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Waffen für Separatisten

Ein Staatsanwalt im US-Bundesstaat Florida hat Anklage gegen den israelischen Staatsbürger Hanoch oder Chanoch Miller erhoben. Dem 53jährigen Geschäftsmann wird vorgeworfen, er habe mehrere hundert AK-47-Sturmgewehre an den Separatistenstaat Somaliland liefern wollen. Zusammen mit Miller wurde auch ein mutmaßlicher Komplize, der 79jährige US-Amerikaner Joseph O'Toole, verhaftet. Er war einer der Verdächtigen im sogenannten Iran-Contra-Skandal. In einer bis heute nicht völlig aufgeklärten Kooperation zwischen US-amerikanischen Neokonservativen und israelischen Dienststellen waren in den 1980er Jahre Waffen an den Iran geliefert worden, der sich damals in einem jahrelangen Krieg mit dem Irak befand. Gegen O'Toole wurde 1989 Anklage wegen Verschwörung zum Waffenhandel mit dem Israeli Ari Ben-Menashe erhoben, der von sich selbst behauptet, ehemaliger Agent des Geheimdienstes Mossad zu sein. Das Verfahren gegen O'Toole wurde 1991 eingestellt.

Der israelischen Regierung werden schon länger geopolitisch motivierte Interessen an Somaliland nachgesagt, das östlich von Dschibuti und südlich vom Jemen am Golf von Aden liegt. In der Nähe befindet sich die nur 27 Kilometer breite Meerenge des Bab al-Mandab, die den Golf und das Rote Meer verbindet. Somaliland ist eine frühere britische Kolonie, die sich 1960 mit dem von Italien beherrschten größeren Teil Somalias zusammenschloss, als beide ihre Selbstständigkeit erlangten. 1991, als nach dem Sturz von Diktator Siad Barre der Bürgerkrieg begann, erklärte Somaliland seine Unabhängigkeit. Dieser Abspaltung folgte 1998 die faktische Lostrennung der Region Puntland von Somalia. Beide separatistischen Territorien sind von keinem Staat der Welt anerkannt. Militärisch arbeiten sie eng mit Äthiopien zusammen, das seit dem Ogaden-Grenzkrieg von 1977-78 mit Somalia verfeindet ist. Das Verhältnis zwischen Somaliland und Puntland ist wegen eines Territorialkonflikts permanent angespannt.

Die AK-47, die Miller liefern sollte, waren offenbar für diesen Kriegsschauplatz bestimmt, da Puntland sonst keine militärischen Konflikte auszutragen hat. Das Sturmgewehr kommt aus russischer Produktion und ist bekannter unter dem Namen Kalaschnikow. Der jetzt erhobenen Anklage zufolge wollte Miller insgesamt bis zu 2000 Gewehre dieses Typs, die er in den USA, Panama und Bosnien erworben hatte, an Somaliland liefern. Bei der Suche nach einer geeigneten Fluggesellschaft für den Transport, den angeblich O'Toole übernommen hatte, soll dieser ausgerechnet an einen Undercover-Agenten der US-amerikanischen Zollbehörde ICE geraten sein.

Für den gesamten Raum Somalias gilt seit vielen Jahren ein generelles Waffenembargo. Jede Ausnahme, wie etwa für die Truppen der somalischen Übergangsregierung oder die in der Hauptstadt Mogadischu stationierte afrikanische „Friedenstruppe“ AMISOM, muss genehmigt werden. Die Staatsanwaltschaft in Florida wirft Miller neben dem Verstoß gegen das Embargo auch Geldwäsche und Urkundenfälschung vor. Letzteres, weil er für den Waffentransport falsche Papiere ausgestellt hatte, die als Zielland den Tschad angaben.

Miller hatte zunächst als Flugzeugingenieur für die israelische Luftwaffe gearbeitet und sich in den 1980er Jahren mit der Firma Radom Aviation selbstständig gemacht. Das Unternehmen arbeitete als Zulieferer für den Rüstungskonzern Israel Aerospace Industries IAI und andere Bereiche der isrealischen Militärindustrie. Vor etwa drei Jahren verkaufte Miller seine Anteile an Radom und arbeitete offiziell als Berater für elektronische Waffen und Nachtsichtgeräte. Offenbar hat er in der gesamten Zeit seine Verbindungen zu den israelischen Streitkräften, insbesondere der Luftwaffe, nicht abreißen lassen.

Im Februar und März hatte es in den Medien der Region rund ums Horn von Afrika lebhafte Gerüchte gegeben, dass Israel als erster Staat der Welt Somaliland offiziell anerkennen wolle. In diesem Sinn wurde der Sprecher des iraelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, mit angeblichen Äußerungen gegenüber Haaretz zitiert. Palmor bestritt jedoch, mit der Tageszeitung über dieses Thema gesprochen zu haben. Tatsache ist indessen, dass Israel gute Beziehungen zu Äthiopien unterhält, mit dem es auch militärisch und geheimdienstlich zusammenarbeitet. Darüber hinaus sucht Israel angesichts der Stärke der Islamisten in Somalia weitere Verbündete in Nordost- und Ostafrika.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 1. Juli 2010