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Chalabi - Der Mann der Neocons im Irak ist noch nicht am Ende

Ahmed Chalabi, der Repräsentant der US-amerikanischen Neokonservativen und des Pentagon im Irak, wird derzeit wieder einmal von vielen für politisch tot erklärt. Aber er ist ein Stehaufmännchen und verfügt immer noch über wichtige Verbindungen   Am 27. Februar 1991 erklärte US-Präsident George H. W. Bush, der Vater des jetzigen Amtsinhabers, den ersten Irak-Krieg für beendet. Er verzichtete auf den von einigen Politikern dringend empfohlenen Weitermarsch nach Bagdad und gab stattdessen dem Geheimdienst CIA im Mai 1991 Anweisung, Vorbereitungen zum Sturz Saddam Husseins zu treffen.

Zu diesem Zweck wurde nach mehrmonatigen Verhandlungen unter starker politischer und finanzieller Einflußnahme amerikanischer Stellen im Juni 1992 in Wien der Irakische Nationalkongreß (INC) gegründet. Er sollte als Dachverband die verschiedenen Interessengruppen der irakischen Opposition repräsentieren, hieß es. Für eine Einigung zwischen den traditionell rivalisierenden Fraktionen gab es zwar keine ausreichende Grundlage, aber die Amerikaner hatten den Betroffenen klar gesagt, daß es Geld und andere Formen der Unterstützung nur nach einem Zusammenschluß geben würde.

An der Konferenz in Wien nahmen 200 "Delegierte" von mehreren Dutzend Gruppen teil. Einige vertraten nicht wesentlich mehr als sich selbst, andere standen für die beiden großen kurdischen Parteien, die KDP und die PUK. Im Oktober 1992 schlossen sich auch die wichtigsten schiitischen Organisationen dem INC an. Auf einem Treffen im kurdischen Nordirak, der seit dem Krieg unter militärischem Patronat der USA stand, wurde die zuvor ausgehandelte personelle Besetzung der Führungsgremien des INC offiziell beschlossen. Oberster Chef des INC wurde Ahmed Chalabi.

Warum ausgerechnet Chalabi?

Chalabi vertrat keine im Irak tätige Oppositionsgruppe. Er vertrat im Grunde überhaupt keine Gruppe. Seine Eltern, Angehörige einer der reichsten und mächtigsten Familien des Landes, hatten Irak 1958 verlassen, als das Königshaus durch einen Putsch gestürzt wurde. Ahmed Chalabi war damals 13 Jahre alt und hatte den Irak seither nie wieder betreten. In der irakischen Opposition war er nicht nur ein Niemand, sondern ein Objekt allgemeinen Mißtrauens: Ihm haftet ein Finanzskandal an, bei dem es um mehrere hundert Million Dollar ging.

Chalabi hatte 1977 in Amman die Petra Bank gegründet, die rasch zum drittgrößten Geldinstitut Jordaniens aufstieg und Tochterunternehmen in Beirut und Genf unterhielt. Chalabi achtete darauf, sich in der neuen Heimat viele Freunde zu machen: mit günstigen Krediten an Armeeoffiziere, Soldaten, Geheimdienstler und Beamte. Besonders eng waren seine finanziellen und persönlichen Beziehungen zum Kronprinzen Hassan, dem Bruder des damaligen jordanischen Königs Hussein. 20 bis 30 Millionen Dollar soll Chalabi dem kommenden starken Mann von Amman geliehen haben, ohne auf Rückzahlung zu drängen. Daß der schwerkranke Hussein wenige Tage vor seinem Tod 1999 die Thronfolge ändern und seinen Sohn Abdullah zum Nachfolger machen würde, konnte Chalabi nicht voraussehen.

