr auf 60 Millionen aufgestockt. Seit den frühen 90er Jahren, als das NED etwa 15 Millionen jährlich bekam, hat sich dessen finanzielle Ausstattung mehr als verfünffacht.

Gemessen am Gesamtvolumen des International Affairs Budgets, der vom Außenministerium verwalteten Haushaltsmittel, machen die Ausgaben für das NED allerdings nur einen Bruchteil aus: nicht einmal ganz ein Viertel eines Prozents der für das kommende Finanzjahr beantragten 33,6 Milliarden Dollar. Allein für den Neubau der amerikanischen Botschaft in Bagdad, die als Spionage- und Propagandazentrum für die gesamte Region dienen soll, sind 658 Millionen geplant. Aus dem International Affairs Budget werden u.a. auch die sogenannte Entwicklungshilfe, Katastrophenhilfe wie nach dem Tsunami in Südostasien und die Zahlungen der USA an die UNO finanziert.

Aber selbst im Vergleich mit den nur für politische Einflussnahme und Propaganda vorgesehenen Etatmitteln nehmen sich die Finanzen des NED sehr bescheiden aus. Der größte Posten sind die Propaganda-Sender, die ihren Schwerpunkt in den letzten Jahren von Osteuropa in den arabischen Raum verlagert haben. Ihr Unterhalt verschlingt jährlich rund 800 Millionen Dollar aus dem Etat des State Department. Darüber hinaus sind für "Public Diplomacy", die Propaganda und Einflussnahme der amerikanischen Botschaften, 328 Millionen Dollar beantragt. Für die vor zwei Jahren ins Leben gerufene Middle East Partnership Initiative, die "Reformprojekte" im Nahen und Mittleren Osten unterstützen soll und im Grunde überwiegend ähnliche Aufgaben hat wie das NED, sind im kommenden Steuerjahr 120 Millionen Dollar beantragt. Weitere 180 Millionen Dollar sind vorgesehen, um das negative Amerika-Bild in der moslemischen Welt durch Studenten- und Kulturaustausch zu verbessern.

Die Besonderheit des NED liegt, trotz seiner vergleichsweise eher bescheidenen finanziellen Ausstattung, in seinen Strukturen, in der weltweiten Präsenz seiner Filialen und in der direkten, aggressiven politischen Einflussnahme bis hin zur Finanzierung und Inszenierung  von "Regimewechseln".

Das National Endowment for Democracy tritt im Ausland vor allem durch die Büros und Vertreter von vier Organisationen in Erscheinung, die aus den Haushaltsmitteln des NED finanziert werden. Sie erhalten zusammen rund 70 Prozent der dem NED zur Verfügung gestellten Gelder; nur 30 Prozent bleiben dem NED zur direkten Finanzierung von Projekten in aller Welt.

Vier Trägerorganisationen

Diese vier Organisationen sind zum einen die Stiftungen der beiden großen Parteien: das International Republican Institute (IRI) der regierenden Republikaner und das National Democratic Institute (NDI) der oppositionellen Demokraten. Hinzu kommen die im Ausland agierenden Filialen des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO und des Kapitalistenverbandes: das American Center for International Labor Solidarity (ACILS) und das Center for International Private Enterprise (CIPE). Alle vier Organisationen verwenden die ihnen zur Verfügung gestellten Etatmittel weitgehend eigenverantwortlich, aber in Absprache und Koordination,  zur Finanzierung von Projekten im Ausland.

Um einen Begriff zu geben, worum es sich handelt und in welcher Größenordnung sich diese Dinge bewegen: Im Jahr 2003 gab das ACILS für drei verschiedene Projekte in Mittel- und Osteuropa insgesamt 295.000 Dollar aus. Das IRI finanzierte seine Tätigkeit vom Regionalbüro in Bratislawa (Slowakien) aus mit 600.000 Dollar, während das NDI nur 38.200 Dollar für "Parteikontakte und -zusammenarbeit" ausgab. Es ging dabei jeweils um die gesamte Region betreffende Tätigkeiten. In den einzelnen Ländern gab es daneben noch spezielle Projekte. Die vier aus dem NED-Haushalt finanzierten Organisationen setzen sich, wie diese wenigen Zahlen schon zeigen, unterschiedliche regionale Schwerpunkte.

