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Waffenpause in Mogadischu - Hunderte tot, Zehntausende auf der Flucht
Nach vier Tagen heftiger Kämpfe gab es am Montag in der somalischen Hauptstadt Mogadischu eine Waffenpause. Viele Bewohner nutzten sie, um die auf den Straßen liegenden ungezählten Toten zu begraben, Schäden an ihren Häusern zu reparieren, sich wieder mit Lebensmitteln zu versorgen - oder sich auf die Flucht zu machen. Fast 50.000 Menschen haben nach Schätzungen der UNO in den vergangenen zehn Tagen die Stadt verlassen, um den Kämpfen zu entgegen, die vom Internationalen Roten Kreuz als die schlimmsten seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 bezeichnet werden. Seit Februar sind mehr als 100.000 Menschen aus Mogadischu geflüchtet. Die Gesamtzahl der geflüchteten und vertriebenen Somalis (innerhalb und außerhalb des Landes) wird in einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme des Hawiye-Clans auf 1,5 Millionen geschätzt. Die Hawiye sind die einflussreichste Bevölkerungsgruppe in der Hauptstadt und der Hauptgegner der "Übergangsregierung", die vom nordostsomalischen Darod-Clan dominiert wird. Die nicht durch Wahlen legitimierte, im Land wenig populäre "Übergangsregierung" stützt sich in erster Linie auf Tausende von Soldaten aus dem Nachbarland Äthiopien, die seit Ende Dezember vorigen Jahres in Mogadischu stationiert sind.
Die "Übergangsregierung" wurde im Jahr 2004 mit Unterstützung der UNO und der Afrikanischen Union gebildet. Sie sollte einen Kompromiss zwischen den wichtigsten somalischen Clans repräsentieren, verfehlte jedoch nicht nur dieses hochgesteckte Ziel, sondern war von Anfang an auch in sich selbst gespalten. Aufgrund des internationalen Drucks hat "Übergangspräsident" Abdullahi Jusuf versprochen, eine "nationale Versöhnungskonferenz" durchzuführen, die eine Verständigung zwischen allen gesellschaftlichen und politischen Kräften des Landes erreichen soll. Die Beratungen sollen am 16. April beginnen und voraussichtlich mehrere Monaten dauern. Zuvor jedoch will die "Übergangsregierung" die Hauptstadt militärisch unter Kontrolle bringen und den Hawiye-Clan ausschalten. Denn an der "Versöhnungskonferenz" sollen nur Kräfte teilnehmen dürfen, die erstens "gemäßigt" sind und zweitens "der Gewalt abschwören". Das wird die Opposition nicht einseitig tun, solange es keine Einigung über die Zukunft des Landes gibt. Drittens sollen die Konferenzteilnehmer sich verpflichten, "die Übergangsverfassung", also die Grundlage der nicht legitimierten Vorherrschaft des Darod-Clans, anzuerkennen. Diese Bedingungen, zusammen mit dem aggressiven militärischen Vorgehen in der Hauptstadt, drohen die "Versöhnungskonferenz" von vornherein zur Farce zu machen.
Die schweren Kämpfe in Mogadischu begannen am 21. März mit einer Offensive der äthiopischen Truppen und der "Übergangsregierung" gegen einen Stadtteil, der als Hochburg des Hawiye-Clans und der fundamentalistischen Union der Islamischen Gerichte (UIC) gilt. Trotz des Einsatzes von Panzern wurden die Angreifer zurückgeschlagen. Am 22. März gaben Sprecher des Hawiye-Clans bekannt, dass mit den Äthiopiern ein Waffenstillstand geschlossen worden sei. Die Ruhe hielt aber nur wenige Tage. Am 29. März griffen die äthiopischen Streitkräfte erneut an, jetzt in mehreren Teilen der Stadt gleichzeitig. Durch den vier Tage währenden massiven, ungezielten Beschuss von Wohngegenden mit Panzern, Artillerie und erstmals in diesem Krieg auch mit Kampfhubschraubern kamen Hunderte von Zivilisten ums Leben. Die genaue Zahl ist unbekannt, da viele Verletzte privat versorgt und viele Tote von den Bewohnern begraben wurden, ohne dass sie registriert wurden. Die Äthiopier behaupteten am Wochenende, 200 "Rebellen" getötet zu haben.
Am Montag verkündete der Hawiye-Clan erneut eine Waffenruhe. Die "Übergangsregierung" erklärte diesen sofort für ungültig und behauptete, die Angriffe auf Wohngegenden würden nur dem "Kampf gegen Terroristen" dienen. Die äthiopischen Streitkräfte schafften am Sonntag und Montag Hunderte zusätzlicher Soldaten nach Mogadischu. An allen zentralen Kreuzungen der Hauptstadt sind äthiopische Panzer aufgefahren.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 3. April 2007