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Chronologie: Vom Golf-Krieg zum Golf-Frieden
Nach der Besetzung Kuwaits durch irakische Truppen am 2. August 1990 lösen die USA an der Spitze einer breiten Kriegskoalition am 17. Januar 1991 die "Operation Wüstensturm" aus. Nach mehr als einem Monat massiver Angriffe aus der Luft beginnt am 24. Februar die Bodenoffensive, die innerhalb von nur 100 Stunden die Kapitulation der irakischen Streitkräfte erzwingt. Die USA geben die Zahl ihrer eigenen Verluste, einschließlich der Verbündeten, mit 343 getöteten Soldaten an. Am 3. April unterzeichnet der Irak die Waffenstillstandsbedingungen; am 6. April akzeptiert er auch die Resolution 687 des UNO-Sicherheitsrats. Sie sieht, unter internationaler Kontrolle, die Zerstörung aller chemischen, biologischen und nuklearen Waffen, Stoffe und Produktionsstätten des Irak vor, ebenso wie aller Raketen mit einer Reichweite von mehr als 150 km.
Das vor dem Krieg vom UNO-Sicherheitsrat verhängte totale Handelsembargo bleibt als Druckmittel für irakisches Wohlverhalten weiter in Kraft.
Nach dem Krieg versucht die schwer angeschlagene irakische Armee, die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden des Landes mit militärischer Gewalt wieder unter Kontrolle zu bekommen. Durch die Resolution des UNO-Sicherheitsrats vom 5. April 1991 werden die Kurdengebiete im Nordirak zur "Schutzzone" erklärt. Die irakische Regierung wird aufgefordert, die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung sofort einzustellen und internationalen humanitären Organisationen Zugang zu allen Teilen Iraks zu gewähren. US-Verteidigungsminister Cheney befürwortet, eine UNO-Friedenstruppe zu bilden, die zum Schutz der Flüchtlinge Pufferzonen im Irak einrichten soll. Der am 8. April tagende EU-Gipfel unterstützt diesen Vorschlag.
Am 10. April 1991 gibt die US-Regierung bekannt, sie betrachte das Gebiet nördlich des 36. Breitengrads als "Flugverbotszone"; das bedeutet, dort auftauchende irakische Flugzeuge und Hubschrauber würden sofort abgeschossen. Mehrere tausend US-Soldaten werden eingesetzt, um eine internationale Versorgungsaktion für etwa 700.000 kurdische Flüchtlinge zu unterstützen. Am 16. April teilt US-Präsident Bush mit, er habe angeordnet, unverzüglich mit der Anlage mehrerer Flüchtlingslager im Nordirak zu beginnen. Die Sicherheit der Lager solle durch amerikanische, britische und französische Truppen - insgesamt etwa 11.000 Mann - gewährleistet werden.
1. August 1992: Die USA teilen mit, daß sie zusätzliche 2.400 Soldaten nach Kuwait schicken werden. Sie sollen zwei Monate lang, zusammen mit den dort schon stationierten amerikanischen Truppen (2.000 Mann) und kuwaitischen Einheiten, Manöver durchführen. US-Verteidigungsminister Cheney sagt, die USA wollten mit dieser Aktion ihre Fähigkeit zu einer raschen Rückkehr in die Region im Fall einer Krise demonstrieren.
Der Einsatz war eigentlich erst für September geplant gewesen. Die Vorverlegung war ein Droh- und Druckmittel im Streit um den Zugang der UNO-Inspektoren ins irakische Landwirtschaftsministerium; dort wurden angeblich Unterlagen über Massenvernichtungswaffen vermutet.
21. August 1992: Die USA, Frankreich, Großbritannien und Rußland informieren den UNO-Generalsekretär, daß in den nächsten Tagen eine "Luftkontrollzone" ("Flugverbotszone") über dem Südirak (südlich des 32. Breitengrades) eingerichtet werde. Boutros-Ghali erklärt, er billige diese Maßnahme. Sie tritt am 27. August in Kraft. Als Begründung dient die militärische Repression Bagdads gegen die überwiegend schiitische Bevölkerung im Südirak.
