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Gerüchte um Powell

Falken wollen das Außenministerium übernehmen

Die Washington Post berichtete am Montag über Gerüchte, dass US-Außenminister Colin Powell und sein Stellvertreter Richard L. Armitage nach der Präsidentenwahl im November 2004 aus der Regierung ausscheiden wollen. Armitage soll das der Sicherheitsberaterin des Präsidenten, Condoleezza Rice, mitgeteilt haben.

Rice gilt, der Zeitung zufolge, auch als aussichtsreiche Kandidatin für die Nachfolge Powells. Im Gespräch ist auch der stellvertretende Verteidigungsminister Paul D. Wolfowitz, seit über zehn Jahren einer der Chefplaner der aggressiven amerikanischen Strategie im Nahen und Mittleren Osten. Sollte Rice das Rennen machen, käme Wolfowitz auch für den dann freien Posten des Sicherheitsberaters in Frage.

Das Außenministerium hat den Bericht der Washington Post sofort dementiert. Selbst wenn die Meldung falsch gewesen sein sollte, handelte es sich vermutlich um eine von den "Falken" gezielt eingesetzte Desinformation. Denn sie sind seit Monaten dabei, das State Department, das sich bisher weitgehend ihrem Einfluss entzogen hat, für die Übernahme sturmreif zu schießen. Falls Powell wirklich das Ministeramt aufgibt, würden auch Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Ebenen ausgetauscht werden. Die "Falken" streben eine totale personelle und politische Umgestaltung des State Department an. Sie machen das Außenministerium für die weltweiten Fehlschläge der amerikanischen Propaganda und für den Image-Verlust der USA verantwortlich.

Laut Washington Post soll auch CIA-Chef George J. Tenet abgelöst werden, möglicherweise sogar schon sehr bald. Die "Falken" sehen in der CIA eine Verbündete des State Department und werfen ihr Unzuverlässigkeit vor. Ein Grund dafür ist, dass die CIA bei der Lieferung der verlangten Desinformationen für die Kriegspropaganda gegen Irak nicht voll mitgezogen hat.

Im Kongressbericht über die Versäumnisse vor dem 11. September, der in der vorigen Woche veröffentlicht wurde, wird die CIA mit beispielloser Schärfe angegriffen. Als "alarmierend" dort bezeichnet, dass die CIA sich schon seit Jahren geweigert habe, anderen Regierungsbehörden ihre Erkenntnisse über Terrorismusverdächtige mitzuteilen. Die CIA habe Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Namen nicht an die zentrale Datenbank zur Erfassung aller mutmaßlichen Terroristen weitergegeben. Konkret wird der CIA vor allem vorgeworfen, dass zwei Attentäter des 11. September in die USA einreisen konnten, obwohl die CIA wusste, dass sie in enger Verbindung mit al-Kaida und anderen internationalen Terroristen, standen.

Bei derart schweren Vorwürfen sollte der Rücktritt des CIA-Chefs nur noch eine Frage der Zeit sein. Für die Nachfolge ist der stellvertretende Außenminister Armitage im Gespräch, der sich angeblich schon vor Monaten um diesen Posten bemüht hatte. Die "Falken" wären damit jedoch kaum einverstanden. Ein Kandidat, der ihren Segen hätte, wäre wahrscheinlich Stephen A. Cambone, Unterstaatssekretär für geheimdienstliche Tätigkeit im Pentagon, der zum neokonservativen Netzwerk gehört. Im Gespräch ist auch Richard L. Haver, ein Mann, der seit Jahrzehnten zwischen Managerposten in der Rüstungsindustrie und Funktionen im Pentagon hin-und herpendelt. Zur Zeit ist er enger Mitarbeiter von Verteidigungsministerminister Rumsfeld mit Aufgabenbereich Geheimdienste.

Knut Mellenthin

Neues Deutschland, 12. August 2003