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CIA verschenkt Geheimdokumente

US-Regierung versucht mit Hilfe eines Staats-Leaks, Drohnenangriffe gegen Pakistan zu rechtfertigen.

Am vorigen Mittwoch trug Pakistans seit Juni regierender Premierminister Nawaz Sharif dem US-Präsidenten Barack Obama die Forderung nach sofortiger Beendigung aller Drohnenangriffe gegen sein Land vor. Wenige Stunden vorher veröffentlichte die Washington Post einen langen Artikel unter der reißerischen Headline „Geheime Dokumente enthüllen den expliziten Charakter der Vereinbarung zwischen den USA und Pakistan über die Drohnenangriffe.“ Der Text vermochte indessen den Anspruch und die politische Intention dieser Überschrift nicht ganz einzulösen.

Dass Pakistan, trotz ständig wiederholter Proteste, im Grunde mit den amerikanischen Drohnen-Operationen insgeheim völlig einverstanden sei, ist seit Jahren ein Hauptpunkt der Selbstrechtfertigungen der US-Regierung. Das Argument erinnert indessen an die Verteidigung eines Vergewaltigers vor Gericht. Zwar kommt auch ein Untersuchungsbericht der UNO zur Einschätzung, es gebe „starke Hinweise“, dass zwischen 2004 und 2008 Offiziere des pakistanischen Militärs und Geheimdienstes amerikanischen Angriffen zugestimmt hätten. In einzelnen Fällen hätten sogar hochrangige Regierungsvertreter ihr „stillschweigendes Einverständnis“ gegeben. Der Bericht konstatiert aber auch, dass nicht die Kooperation mancher Dienststellen, sondern nur die Zustimmung einer legitimen Regierung Militäreinsätze einer fremden Macht rechtlich begründen könnte. Pakistan war indessen bis ins Jahr 2008 hinein ohne eine solche Regierung und wurde von einem General beherrscht, der sich ins Präsidentenamt geputscht hatte.

Das Material, auf das sich der Enthüllungsartikel der Washington Post stützte, stammt aus dem Zeitraum von Ende 2007 bis Ende 2011. So soll demonstriert werden, dass das „stillschweigende Einverständnis“ auch nach dem Ende der Militärherrschaft fortbestanden habe. Grundlage des Artikels ist eine anscheinend sehr umfangreiche Ansammlung von streng geheimen Dokumenten der CIA und Memoranden pakistanischer Dienststellen, die der Washington Post in offensichtlicher und eindeutiger politischer Absicht zur Verfügung gestellt wurde. Die Obama-Regierung, die normalerweise nicht einmal das Stattfinden von Drohnenangriffen bestätigen will, hat – nicht zum ersten Mal – zum Mittel des staatlich sanktionierten „Leaks“ gegriffen. Dass Journalisten sich zu Gehilfen solcher Manöver machen, ist bedauerlich. Dass einer von ihnen Bob Woodward ist, der durch die Aufklärung der Watergate-Affäre bekannt wurde, stimmt traurig.

Die in der Überschrift suggerierte Vereinbarung oder Übereinkunft („agreement“) zwischen den Regierungen in Washington und Islamabad  ergibt sich allerdings aus dem Artikel nicht. Beispielsweise stellt die durchaus glaubwürdige Behauptung, dass Pakistans früherer Botschafter in den USA, Husain Haqqani, von der CIA ständig über Drohnen-Operationen unterrichtet wurde, kein Argument dar: Der Mann war offensichtlich den USA weit stärker verbunden als seinem eigenen Land und müsste mit einem Verratsprozess rechnen, wenn er nach Pakistan zurückkehren würde.

Der oben zitierte UN-Bericht, der eine punktuelle Zusammenarbeit zwischen 2004 und 2008 vermutet, konstatiert zugleich auch, dass die pakistanische Regierung seit Mitte 2010 regelmäßig nach jedem Angriff Protestnoten nach Washington geschickt habe und dass mindestens zwei Mal die Drohnenangriffe durch einstimmig verabschiedete Resolutionen des Parlaments in Islamabad verurteilt wurden. Selbst „stillschweigende Zustimmung“ in der Vergangenheit könnte nicht rechtfertigen, dass Obama die Operationen gegen den klaren Willen der jetzigen pakistanischen Regierung fortsetzen lässt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 28. Oktober 2013