Es spielte aber auch keine Rolle mehr, denn 1989/90 brach das Banken- und Wirtschaftsimperium der Chalabis zusammen, nachdem die Schweizer Aufsichtsbehörden Unregelmäßigkeiten festgestellt und der Genfer Tochter die Lizenz entzogen hatten. Es stellte sich heraus, daß Ahmed Chalabis Banken sich in betrügerischer Weise gegenseitig Kredite gegeben hatten und auch die Unternehmen von Familienangehörigen gut versorgt worden waren. Insgesamt sollen rund 500 Millionen Dollar in den Kassen gefehlt haben. Chalabi flüchtete aus Jordanien - mit 70 Millionen, wie es heißt - und wurde 1992 in Amman in Abwesenheit zu 22 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Gegen ihn existiert heute noch ein jordanischer Haftbefehl.

Womit wir wieder bei der Frage wären, weshalb ausgerechnet Chalabi 1992 zum Chef des gerade gegründeten INC gemacht wurde, obwohl er keine Verbindungen zur Opposition im Irak hatte. Es bleibt nur die Vermutung, daß US-amerikanische Stellen, mit denen Chalabi schon seit einiger Zeit zusammengearbeitet hatte, ihn als zuverlässigsten Vertreter ihrer speziellen Interessen ansahen. Nicht auszuschließen ist sogar, daß seine betrügerischen Finanzmanipulationen in diesem Zusammenhang zu sehen sind. Gerüchte bringen Chalabi mit der Iran-Contra-Affäre der 80er Jahre zusammen. Sie diente dazu, den Iran im Krieg gegen Irak mit modernen Waffen amerikanischer und israelischer Herkunft zu beliefern und gleichzeitig Gelder für die Unterstützung der Contras gegen die sandinistische Regierung in Nikaragua zu "waschen".

Ein Indiz, das die These von Chalabis Verwicklung in die Iran-Contra-Affäre stützen könnte, sind die überaus engen Beziehungen, die er - selbst Angehöriger der schiitischen Religionsgemeinschaft - seit vielen Jahren bis heute zu Teheraner Regierungskreisen unterhält. Ein weiteres Indiz ist seine Freundschaft mit Oliver North, einer Zentralfigur der Affäre.

Einige Quellen, wie etwa der Boston Globe (11. Januar 2004), behaupten, daß Chalabi schon 1985, also noch zur Zeit seiner Bankierstätigkeit, die Bekanntschaft von Richard Perle gemacht habe. Der Vordenker der auf militärische "Neuordnung" des gesamten Nahen und Mittleren Ostens drängenden US-amerikanischen Neokonservativen war damals Staatssekretär im Pentagon. Er ist Chalabi bis heute freundschaftlich verbunden, ebenso wie übrigens Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Richard Cheney.

Die neokonservative Autorin Laurie Mylroie behauptete im April 2001 in einem Artikel für das Middle East Intelligence Bulletin, Chalabi sei der US-Regierung durch mehrere Kongreßabgeordnete, insbesondere Mitglieder des für die Geheimdienste zuständigen Ausschusses, empfohlen worden. Das habe Ende 1991 zur ersten Einladung Chalabis ins Weiße Haus geführt. Namen der beteiligten Abgeordneten nannte sie nicht.

Die israelische Zeitung Jediot Aharonot schrieb am 2. Mai 2003, es sei der militärische Geheimdienst Israels gewesen, der 1990 den ersten Kontakt zu dem damals in London lebenden Iraker hergestellt habe. Chalabi war seither unzählige Male in Israel. Er unterhält gute Kontakte zum Likud und zur amerikanischen Pro-Israel-Lobby.

Chalabi und die 40 Neocons

Am 19. Februar 1998 veröffentlichten 40 prominente Neokonservative, darunter Donald Rumsfeld, sein Stellvertreter Paul Wolfowitz, Pentagon-Staatssekretär Douglas Feith und viele andere heutige Regierungsmitglieder, einen offenen Brief an Präsident Clinton. Die Unterzeichner forderten, die US-Regierung müsse die irakische Opposition bei der Vorbereitung eines bewaffneten Aufstands gegen Saddam Hussein unterstützen. Ihre erste Forderung lautete: "Anerkennung einer provisorischen Regierung des Irak, aufbauend auf den Prinzipien und den Führern des INC, die alle Völker Iraks repräsentiert." - Diese Gegenregierung mit Ahmed Chalabi an der Spitze sollte unter amerikanischem Schutz im kurdischen Nordirak installiert werden, um von dort aus - nötigenfalls mit amerikanischer Luftunterstützung - den Rest des Landes zu erobern.

