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Auf Crash-Curs
Pakistans Parlament verabschiedet einstimmige Resolution gegen Angriffe der USA. Drohungen aus Washington treiben Entfremdung zwischen den „strategischen Partnern“ voran.
Mit Forderungen und Drohungen im Gepäck traf am Wochenende US-Senator John Kerry in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad ein. Der demokratische Politiker, der den Vorsitz im einflussreichen Außenpolitischen Ausschuss des Senats führt, wurde von Präsident Barack Obama schon mehrfach in heikler Mission zum „strategischen Partner“ Pakistan geschickt.
Einem unbestätigten Bericht der New York Times vom Sonnabend zufolge hatte Kerry diesmal eine Liste von – nicht weiter erläuterten - „Aktionen“ mitgebracht, die die US-Regierung von den Pakistanis „erwartet“. Den Wunschzettel habe der Senator in mehreren Sitzungen mit Außenministerin Hillary Clinton und dem Nationalen Sicherheitsberater Thomas Donilon abgesprochen. Angeblich soll Kerry auch die amerikanischen „Sorgen“ über das pakistanische Atomwaffen-Arsenal vorgetragen haben. Vor seiner Abreise sprach er von „grundlegenden Entscheidungen“, die Pakistan jetzt treffen müsse. Zugleich spielen Politiker und Mainstream-Medien öffentlich mit Forderungen nach Streichung der „Hilfe“ für Pakistan, die sie weit übertrieben mit 3 oder 3,2 Milliarden jährlich beziffern.
Die feindselige Kampagne in den USA wird das Verhältnis zwischen beiden Staaten noch weiter verschlechtern. In der Nacht von Freitag auf Sonnabend der vorigen Woche demonstrierten das Militär, die Regierung und die Parteien Pakistans in einer elfstündigen gemeinsamen Sitzung beider Häuser des Parlaments Einigkeit in der Verteidigung ihres Landes. Die Abgeordneten und Senatoren verabschiedeten nach einer kontroversen Debatte einstimmig eine Resolution, die die gesamten Beziehungen mit den USA in Frage stellt.
Der nicht abgesprochene Einsatz eines Killerkommandos zur Tötung Bin Ladens wird in der Entschließung als „Verletzung der Souveränität Pakistans“ verurteilt. Solche „einseitigen“ Aktionen ebenso wie die regelmäßigen Drohnenangriffe gegen Ziele in Nordwestpakistan, seien „nicht nur unannehmbar“, sondern verstießen auch gegen die Charta der Vereinten Nationen, internationales Recht und humanitäre Normen, heißt es weiter. Sollte die US-Regierung die Drohnenangriffe fortsetzen, müsse die Regierung über die „erforderlichen Gegenmaßnahmen“ nachdenken, einschließlich einer Sperrung der durch Pakistan laufenden Nachschubtransporte für den NATO-Krieg in Afghanistan.
Die Resolution der Parlamentarier enthält außerdem eine Aufforderung an die Regierung, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die sich mit der US-Operation in Abbattabod beschäftigen soll. Geklärt werden soll, warum die pakistanischen Sicherheitskräfte nicht eingriffen und welche Schlussfolgerungen gezogen werden müssen, „damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt“.
Führende Militärs, darunter Geheimdienstchef Ahmed Shuja Pasha, hatten zuvor den Parlamentariern Bericht über die Vorgänge erstattet und Fragen beantwortet. Nach ihren Auskünften funktionierte das pakistanische Radarsystem während der US-Aktion vom 2. Mai vollständig. Die Amerikaner hätten jedoch Hubschrauber mit einer Stealth-Technologie eingesetzt, wodurch diese vom Radar nicht erfasst worden seien.
Eine weitere Erkenntnis aus der Sitzung: Der pakistanische Stützpunkt Shamsi sei an die Vereinigten Arabischen Emirate verpachtet, die ihn den USA abgetreten hätten, teilte ein Luftwaffen-Vertreter mit. In der Vergangenheit gab es immer wieder Gerüchte, dass Shamsi den Amerikanern als Drohnen-Startplatz dient.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 16. Mai 2011