Die Aufgaben der einzelnen Projekte werden nur vage und schönfärberisch beschrieben. Im einen Fall wollte das ACILS "die Solidaritätsbildung unter jungen Gewerkschaftern in Südosteuropa fördern". Mit einem anderen Projekt sollten "die Anstrengungen der südosteuropäischen Gewerkschaften unterstützt werden, die wirtschaftlichen Kenntnisse ihrer Mitglieder zu erhöhen und sie zu befähigen, wirksam am Reformprozess teilzunehmen". Das IRI wollte mit seinen 600.000 Dollar "parteipolitische Strukturen stärken" und "die Rolle junger Leute im politischen Prozess ausweiten".

Junge Menschen, sowie im arabischen Raum zusätzlich auch Frauen, sind zentrale Zielgruppen der Propaganda- und Einflussmaßnahmen des NED und der über das NED finanzierten Organisationen. Konkret handelt es sich bei den geförderten Projekten beispielsweise um Seminare und Kurse, um die Finanzierung "unabhängiger" Medien und um die Übernahme von Sach- und Personalkosten oppositioneller Parteien. Zwar verbietet das Statut der NED ausdrücklich die Unterstützung ausländischer Parteien, insbesondere während Wahlkampagnen. Aber das ist nur insoweit von Bedeutung, dass es bei der offiziellen Darstellung der Projektzwecke berücksichtigt werden muss. Man liest deshalb vielfach verschleiernde allgemeine Formulierungen wie "Durchführung von Seminaren zur Partei-Entwicklung", "Sitzungen über innerparteiliche Kommunikation", "Round-Table-Diskussion über den politischen Prozess", "Erweiterung der Rolle und des Einflusses politischer Parteien im Entwicklungsprozess". Diese Zitate stammen aus der NED-offiziellen Beschreibung der Aktivitäten des NDI in Afghanistan. In vielen Fällen verstecken sich die NED-Aktivitäten auch hinter Instituten, Komitees, Akademien, Think-Tanks, ökologischen oder karitativen Einrichtungen.

Mit scheinheiliger Empörung werden alle Vorwürfe der politischen Einmischung zurückgewiesen, die beispielsweise von russischen und weißrussischen Politikern gegen das NED und die mit ihm zusammenarbeitenden US-amerikanischen Organisationen erhoben wird. Man fördere überhaupt keine speziellen Parteien, sondern unterstütze nur ganz allgemein "die Entwicklung der Zivilgesellschaft", wird bei solchen Gelegenheiten treuherzig beteuert.

"Training" und Einmischung

Nimmt man sich aber die Rechenschaftsberichte der Parteistiftungen IRI und NDI vor, liest sich die Sache völlig anders. Dort geht es nämlich darum, die Erfolge der eigenen Tätigkeit möglichst eindrucksvoll zu schildern. So rühmt sich das IRI der Republikaner beispielsweise, im Jahr 1996 ein Bündnis der mongolischen Oppositionsparteien zustande gebracht zu haben, das dann bei den Parlamentswahlen erfolgreich war. Damit habe das IRI entscheidend dazu beigetragen., "dass die Mongolei das erste ehemals kommunistische Land Asiens wurde, das von Demokraten regiert wird". Seit 1992 hatte das IRI nach eigenen Angaben Politiker und Aktivisten der beiden wichtigsten mongolischen Oppositionsparteien "trainiert"

In Bulgarien, so brüstet sich das IRI, habe man 1996 erreicht, dass die Opposition sich auf einen einzigen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten - Petar Stojanow - einigte und dass dieser die Wahl gegen seinen "sozialistischen" Gegner gewann. Auch den Sieg der rechten Opposition bei den Parlamentswahlen 1997 schreibt sich IRI zu.

