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Auftakt zur Hexenjagd

Am heutigen Donnerstag findet im Ausschuss des US-Abgeordnetenhauses für innere Sicherheit (Home Security) ein Hearing über „das Ausmaß der Radikalisierung in der amerikanischen Muslim-Gemeinschaft und deren Antwort“ statt. Es soll der Auftakt für eine Reihe weiterer Anhörungen rund um das selbe Thema sein. Nicht nur unter den Muslimen werden Erinnerungen an Joseph McCarthys „Komitee gegen unamerikanische Aktivitäten“ wach, das in den 1950er Jahren eine wilde antikommunistische Hexenjagd betrieb.

Initiator der heutigen Propagandaveranstaltung ist der republikanische Ausschussvorsitzende Peter King. Wie viele Hearings er noch folgen lassen will, lässt der irischstämmige Politiker, der in früheren Jahren die Terroraktionen der IRA rechtfertigte, vorerst offen. Als nächste Themen hat er aber bereits „die Radikalisierung in den Gefängnissen“ und „den Zufluss ausländischer Gelder in amerikanische Moscheen“ angekündigt. Gegen seine Kritiker, die ihm vorwerfen, gezielt eine bestimmte Gruppe zu diffamieren, wehrt sich King mit der Behauptung, dass der islamische Terrorismus „eine einzigartige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ in den USA sei. Die „Selbstradikalisierung in der muslimischen Gemeinschaft“ sei weitaus gefährlicher als die Rechtsextremisten, die mit Mordparolen gegen die angeblich sozialistische Obama-Regierung hetzen. Der Mehrheit der in den USA lebenden Muslime bescheinigt King zwar, „gute Amerikaner“ zu sein, wirft ihnen aber gleichzeitig mangelnde Kooperationsbereitschaft und fehlende Denunziationsfreudigkeit gegenüber dem FBI und der Polizei vor.

King bekommt für seine Kampagne starken Beifall von Gruppen wie „ACT! for America“, die einen offenen antimoslemischen Kreuzzug betreiben. Christliche Rechtsextremisten treffen sich hier mit aggressiven Zionisten in einer bedingungslosen Unterstützung der israelischen Besatzungs- und Annektionspolitik. Die Gründerin und Vorsitzende von ACT, die christliche Libanesin Brigitte Gabriel, leitet eine Talkshow, in der King kürzlich zu Gast war.

Zuspruch bekommt King auch durch den Fraktionsvorsitzenden der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Eric Cantor, der der ranghöchste Jude im Kongress und ein führender Vertreter der Pro-Israel-Lobby ist. Cantor proklamiert als oberstes Ziel der US-amerikanischen Sicherheitspolitik, „die Verbreitung des radikalen Islam zu stoppen“. Kritisch zu Kings Kampagne äußerte sich hingegen der Fraktionsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid: Er sei „tief betroffen über diese Hearings, die gesetzestreue amerikanische Muslime verteufeln“.

Auskunft über die Maßlosigkeit der Behauptung, dass islamistisch motivierter Terrorismus die größte Gefahr für die innere Sicherheit der USA sei, gibt die Kriminalstatistik. Im ganzen Jahr 2009 wurden deswegen 21 US-Bürger angeklagt. 20 waren es von Januar bis August 2010. Zum großen Teil handelte es sich dabei lediglich um angebliche Pläne, bei deren Vorbereitung Provokationsagenten des FBI eine führende Rolle gespielt hatten. Die Zahl der US-Amerikaner, die seit 2001 Opfer islamistischer Anschläge wurden, liegt im einstelligen Bereich. Dagegen verzeichnete die Kriminalstatistik der USA allein im Jahr 2009 über 15.000 Morde.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 10. März 2011