16. Oktober 1992: Die Türkei gibt bekannt, daß sie eine "grenzüberschreitende Militäroperation" (mit etwa 5.000 Soldaten) im Gebiet der nordirakischen Stadt Zakho begonnen hat, um Stützpunkte der kurdischen PKK zu bekämpfen. Der türkische Vorstoß läuft parallel zum gemeinsamen Versuch der irakisch-kurdischen Organisationen KDP und PUK, die PKK aus dem von ihnen beanspruchten Machtbereich zu vertreiben. Am 18. November kündigt die Türkei den Rückzug ihrer Truppen an.
Anfang Januar 1993: Die irakische Armee bringt entlang und südlich des 32. Breitengrads, der die Grenze der "Flugverbotszone" markiert, mobile Luftabwehrraketen in Stellung. Die USA verlangen, mit Unterstützung Rußlands, am 6. Januar ultimativ, daß die Raketen innerhalb von 48 Stunden abgezogen werden müssen.
11. Januar 1993: Das "Eindringen" von 120 Irakern auf kuwaitisches Gebiet wird gemeldet; sie hätten dort Lagerhäuser abgerissen und Material abtransportiert. Ein ähnlicher Vorfall ereignet sich auch am folgenden Tag.
Hintergrund: Der UNO-Sicherheitsrat hatte eine rechtlich höchst zweifelhafte Verschiebung der irakisch-kuwaitischen Grenze zugunsten Kuwaits angeordnet. Insbesondere waren dadurch Teile der irakischen Hafenstadt Umm-Qasr an Kuwait gefallen. Die Iraker transportierten also lediglich ab, was ihnen tatsächlich gehörte. - Der UNO-Sicherheitsrat verurteilte das Vorgehen des Iraks als Verstoß gegen die Waffenstillstandsresolution.
13. Januar 1993: Mehr als 100 Flugzeuge der USA, Großbritanniens und Frankreichs greifen Raketen- und Radarstellungen in der südlichen "Flugverbotszone" an.
17. Januar 1993: Die USA schießen 40 Marschflugkörper auf einen rund 20 km vom Stadtzentrum Bagdads entfernten Fabrikkomplex ab. - Angeblich handelte es sich um eine Anlage zur Anreicherung von nuklearen Stoffen. Der Irak hingegen behauptete, es sei eine Maschinenfabrik, die schon mehrmals von UNO-Inspektoren besucht worden sei. Tatsächlich war es offenbar eine ehemalige Nuklearanlage, die nach dem Golfkrieg auf zivile Produktion umgestellt wurde.
18. Januar 1993: Amerikanische, britische und französische Flugzeuge bombardieren Radar- und Flugabwehrstellungen im Norden und Süden des Irak.
19. Januar 1993: Amerikanische Flugzeuge greifen Ziele in der nördlichen - überwiegend von Kurden bewohnten - "Schutzzone" an.
9. und 18. April 1993: US-Flugzeuge greifen irakische Luftabwehrstellungen an.
27. Juni 1993: Die USA schießen 23 Cruise Missiles auf einen Gebäudekomplex in Bagdad ab, in dem sich angeblich die Zentrale des irakischen Geheimdienstes befindet. Die Aktion wird von Clinton als Vergeltungsschlag für einen angeblichen irakischen Attentatsplan gegen seinen Vorgänger Bush gerechtfertigt.
28. Januar 1994: Türkische Flugzeuge bombardieren das 110 km von der Grenze entfernte PKK-Lager Saleh im Nordirak.
14. April 1994: US-Kampfflugzeuge schießen über dem Nordirak irrtümlich zwei Hubschrauber der UNO ab. Alle 26 Passagiere, darunter 15 Amerikaner, kommen ums Leben.