In Albanien hat IRI, nach eigener Darstellung, in der ersten Hälfte der 90er Jahre massiv in die Geschehnisse eingegriffen, um die Sozialisten zu stürzen und 1992 die Wahl von Sali Ram Berischa zum "ersten nicht-kommunistischen Präsidenten" Albaniens zu ermöglichen. Berischa regierte mit Wahlfälschungen und Ausnahmezustand, bis er 1997 von den Sozialisten abgelöst wurde. Die Wahl vor zwei Wochen gewann wieder Berischa - mit massiver US-amerikanischer Unterstützung.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Einflussnahme der herrschenden Kreise der USA auf die politischen Prozesse in Osteuropa sehr viel weiter und tiefer geht, als es in den herausragenden Fällen der "demokratischen Revolutionen" in Jugoslawien, Georgien und der Ukraine zum Ausdruck kommt. Diese sind lediglich als Spitzen des Eisbergs anzusprechen.

Ein Ex-Linker seit 21 Jahren an der Spitze

Das NED wird offiziell als "nicht-parteigebunden" und gelegentlich sogar als "Nicht-Regierungsorganisation" (NGO) beschrieben, obwohl seine Finanzierung zu über 95 Prozent aus dem Staatshaushalt der USA erfolgt und die Parteistiftungen IRI und NDI entscheidende Träger der NED-Aktivitäten sind.

IRI und NDI sowie das ACILS der Gewerkschaften und das CIPE des Kapitalistenverbands bestimmen gemeinsam die politische Linie und die Ausgabenpraxis des NED. Dementsprechend sind auch die Führungsgremien paritätisch besetzt. Präsident des National Endowment for Democracy ist seit 1984 Carl Gershman. Er steht für ein hohes Maß an Kontinuität über alle Präsidentenwechsel hinweg - was in dieser Form für keine andere wichtige Organisation der USA gegeben ist. Sein politischer Lebenslauf ist bemerkenswert - und ähnelt dem zahlreicher anderer einflussreicher Neokonservativer. Gershman war Mitglied der Sozialistischen Partei der USA. Als sich die Partei Anfang der 70er Jahre aufgrund der kontroversen Positionen zum Vietnamkrieg spaltete, stellte sich Gershman zusammen mit Rachelle Horowitz - die heute zum Vorstand des NDI gehört -  an die Spitze des fanatisch antikommunistischen, kriegsbejahenden rechten Flügels und gründete die Sozialdemokratische Partei. Diese sah ihre Hauptaufgabe darin, innerhalb der Demokratischen Partei fraktionell zu arbeiten, um dort die Rechten zu stärken. Zentrum dieser Art von Aktivitäten gewendeter Ex-Linker war Senator Henry Jackson, der führende Kalte Krieger unter den Demokraten im Kongress. Zu Jacksons jungdynamischem Team gehörten in den 70er und frühen 80er Jahren künftige Meinungsführer der Neokonservativen wie Paul Wolfowitz, Richard Perle, Frank Gaffney und Elliot Abrams.

Die Geheimdienste der USA hatten schon in den 50er Jahren begonnen, Einfluss-Agenten unter den radikalsten Kritikern des sowjetischen Regierungs- und Gesellschaftssystems in der Linken anzuwerben und gleichzeitig eigene Leute dort einzuschleusen. Diese Tradition, für die Carl Gershman persönlich steht, bildet einen wesentlichen Strang in der Entwicklung des amerikanischen Neokonservatismus und auch einen Hintergrund für den missionarischen Eifer des NED.