Angesichts der Schwäche der Oppositionskräfte und der Stabilität des irakischen Militärs war dieser Plan von vornherein unrealistisch und zielte nur darauf ab, den USA schrittweise eine Kriegführung gegen Irak zu ermöglichen.

Ende 1998 setzten die Neokonservativen in Abgeordnetenhaus und Senat den Iraq Liberation Act durch, der erstmals den Sturz Saddam Husseins als offizielles Ziel der USA festschrieb. Der irakischen Opposition sollten bis zu 97 Millionen Dollar Finanzhilfe gewährt werden. Präsident William Clinton unterzeichnete das Gesetz eher widerwillig und ließ, solange er regierte, nur einen kleinen Teil der theoretisch verfügbaren Summe auszahlen.

Als nach dem 11. September 2001 die Planung des zweiten Irak-Krieges begonnen wurde, drängten die Neokonservativen darauf, sofort nach dem Einmarsch in Bagdad Chalabi als Regierungschef einzusetzen. Zusammen mit den Kurdenführern Jalal Talabani und Massud Barzani sollte er als neue Führungsspitze präsentiert werden, um der Besetzung vom ersten Tag an "ein irakisches Gesicht zu geben", wie die Befürworter dieses Plans es in grotesker Verzerrung der Realitäten nannten.

Chalabi-Freund Richard Perle beklagte Mitte April bei einer Anhörung im Außenpolitischen Ausschuß des Senats, es sei ein großer Fehler gewesen, nach dem Einmarsch in Bagdad nicht gleich "den Irakern" mehr Verantwortung übergeben zu haben. Aus dem Kontext wurde deutlich, daß er damit in Wirklichkeit nur Chalabi und dessen Seilschaft meinte.

Auch die Hardcore-Neokonservative Barbara Lerner, Befürworterin der Vertreibung der Palästinenser aus den besetzten Gebieten, macht mangelnde Favorisierung Chalabis für die desolate Situation der US-amerikanischen Besatzungsmacht verantwortlich. "Rumsfeld's War, Powell's Occupation", klagte sie am 30. April in der einschlägigen National Review. Rumsfelds Plan sei es gewesen, 10 000 irakische "Freiheitskämpfer" auszubilden und gleich nach Kriegsbeginn zusammen mit der Führungsmannschaft Chalabis ins nordirakische Kurdengebiet zu schicken. Von dort aus hätten die "Freiheitskämpfer" zusammen mit kurdischen Milizen auf Bagdad vorrücken sollen, um gemeinsam mit amerikanischen Truppen als "Befreier" in die Hauptstadt einzuziehen. Dieser großartige Plan sei vom Außenministerium und von der CIA vereitelt worden, die statt dessen nur einige hundert Chalabi-Anhänger nach Bagdad einfliegen ließen.

Daß State Department und Geheimdienst Chalabi seit Jahren mißtrauen und wesentlich dazu beigetragen haben, die Absichten zu durchkreuzen, die das Pentagon und das Büro von Vizepräsident Richard Cheney mit ihrem Günstling hatten, ist offensichtlich. Der Plan, dem die Neokonservativen jetzt noch nachtrauern, scheiterte aber auch daran, daß Chalabi nicht einmal einen Bruchteil der in Aussicht genommenen 10 000 "Freiheitskämpfer" rekrutieren konnte.

Der unbeliebteste Politiker

Zwar erreichte Chalabi aufgrund des Einflusses von State Department und CIA bisher nicht die bevorzugte Sonderstellung, die ihm die Neokonservativen zugedacht hatten. Er gehört aber der 25-köpfigen Marionettenregierung namens "Governing Council" an und ist einer der neun Mitglieder des Gremiums, die rotierend als "Präsident" fungieren.

