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Business as usual
Drogen-Konferenz in Kabul
Anfang der Woche fand in Kabul wieder einmal eine internationale Konferenz zur Drogenpolitik statt. Geredet und diskutiert wurde wie üblich viel, beschlossen und bewegt gar nichts.
Seit der "Befreiung" Afghanistans durch die amerikanisch-britische Militärintervention im November-Dezember 2001 finden solche Treffen, meist unter Schirmherrschaft der UNO-Drogenbehörde (UNODC), mehrmals im Jahr statt. Die Taliban, die 1996 die Herrschaft in Kabul antraten, hatten den Mohnbau für die Opium- und Heroinproduktion im Jahr 2000/2001 fast vollständig verhindert. Seit ihrem Sturz blüht das Geschäft wieder. Rund 75 Prozent der Weltproduktion an Rohopium, dem Ausgangsstoff für Heroin, kommen aus Afghanistan.
Das war nicht immer so. In den 60er und 70er Jahren lag der Schwerpunkt des Mohnanbaus im sogenannten Goldenen Dreieck in Südostasien, also in Laos, Burma, Thailand und Kambodscha. Die afghanische Rohopium-Produktion war damals unbedeutend. Der Mohnanbau explodierte dort erst, als sich die US-Regierung 1980 entschloss, in enger Zusammenarbeit mit Pakistan und Saudi-Arabien regionale Kriegsherren in ihrem Kampf gegen die progressive Regierung in Kabul und gegen die sowjetischen Interventionstruppen zu unterstützen. Die "Warlords" finanzierten ihre Milizen überwiegend durch Handel mit Rohopium, förderten daher in den von ihnen beherrschten Gebieten den Mohnanbau massiv. Der eng mit der CIA kooperierende pakistanische Geheimdienst ISI gewann eine zentrale Stellung nicht nur in der Organisierung des "Heiligen Krieges" gegen Kabul und Moskau, sondern auch im Drogenhandel.
Der erneute Boom des Mohnbaus seit dem Sturz der Taliban erschwert eine wirtschaftliche und politische Stabilisierung des Landes aufs äußerste. Obwohl Afghanistan seit mehr als zwei Jahren praktisch ein Protektorat der USA und der NATO ist, scheinen die Besatzungs- und "Ordnungs"-Truppen, zu denen auch die Bundeswehr gehört, das Problem weitgehend zu ignorieren. Auch finanziell sehen sich die meisten westlichen Regierung offenbar nicht in der Verantwortung. Eine Ausnahme macht London, das immerhin rund 130 Millionen Dollar für ein Programm zur Eindämmung und Bekämpfung des Mohnanbaus zur Verfügung gestellt hat.
Präsident Karzai warb jetzt auf der Konferenz in Kabul für einen Fonds, der mit 300 Millionen Dollar ausgestattet werden soll. Mit Hilfe dieser Finanzmittel sollen auch ökonomische Anreize eingesetzt werden, um den Opium-Anbauern Alternativen zu ermöglichen und attraktiv zu machen. Das Ziel soll sein, im Rahmen eines Vier-Jahres-Programms den Mohnanbau um 70 Prozent zu senken.
300 Millionen Dollar - eine Kleinigkeit, sollte man denken. Allein in den USA beläuft sich der Jahresetat der Bundesbehörde für die Drogenbekämpfung auf 18 Milliarden Dollar. Weitere 15 Milliarden Dollar geben die Bundesstaaten der USA für den gleichen Zweck aus. Auf 15 Milliarden Dollar jährlich werden außerdem die Belastungen des amerikanischen Gesundheitswesens durch Drogenkonsum kalkuliert.
Zum Vergleich: Die UNO schätzt die Jahreseinnahmen der Anbauer von Mohn und Koka weltweit auf insgesamt 1,1 Milliarden Dollar. Mit einem Bruchteil der zig Milliarden, die für die Drogenbekämpfung ausgegeben werden, wäre es also möglich, die Produzenten zu entschädigen, wenn sie auf den Anbau der Drogen-Ausgangsstoffe verzichten. Dass dabei Probleme auftreten würden, liegt auf der Hand, aber auch diese sollten zu lösen sein. Aber schon der Denkansatz wird von den Regierungen der USA und Westeuropas abgelehnt. So stieß jetzt auch Karzais Bitte um die vergleichsweise lächerliche Summe von 300 Millionen Dollar auf taube Ohren und zugenähte Taschen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 10. Februar 2004