In diesem Zusammenhang ist auch die ebenfalls in den 50er Jahren eingeleitete Instrumentalisierung des US-amerikanischen Gewerkschaftsbunds AFL-CIO zur pro-imperialistischen Propaganda und Infiltration zu sehen. Der Verband unterhält Büros in Dutzenden von Ländern, deren Zweck angeblich darin besteht, dort Gewerkschaftskader zu "trainieren" - oft ohne Kenntnis der Landessprache und der konkreten Gegebenheiten. In diesem Anspruch zeigt sich das unerschütterliche Selbstbewusstsein, dass vielen Amerikanern im Umgang mit der Welt außerhalb der Staaten eigen ist. Denn der AFL-CIO selbst ist eigentlich das Paradebeispiel einer Gewerkschaft, die an den Realitäten des entfesselten Kapitalismus, dessen Segnungen ihre Missionare in aller Welt preisen und in Kursen vermitteln sollen, total gescheitert ist. Nicht einmal 10 Prozent der in der Privatwirtschaft der USA Beschäftigten sind noch gewerkschaftlich organisiert. Seit vielen Jahren wird im AFL-CIO  vergeblich gestritten, wie man aus der Sackgasse herauskommt, und in diesen Tagen droht die Abspaltung der wichtigsten Einzelgewerkschaften vom Verband. Im Grunde ist die Auslandsarbeit, darunter die Propaganda für den Irak-Krieg, das einzige, was beim AFL-CIO immer noch funktioniert.

Schwerpunkt Nah- und Mittelost

Die Gründung des NED wurde in der zweiten Hälfte der 70er Jahre unter dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter eingeleitet. Hintergrund war die Watergate-Affäre und die damit verbundene Diskreditierung "verdeckter" geheimdienstlicher Tätigkeiten im In- und Ausland. Carter beschränkte die traditionelle Praxis der CIA, politische Parteien im Ausland zu finanzieren und zu lenken. Gleichzeitig brachte er aber Pläne auf den Weg, eine zwar aus dem Staatshaushalt finanzierte, aber "privat" und "unabhängig" auftretende Organisation mit der Propaganda und direkten Einflussnahme im Ausland zu beauftragen. Unter dem im November 1980 gewählten republikanischen Präsidenten Ronald Reagan nahm dieses Vorhaben dann 1983 konkrete Gestalt an.

Allen Weinstein, der an der Entwicklung des NED-Konzepts maßgeblich mitgewirkt hatte, stellte 1991 fest: "A lot of what we do today was done covertly 25 years ago by the CIA",
"Vieles von dem, was wir heute machen, wurde vor 25 Jahren von der CIA insgeheim erledigt."

Schwerpunkt der Aufgaben des NED war in den ersten Jahren nach seiner Gründung Mittelamerika. Vor allem bei der Wühltätigkeit gegen die fortschrittliche sandinistische Regierung in Nikaragua spielten das NED und seine Partner eine zentrale Rolle. 1989-90 gelang es dem NED, alle Oppositionsparteien Nikaraguas zu einem Bündnis zusammenzuführen und  den Wahlsieg der konservativen Präsidentschaftskandidatin Violeta Chamorro sicherzustellen.  Heute ist Venezuela, wo die herrschenden Kreise der USA seit Jahren den Sturz von  Präsident Hugo Chávez betreiben, der Schwerpunkt der NED-Wühltätigkeit in Lateinamerika, zusammen mit Kuba. Die Spuren des kläglich gescheiterten Putschversuchs gegen Chávez im April 2004 führten direkt zum NED, auch wenn jede direkte Mitwirkung mit der üblichen Empörung dementiert wurde.

In den 90er Jahren stand das post-sozialistische Osteuropa im Zentrum der NED-Aktivitäten. Inzwischen gelten dort wesentliche Aufgaben als erreicht, auch wenn derzeit immer noch an "Regimewechseln" in Belarus und Aserbaidschan gearbeitet wird - und letztlich eine "demokratische Revolution" auch in Moskau das ganz große strategische Ziel bleibt.

Seit einigen Jahren ist aber der Nahe und Mittlere Osten Schwerpunkt des NED. Rund die Hälfte aller aus dem Staatshaushalt bezogenen Finanzmittel der Organisation werden heute in dieser Region eingesetzt. Überwiegend werden sie in den militärisch besetzten Ländern Irak und Afghanistan eingesetzt, um Einfluss auf Parteien und Gewerkschaften zu nehmen.  Die direkte Einmischung in die Wahlen durch gezielten Einsatz von Finanzmitteln, durch den Einsatz spezialisierter US-amerikanischer Beraterfirmen und durch intensive "Schulung" williger einheimischer Politiker gehört ebenfalls zu den Aufgaben des NED.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 27.7.2005