Anfang Oktober 1994: Es wird gemeldet, daß die irakische Armee mehr als 60.000 Mann in der Nähe der kuwaitischen Grenze zusammengezogen habe. Clinton ordnet die Verlegung von 4.000 amerikanischen Soldaten nach Kuwait an, zusätzlich zu den dort schon stationierten 12.000; außerdem wird die US-Flotte im Golf um einen Flugzeugträger und weitere Kriegsschiffe verstärkt. Großbritannien und Frankreich bekunden ihre Bereitschaft, sich an einem "raschen und entschlossenen" militärischen Eingreifen zu beteiligen.
Am 9. Oktober gibt die US-Regierung bekannt, daß sie ihre Streitkräfte in der Golfregion auf 36.000 Mann verstärken will. Am 11. Oktober wird gemeldet, daß der Rückzug der Iraker begonnen hat. Nach einem Besuch des russischen Außenministers in Bagdad zeigt sich der Irak am 14. Oktober bereit, die kuwaitische Grenze anzuerkennen - wenn im Gegenzug die internationalen Sanktionen beendet würden. Die Vertreter der USA und Großbritanniens in der UNO erklären am 20. Oktober, daß ihre Staaten sofortige "militärische Gegenmaßnahmen" ergreifen würden, falls die irakische Armee noch einmal ihre sog. Elitetruppen in die "Schutzzone" südlich des 32. Breitengrads schickt.
10. November 1994: Die irakische Regierung erkennt die Unabhängigkeit und die Grenzen Kuwaits offiziell an. Frankreich fordert, ebenso wie Rußland, den UNO-Sicherheitsrat auf, diesen Schritt mit ersten "Gesten" zu honorieren. Das scheitert am Widerspruch der USA. Am 15. November beschließt der Sicherheitsrat die Fortsetzung des Wirtschaftsembargos, da die Mechanismen zur Kontrolle der irakischen Waffenbestände noch nicht wunschgemäß funktionieren.
20. März 1995: Einmarsch türkischer Truppen in einer Gesamtstärke von 35.000 Mann in den Nordirak. Als Zweck wird die Zerstörung von Stützpunkten der kurdischen PKK angegeben. Die NATO-Partner der Türkei, insbesondere die USA, lassen zwar mehr oder weniger "Verständnis" für die Militäraktion erkennen, fordern aber deren baldige Beendigung. Keinesfalls werde man die dauerhafte Stationierung türkischer Soldaten im Nordirak akzeptieren.
Am 4. Mai gibt Ankara den Abschluß der Operationen und des Rückzugs bekannt.
5. bis 11. Juli 1995: Türkische Truppen dringen erneut zur Bekämpfung "kurdischer Terroristen" in den Nordirak ein. Ministerpräsidentin Ciller erklärt, die Türkei werde immer wieder solche Vorstöße unternehmen, bis die PKK von dort vertrieben wäre.
August 1995: Mit der Begründung, der Irak plane einen Angriff auf Jordanien, beginnen die USA gemeinsame Manöver mit jordanischen und kuwaitischen Truppen. Jordanien hatte während des Golfkriegs noch den Irak unterstützt.
20. Mai 1996: Bagdad akzeptiert - nach monatelanger Ablehnung - die Bedingungen des UNO-Sicherheitsrats für eine begrenzte Wiederaufnahme seiner Erdölexporte. Danach darf der Irak, umgerechnet aufs Jahr, für etwa 4 Milliarden Dollar Öl verkaufen; das entspricht knapp einem Viertel der Fördermenge vor dem Golfkrieg. Die Regierung in Bagdad darf aber über die Einnahmen aus dem Export nicht frei verfügen: 30% sollen als Reparationen an Kuwait gehen, 5% zur Kostendeckung ihrer "Friedensmission" an die UNO; 13% müssen den Hilfsorganisationen der UNO zur Unterstützung der kurdischen Bevölkerung im Nordirak zur Verfügung gestellt werden. Der Rest muß zweckgebunden für Lebensmittel und Medikamente ausgegeben werden. Eine weitere für Bagdad demütigende Klausel: Der Irak darf das Öl nicht selbst verschiffen lassen, sondern muß es über eine Pipeline in die Türkei liefern.
