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Hundetöter Ortwin Runde als Ehrengast im HTV-Tierheim

Vor Stolz fast platzend, berauscht von der eigenen staatsmännischen Bedeutung - so sah man "Hamburgs obersten Tierschützer" Wolfgang Poggendorf am Sonntag, 8. Oktober 2000, beim Tag der Offenen Tür im Tierheim Süderstraße. Anlass der Freude: Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) war, begleitet von einem stattlichen Polizei-Aufgebot, als Ehrengast erschienen. Das gab es schon seit Jahren nicht mehr. Wie schon sein Vorgänger Henning Voscherau (SPD) hatte auch Runde bisher noch jedes Mal dumme Ausreden vorgeschützt, um Poggendorfs Einladung zum alljährlichen Tag der Offenen Tür nicht nachkommen zu müssen. Dass er nun endlich dem selbsternannten "Anwalt der Tiere" die Ehre gab, hatte einen einfachen politischen Grund: Runde wollte öffentlich und medienwirksam die enge Zusammenarbeit mit Poggendorf bei der "konsequenten Durchsetzung der neuen Hundeverordnung" - sprich: den geplanten Massentötungen von mehreren hundert "Kampfhunden" - demonstrieren.

Und Poggendorf tat ihm den Gefallen, umschwänzelte ehrerbietig den hohen Gast und lobte die große Akzeptanz der neuen Hundeverordnung durch die Hamburger Bevölkerung. Im Juli hatte der Tierheim-Chef die Hundeverordnung noch als "Massenvernichtung" scharf kritisiert und sich dagegen verwahrt, das Tierheim zum "Schlachthof der Behörden" machen zu lassen. Heute verliert er über den Tötungsplan kein Wort mehr. Sein einziger Einwand gegen die neue Hundeverordnung besteht jetzt nur noch darin, dass für Hunde aus dem Tierheim die auf 1200 Mark erhöhte "Kampfhundsteuer" fortfallen sollte. Das ist allerdings überwiegend eine hypothetische Frage, weil Hunde der Kategorie I in Hamburg sowieso so gut wie unvermittelbar sind.

Bürgermeister Runde seinerseits hielt Hunde-Besitzern, die sich über die Höhe der "Kampfhundstteuer" beschwerten, höhnisch vor: "Muss es überhaupt so ein Kampfhund sein?" - Mit anderen Worten: Warum lassen Sie Ihren Hund nicht einfach töten und schaffen sich einen neuen an! Der Hund als beliebig austauschbare Wegwerfware. Poggendorf stand daneben, grinste töricht und nickte wie eine mechanische Puppe allen Äußerungen des Bürgermeisters zu. Dass es sich bei Rundes Worten um eine Aufforderung zu einer strafbaren Handlung - Töten eines Tieres ohne vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes! - handelte, fiel dem selbsternannten "Anwalt der Tiere" offenbar überhaupt nicht auf.

Runde, der als Ziel seiner Politik proklamiert hat, "soviele Kampfhunde wie möglich zu töten" und Hamburg im Verlauf der nächsten Monate "kampfhundfrei zu machen", bekundete von der Bühne des Tierheims, er sei "praktizierender Tierfreund". Deshalb will er sich wahrscheinlich im kommenden Frühjahr einen Hund anschaffen, und zwar ausgerechnet einen Samojeden, also einen extrem bewegungsfreudigen "Schlittenhund". Das sagt ein Mann, der schon aus Zeitgründen selbst einen zehnjährigen Dackel wahrscheinlich nicht artgerecht halten, nämlich ihm angemessenen Auslauf verschaffen, könnte. Und Poggendorf grinste und nickte dazu wieder, als wäre er aufgezogen und überhaupt nicht mehr abzustellen.

70 bis 100 Menschen aus verschiedenen Initiativen gegen die neue Hundeverordnung standen teils vor dem Tierheim-Eingang, teils aber auch drinnen vor der Bühne, um gegen Ortwin Rundes Programm zur Hundevernichtung zu protestieren. Man sah aber auch, wie schon auf der Demonstration in der Innenstadt eine Woche zuvor, Transparente mit den Parolen "Schützt die Tiere vor Wolfgang Poggendorf" und "Leinenzwang und Maulkorb für Poggendorf".