Chalabi besetzt in der Kollaborateursverwaltung zwei Schlüsselpositionen: Er ist verantwortlich für die "Entbaathisierung", also die von Besatzungschef Paul Bremer angeordnete radikale "Säuberung" aller irakischen Institutionen, einschließlich der Schulen, von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei. Und er leitet den Finanzausschuß des "Governing Council", zu dessen Aufgabenbereich die Privatisierung und Neuordnung der irakischen Wirtschaft ebenso gehört wie Verhandlungen mit ausländischen Kreditgebern und Investoren. Chalabi gilt auch als wichtige Anlaufstelle für Unternehmen, die sich um Aufträge im Irak bewerben. Zwar entscheiden letztlich die Amerikaner, aber die Fürsprache Chalabis hat immer noch Gewicht.

Wie ausgerechnet ein Mann zu einer solchen Machtfülle kommt, dem in Irak kaum jemand vertraut und den alle Umfragen als unbeliebtesten Politiker überhaupt, noch weit abgeschlagen hinter Saddam Hussein, sehen, läßt sich nur ahnen. Seine Vergangenheit als Großbetrüger stellt aus Sicht maßgeblicher amerikanischer Kreise offenbar kein Hindernis, sondern eher eine besondere Qualifikation dar. Vermutlich traut man ihm am ehesten zu, die Wirtschaft des Landes, insbesondere die Verfügung über das Erdöl, so zu "ordnen", wie es in Rußland unter Präsident Boris Jelzin geschah - in die Taschen von ein paar blitzartig produzierten Multimilliardären, die ganz eng mit dem internationalen Finanzkapital verbunden sind.

Entmachtung Chalabis?

In den letzten Wochen sind vor allem in den USA zahlreiche Artikel erschienen, die das Ende der politischen Laufbahn von Ahmed Chalabi voraussagen. Als wesentliches Indiz für diese These wird die angestrebte Neubildung der irakischen "Regierung" vor der für den 1. Juli geplanten "Machtübergabe" angeführt. Mit den Sondierungen haben die USA einen Abgesandten der UNO, den ehemaligen algerischen Außenminister Lakhdar Brahimi, beauftragt, dem sie erstaunlich viel Spielraum lassen. Anscheinend zum Ärger Chalabis, der heftig gegen den UNO-Mann polemisiert. Brahimi will aus dem überwiegend von Parteipolitikern nach ausgeklügeltem Proporz besetzten Governing Council keinen einzigen in die neue "Regierung" übernehmen. Diese soll statt dessen aus mehr oder weniger "unabhängigen" Fachleuten bestehen. Die US-Regierung scheint mit diesem Vorhaben einverstanden. Vielleicht deshalb, weil das neue Organ noch weitaus weniger als das jetzige die wirklichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte im Lande repräsentieren würde.

Ein zweites Argument für die These, daß Chalabi politisch bereits so gut wie tot sei, ist die von den Amerikanern eingeleitete Revision der "Entbaathisierung". Ausgerechnet Paul Bremer, der diese Politik befohlen hatte, äußert jetzt öffentlich, die Praxis sei teilweise ungerecht und kontraproduktiv gewesen. Chalabi antwortete darauf mit einer heftigen Polemik: Mitglieder der Baath-Partei wieder in Dienst zu nehmen, wäre so, als wenn die USA nach dem Weltkrieg in Deutschland mit früheren Nationalsozialisten zusammengearbeitet hätten - was sie bekanntermaßen ja auch getan haben. Zusammen mit dem einflußreichen schiitischen Geistlichen Mohammad Bahr al-Uloum - dem Vater des Erdölministers, mit dem Chalabi im Finanzausschuß des Governing Council eng zusammenarbeitet - hat der INC-Chef eine Protesterklärung gegen die amerikanische Entscheidung, den früheren Generalmajor Abdul Rahim Saleh in Falludscha einzusetzen, initiiert.