August 1996: Irakische Truppen intervenieren im Kurdengebiet, das nach dem Golfkrieg 1991 von den USA und ihren Verbündeten zur "Schutzzone" erklärt worden war. Ende August besetzen die Iraker die Hauptstadt des Gebiets, Erbil.
Hintergrund: Zwischen den beiden größten Organisationen der irakischen Kurden, KDP und PUK, war - nachdem sie sich zeitweise gegen Bagdad verbündet hatten - wieder einmal eine heftige militärische Konfrontation ausgebrochen. Der Einmarsch der Iraker in die "Schutzzone" erfolgte offenbar mit Billigung und Unterstützung der KDP-Führung.
Die USA versetzen daraufhin ihre in der Golfregion stationierten Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft und kündigen an, daß die Verletzung der "Schutzzone" nicht unbeantwortet bleiben werde. Die UNO setzt die Durchführung der Vereinbarung über den Ölexport aus dem Irak vorläufig aus. Am 2. September ziehen sich die Iraker wieder aus Erbil zurück.
3. September 1996: Die USA schießen 27 Cruise Missiles auf angebliche militärische Ziele im Irak ab. Das sei, wie US-Außenminister Christopher erläutert, "die einzige Sprache, die Saddam Hussein versteht".
Am selben Tag gibt Präsident Clinton bekannt, daß die "Flugverbotszone" im Südirak vom 32. auf den 33. Breitengrad ausgedehnt sei; sie reicht damit bis unmittelbar an die Vororte Bagdads heran.
4. September 1996: Weitere 17 amerikanische Marschflugkörper werden gegen Ziele im Südirak eingesetzt.
Großbritannien erklärt seine "uneingeschränkte Unterstützung" für das amerikanische Vorgehen. Der deutsche Außenminister Kinkel nennt es "richtig, angemessen und gerechtfertigt". Sein französischer Kollege hingegen äußert die Ansicht, daß diese Angriffe hätten vermieden werden sollen, da sie nichts zur Problemlösung beitrügen. Auch Rußland bezeichnet die amerikanische Reaktion als "übertrieben" und bringt sie mit der Schlußphase des Präsidentschafts-Wahlkampfs in Zusammenhang.
5. September 1996: Die türkische Luftwaffe greift "Stützpunkte der kurdischen Rebellen" im Nordirak an.
7. September 1996: "New York Times" und "Washington Post" melden, daß der irakische Vorstoß in das Kurdengebiet die CIA gezwungen habe, eine umfangreiche Operation zum Sturz Saddam Husseins überstürzt abzubrechen. Den amerikanischen Agenten sei gerade eben noch die Flucht in die Türkei gelungen, während etwa 100 ihrer kurdischen Helfer gefangen genommen worden seien.
10. September 1996: Die USA drohen mit einem weiteren Militärschlag, da die Iraker angeblich wieder Luftabwehrstellungen in der südlichen "Flugverbotszone" errichtet hätten und damit die amerikanischen "Überwachungsflüge" bedrohen könnten.
9. Dezember 1996: Der UNO-Sicherheitsrat setzt nach Verhandlungen mit Bagdad die Erlaubnis zum eingeschränkten Ölexport wieder in Kraft. Sie gilt zunächst für ein halbes Jahr und kann dann bei irakischem Wohlerhalten alle sechs Monate erneuert werden. Die irakische Regierung läßt das Ereignis mit Jubelkundgebungen feiern. Saddam Hussein setzt am 10. Dezember per Knopfdruck die Pipeline in die Türkei in Betrieb und verkündet: "Die triumphierende irakische Willensstärke hat einen neuen Sieg errungen!"
Knut Mellenthin
analyse & kritik, 12.03.1998