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Gates droht weiter
Erhebliche Widersprüche unter der geschönten Oberfläche der Beziehungen zwischen USA und China
US-Kriegsminister Robert Gates hat am Sonnabend seine Angriffe gegen China fortgesetzt. Während einer internationalen Sicherheitskonferenz in Singapur machte Gates die chinesische Militärführung für den Mangel an Kooperation zwischen den Streitkräften beider Länder verantwortlich. Den selben Vorwurf hatte der Minister schon während des Flugs nach Singapur gegenüber Journalisten erhoben. China hat die militärische Zusammenarbeit eingeschränkt, nachdem die US-Regierung Ende Januar neue Waffenverkäufe an Taiwan in einer Gesamthöhe von 6,4 Milliarden Dollar angekündigt hatte.
Gates wiederholte in Singapur auch sein schon bekanntes Argument, die Lieferungen an Taiwan seien schließlich nichts Neues und hätten bisher die Fortschritte in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen nicht gestört. Das gleiche kann man allerdings ebenso gut von den Reaktionen Pekings sagen. Zuletzt hatte China im Oktober 2008 die militärische Zusammenarbeit mit den USA suspendiert, nachdem auch damals Waffenlieferungen bekannt geworden waren. Erst Ende Juni 2009 war die Kooperation wieder aufgenommen worden.
Das eigentliche Problem liegt indessen tiefer: Die US-Regierung will sich einer vereinbarten Verpflichtung entziehen, die Präsident Ronald Reagan 1982 eingegangen war. Er hatte versprochen, die Militärhilfe für Taiwan „im Laufe der Zeit“ schrittweise abzubauen und schließlich ganz zu beenden. Damals hatte die US-Regierung die Lieferungen als geschichtlich begründet bezeichnet. In seiner Konferenzrede in Singapur rechtfertigte Gates die Waffenverkäufe an Taiwan jedoch mit der „beschleunigten Aufrüstung“ Chinas und behauptete, sie seien „ein wichtiges Element für die Aufrechterhaltung von Frieden und Stabilität in der gesamten Region“.
Chinesische Konferenzteilnehmer widersprachen Gates und gaben den USA die Schuld für die Verschlechterung der zwischenmilitärischen Beziehungen. Außerdem sei nur der Austausch hochrangiger Besuche ausgesetzt worden, während die arbeitsmäßige Kommunikation fortgesetzt werde.
In seiner Konferenzrede bezeichnete der amerikanische Kriegsminister das Südchinesische Meer als „Gebiet wachsender Besorgnis“. Seine Regierung sei gegen „Aktionen, die die Freiheit der Schifffahrt behindern“. Außerdem widersetze sie sich „jedem Versuch, auf Unternehmen der USA oder irgendeiner anderen Nation, die legitime wirtschaftliche Aktivitäten betreiben, Druck auszuüben“. Gates spielte damit auf ein Problem an, das im Juli 2009 zu Spannungen zwischen Washington und Peking geführt hatte. Die chinesische Regierung hatte damals US-Firmen verwarnt, die in einem gleichermaßen von China wie Vietnam beanspruchten Seegebiet mit vietnamesischer Genehmigung Ölbohrungen durchführen wollten. Der „Druck“ bestand lediglich in der Ankündigung, dass diese Unternehmen bei Fortsetzung ihrer Tätigkeit mit Nachteilen auf dem chinesischen Markt rechnen müssten. Der US-Regierung, die selbst in großem Maßstab mit Sanktionen gegen ausländische Firmen agiert, scheint diese chinesische Reaktion bis heute unerträglich.
Im weiteren Verlauf seiner Rede kündigte Gates eine Verstärkung der US-Streitkräfte rund um China an. Außerdem müssten die Partner der USA in dieser Region über die militärischen Mittel verfügen, „nicht nur ihre eigenen Territorien zu sichern, sondern auch Sicherheit nach draußen zu exportierten“. Soll heißen: sich unter amerikanischer Führung an Militäroperationen in aller Welt zu beteiligen. Als Beispiele nannte Gates den Golf von Aden, Irak und Afghanistan.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 6. Juni 2010