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Der Schulterschluss

"Im Atomstreit mit Iran lehnte China harte Strafen bislang ab – jetzt scheint sich Washington durchzusetzen. (…) Die USA und China wollen gemeinsam eine neue Runde von UNO-Sanktionen gegen Iran vorbereiten (…)."

So weit die Darstellung von Spiegel Online am Montag nach dem Treffen zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem chinesischen Kollegen Hu Jintao. Von einem „Schulterschluss mit China“ und einem „Durchbruch bei Iran-Sanktionen“ war in der Überschrift die Rede. Aber stimmt das wirklich? Wenn, wie in diesem Fall, zwei Politiker nach ihrem Gespräch nicht zusammen vor die Presse treten und auch kein gemeinsames Kommunique unterzeichnen, lässt das auf erhebliche Meinungsverschiedenheiten schließen, die nicht überbrückt werden konnten.

Die deutschen Mainstream-Medien, die China nach dem Treffen in Washington auf Sanktionskurs sehen, können sich nur auf die einseitige Darstellung von Jeff Bader berufen. Er gehört dem Nationalen Sicherheitsrat, einem Beratergremium des US-Präsidenten, als Abteilungsleiter für Asiatische Angelegenheiten an. Auf einer Pressekonferenz am Montag erklärte Bader: „Die Chinesen teilen ganz eindeutig unsere Besorgnis über das iranische Atomprogramm. (…) Die beiden Präsidenten sind übereingekommen, ihre Delegationen anzuweisen, zusammen mit den 5-plus-1-Staaten und den Vertretern im UN-Sicherheitsrat an einer Sanktionsresolution zu arbeiten. Die Resolution wird dem Iran die Kosten der Verfolgung eines Atomprogramms deutlich machen,  das  seine Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten verletzt. Die Diskussion war ein Zeichen der internationalen Einheit zum Thema Iran.“

Ganz anders klingt jedoch die Zusammenfassung des Gesprächs der beiden Staatsoberhäupter durch die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Das Wort „Sanktionen“ taucht darin nicht einmal auf.  Stattdessen heißt es dort: „Zum iranischen Atom-Thema sagte Hu, China hoffe, dass die Beteiligten fortfahren werden, ihre diplomatischen Bemühungen zu verstärken und aktiv nach wirkungsvollen Wegen zu suchen, das Problem durch Dialog und Verhandlungen zu lösen. China und die USA haben beim iranischen Atom-Thema das selbe Gesamtziel, sagte Hu. China sei bereit, Beratung und Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und anderen Parteien innerhalb des 5-plus-1-Mechanismus, in der UNO und durch andere Kanäle fortzusetzen, setzte er hinzu.“

Als „5 plus 1“ werden die sechs Staaten bezeichnet, die die Verhandlungen mit dem Iran führen: die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA sowie Deutschland.

Jiang Yu, Sprecherin des Pekinger Außenministerium,  erklärte am Dienstag: „China war stets der Überzeugung, dass Sanktionen und Druck das Problem nicht grundsätzlich lösen können und dass Dialog und Verhandlungen die besten Wege sind.“ - Daran anknüpfend stellte das iranische Außenministerium fest, die chinesischen Kommentare würden – im Gegensatz zu den westlichen Pressemeldungen - nicht auf eine Einigung auf „neue ungerechte Maßnahmen“ hindeuten.

Geht man aufgrund der widersprüchlichen Darstellungen noch einmal zur Pressekonferenz von Jeff Bader zurück, so fällt auf, dass er konkreten Nachfragen von Journalisten, ob die chinesische Seite sich wirklich verpflichtet habe, neue Sanktionen mitzutragen, mehrmals auswich. Dabei geriet er sogar ins Stottern. Auf die Frage: „Aber sie – die Chinesen – haben noch nichts Spezifischem zugestimmt?“ verzeichnet das Transkript des Weißen Hauses als wenig überzeugende Antwort Baders: „We are going to be...we've started to work that and we're going to be working on that in the coming days...coming days and weeks.“

Knut Mellenthin
Junge Welt, 14. April 2010