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Richard Perle meldet sich zurück

Erstmals seit seinem Rücktritt vom Vorsitz des einflussreichen Pentagon-Beratergremiums Defense Policy Board Ende März dieses Jahres hat sich Richard Perle wieder öffentlich zu Wort gemeldet.

Viele Jahre lang hatte der Vordenker der amerikanischen Neokonservativen als graue Eminenz im Hintergrund die Strippen der Kriegshetze gezogen. Seit den Terrorangriffen vom 11. September 2001 war er zunehmend auch öffentlich aufgetreten. Der Krieg gegen den Irak, auf den er und das neokonservative Netzwerk seit Jahren hingearbeitet hatten, war sein größter Triumph. Doch dann erwischte es ihn eiskalt: Mit seiner maßlosen Gier, politischen Einfluss auch in astronomisch hohe Beraterhonorare und Schmiergelder umzusetzen, stellte er sich selbst ein Bein. Wegen allzu obszöner Verquickung von Politik und Geschäft musste Perle seinen Rücktritt bekannt geben. Was aber noch schwerer wiegt: Seine Stimme verschwand fast vollständig aus der Öffentlichkeit, und es gibt bisher auch keinen anderen Neokonservativen, der an seine Stelle hätte treten können.

Nun hat sich der "Fürst der Finsternis", wie er seit seiner Zeit als Entspannungsfeind unter Ronald Reagan genannt wird, zurückgemeldet. Anlass: die Verhaftung des Irakers al-Ani durch die amerikanischen Besatzungstruppen. Die Vorgeschichte: Sechs Wochen nach dem 11. September 2001 hatten tschechische Regierungsstellen erstmals behauptet, Mohamed Atta, der mutmaßliche Chef der Attentäter, habe sich im April 2001 in Prag mit einem irakischen Geheimdienstoffizier getroffen, eben jenem jetzt verhafteten al-Ani. Richard Perle griff diese fragwürdige Geschichte auf als Argument für seine abenteuerliche These, dass Saddam Hussein Auftraggeber der Angriffe auf World Trade Center und Pentagon gewesen sei.

Da half auch nichts, dass die tschechischen Regierungsstellen bald immer weiter von ihrer eigenen Behauptung abrückten. Es half auch nichts, dass FBI und CIA starke Zweifel äußerten, ob Mohamed Atta im fraglichen Zeitraum die Vereinigten Staaten überhaupt verlassen hat. Eine Mehrheit der Amerikaner, so ergaben Umfragen, war unerschütterlich überzeugt, dass der Irak hinter dem 11. September gesteckt habe. Das spielte bei der Zustimmung für den Krieg eine entscheidende Rolle. Inzwischen wurde jedoch offiziell zugegeben, dass es überhaupt keine Zusammenarbeit zwischen der irakischen Regierung und al-Kaida gegeben hat.

Nach der jetzt erfolgten Verhaftung al-Anis äußerte Richard Perle die Hoffnung, seine Vernehmung könnte die Version vom Treffen mit Mohamed Atta bestätigen. "Aber natürlich hängt viel davon ab, wer die Verhöre führt", schränkte Perle ein. Die CIA sei nämlich nur an der Vertuschung der Wahrheit - der angeblichen Zusammenarbeit Bagdads mit den Terroristen - interessiert.

Der Geheimdienst CIA ebenso wie die Bundespolizei FBI sind für die Neokonservativen rote Tücher. Grund der heftigen Abneigung: Sie liefern gelegentlich sachlich orientierte Berichte statt der im Interesse der Kriegspropaganda geforderten Lügen.

Ein CIA-Sprecher wies Perles Angriffe als "absurd" zurück. Es bleibt abzuwarten, ob der "Fürst der Finsternis" mit seinen jüngsten Äußerungen sein Auftauchen aus der Versenkung und seine Rückkehr an die Spitze der Neokonservativen eingeleitet hat.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 11. Juli 2003