Ein drittes Argument ist, daß nicht nur Präsident Bush, sondern auch das Pentagon über Chalabi tief verärgert seien, weil der größte Teil der Falschinformationen über Saddam Husseins "Massenvernichtungswaffen" und seine angebliche Zusammenarbeit mit Bin Ladens Al Qaida vom INC stammen. Allzu groß sollte man den Ärger aber nicht veranschlagen, denn Chalabis Leute haben lediglich auf Bestellung exakt das geliefert, was verlangt wurde. Ob sie sich ihre Märchen selbst ausgedacht haben, oder ob sie lediglich Produkte amerikanischer und israelischer Geheimdienste vom Blatt abzulesen hatten, ist eine Frage, die vermutlich nie definitiv geklärt werden wird.

"Helden des Irrtums"

Chalabi bestreitet, daß er dem britischen Daily Telegraph kürzlich in einem Interview gesagt habe: "Wir sind Helden des Irrtums. Was uns angeht, waren wir rundum erfolgreich. Der Tyrann Saddam ist weg, und die Amerikaner sind in Bagdad. Was vorher gesagt wurde, spielt keine Rolle mehr." - Die Zeitung habe seine Äußerungen falsch wiedergegeben, behauptet Chalabi. Mag sein. Den Sachverhalt trifft das ihm zugeschriebene Zitat jedenfalls ganz genau.

Es ist auf jeden Fall verfrüht, den INC-Chef totzusagen. Seine neokonservativen Freunde setzen nach wie vor auf ihn. Chalabi kassiert immer noch jeden Monat 340 000 Dollar vom Pentagon für etwas, was verschwommen als "Nachrichtensammlung" definiert wird. Worum es bei dem seit Sommer 2002 laufenden "Information Collection Program" (ICP) konkret geht, unterliegt der Geheimhaltung. Die Nachrichtenagentur UPI berichtete am 3. März, daß ICP-Leute in großem Umfang an "Verhören" irakischer Gefangener und deren Auswertung beteiligt seien.

Außerdem hat Chalabi, der eigentlich gar kein praktizierender Moslem ist, sich im letzten Halbjahr zu einem wichtigen Vermittler zwischen der Besatzungsmacht und "gemäßigten" Schiitenführern wie Ajatollah Sistani und den Leuten vom Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak entwickelt. Für sie repräsentiert er die Hoffnung, von den Amerikanern einen großen Teil der Macht zugestanden zu bekommen. Und die US-Regierung verspricht sich von der Mitwirkung Chalabis, daß der größere Teil der schiitischen Bevölkerung sich nicht am Aufstand gegen die Besatzung beteiligt.

Und dann ist da noch Chalabis alter Freund Hassan, der Onkel des jetzt regierenden jordanischen Königs Abdullah. Hassan hat sein Interesse angemeldet, in Bagdad als "Vermittler" zwischen den religiösen, politischen und nationalen Gruppierungen aufzutreten, wie AP am 23. Februar berichtete. Schon vor dem Irak-Krieg war der ehemalige Kronprinz im Sommer 2002 überraschend - und keineswegs zur allgemeinen Freude - bei einem von den USA arrangierten Treffen der irakischen Opposition in London aufgetaucht, wo über die "Nachkriegsordnung" gesprochen werden sollte.

An dieser Stelle ist an einen alten Wunschtraum der Neokonservativen zu erinnern: Im Sommer 1996 hatte eine von Richard Perle geleitete Arbeitsgruppe, der unter anderem der heutige Pentagon-Staatssekretär Douglas Feith angehörte, für den Likud-Rechtsaußen Benjamin Netanjahu ein Strategiepapier vorgelegt, betitelt "A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm" ("Ein sauberer Bruch: Eine neue Strategie zur Sicherung des Königreiches"). Ein zentraler Vorschlag, war, daß Israel sich auf den Sturz Saddam Husseins konzentrieren und die jordanische Königsfamilie der Haschemiten bei der Wiedererlangung des irakischen Thrones (den sie bis 1958 besaßen) unterstützen solle.

Ein verrückter Traum, aber offenbar keineswegs aufgegeben. Angesichts der totalen Ratlosigkeit der US-Regierung über ihr Vorgehen in Irak sind selbst Verrücktheiten nicht auszuschließen. Chalabi jedenfalls ist noch nicht abzuschreiben.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 21.5.2005