Staatsmännischer Rausch und Wut auf die Protestierer vereinigten sich beim Tierheim-Chef zu einem explosiven Gemisch, das sich kurz darauf in Form wüsten, unkontrollierten Geschimpfes gegenüber einem Journalisten der Nachrichtenagentur ddp entlud: "Ein großer Teil der Kampfhunde stelle unter Umständen eine ernste Gefahr für das Leben von Menschen dar. Diese Hunde hätten keine Berechtigung in der Gesellschaft. Dazu komme, dass viele Halter diese Macht noch demonstrativ zur Schau stellten. Sie verhinderten nicht, dass ihre Hunde Passanten belästigten oder gefährdeten. Die Haltung der Tiere sei größtenteils sehr schlecht. Tierquälerei bis hin zum sexuellen Missbrauch sei an der Tagesordnung. Wenn der Hund dann durchdrehe, sei dies nicht mehr umkehrbar, und auch Resozialisierungsmaßnahmen scheiterten."

An anderer Stelle seiner Ausführungen gegenüber ddp wies Poggendorf jede Kritik an den Zuständen im Harburger "Kampfhunde"-Todeslager schärfstens zurück: "Die Tierschützer" (damit meint er offenbar sich selbst, denn allen anderen wird im Harburger Lager der Zutritt verweigert!) "überwachten die Unterbringung der Kampfhunde nach der Sicherstellung genau. (...) Er selbst sei unangemeldet in Harburg gewesen und habe sich von der artgerechten Unterbringung überzeugt. Die Tiere lebten in acht Quadratmeter großen Einzelzwingern mit Liegebrettern. Derzeit werde auch eine Fußbodenheizung eingebaut. Auslauf hätten die Hunde jedoch nicht. Das sei allein wegen der personellen Situation nicht möglich. Die Tiere hätten es jedoch zumeist deutlich besser als 'zu Hause'".

Wie jemand überhaupt von artgerechter Unterbringung sprechen kann bei Hunden, denen jeder Auslauf verweigert wird, wird wohl Poggendorfs kleines Geheimnis bleiben. Im Tierschutzgesetz kann er das jedenfalls nicht gelesen haben. Seine Behauptung, die Hunde hätten es in der Harburger Lagerhalle - wo übrigens nur noch die Todesspritze auf sie wartet! - "besser als zu Hause" - ist ein ungeheuerlicher Schlag ins Gesicht aller Menschen, deren Hunde in Harburg gelandet sind. Selbst Poggendorf könnte, wenn er sich nicht zunehmend in autistischer Selbstvergötzung verkapseln würde, aus den allgemein zugänglichen Presseberichten wissen, welche traurigen menschlichen Einzelschicksale mit der "Sicherstellung" dieser Tiere verbunden sind:

Da sind Hunde, die ihren Besitzern weggenommen wurden, weil diesen ihnen zu spätnächtlicher Stunde an einsamen Plätzen Auslauf ohne Leine und Maulkorb gönnen wollten, und dabei vom Hundefänger-Kommando der Behörden ertappt wurden.
Da sind Hunde, deren Besitzer die rund 3000 Mark, die heute einem "Kampfhund-Halter" insgesamt abverlangt werden, nicht aufbringen können.
Da sind Hunde, die von ihren Besitzern ausgesetzt oder als angeblich gefährlich bei der Polizei abgegeben wurden, weil ihnen der Rausschmiss aus der Wohnung drohte, falls sie das Tier nicht fristgemäß "abgeschafft" hätten.

Poggendorfs Äußerungen gegenüber ddp machten in den Hamburger Initiativen, die sich gegen die neue Hundeverordnung wenden, sehr schnell die Runde. Sie riefen Entsetzen, Abscheu und Wut auch bei Menschen hervor, die bisher immer noch die Hoffnung hatten, mit dem Geschäftsführer und heimlichen Vorsitzenden des Hamburger Tierschutzvereins wenigstens partiell zum Nutzen der bedrohten Hunde zusammenarbeiten zu können.

Knut Mellenthin

11.10.2000