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Unangemessen und illegal
Somalias Präsident kritisiert die Invasion der kenianischen Streitkräfte
Die kenianische Militärinvasion hat in Somalia kontroverse Reaktionen ausgelöst. Nachdem Präsident Scharif Scheikh Ahmed das Nachbarland am Montag aufgerufen hatte, seine nach Südsomalia eingedrungenen Truppen zurückzuziehen, verurteilte ein Sprecher der Ahlu Sunna am Dienstag seine Äußerungen und begrüßte ausdrücklich die kenianische Intervention. Die sich auf den Sufismus berufende somalische Organisation, hinter der sich eine Koalition von Clanführern und Warlords verbirgt, ist die wichtigste Stütze der schwachen Übergangsregierung, deren Einfluss außerhalb der Hauptstadt Mogadischu gering ist.
Kenianische Truppen in einer Stärke von etwa zwei Bataillonen mit jeweils 800 Soldaten waren am 16. Oktober aus mehreren Richtungen nach Somalia einmarschiert, um die islamistische Al-Schabab zu bekämpfen, die große Teile des Landes beherrscht. Inzwischen sollen sie auf mindestens 4000 Mann verstärkt worden sein. Erstes Ziel der Invasion ist die etwa 120 Kilometer von der Grenze entfernte Stadt Afmadow, die an einem Kreuzungspunkt mehrerer strategisch wichtiger Straßen liegt. Anschließend wollen die Kenianer versuchen, die Hafenstadt Kismajo zu erobern, die für Al-Schabab von großer wirtschaftlicher und finanzieller Bedeutung ist. Die UNO schätzt, dass die Islamisten dort durch Gebühren und Geschäfte 50 Millionen Dollar im Jahr kassieren, ungefähr die Hälfte ihrer gesamten Einnahmen.
Bisher ist es allerdings noch zu keinen größeren Kämpfen gekommen. Der kenianische Vormarsch stockt seit einer Woche, was damit begründet wird, dass heftige Regenfälle die Straßen nahezu unpassierbar gemacht haben. Indessen fliegt die Luftwaffe der Invasoren täglich Angriffe auf Afmadow, Kismajo und kleinere Orte der Region, wo angeblich Al-Schabab-Stellungen vermutet werden. Mittlerweile sind Tausende Bewohner geflüchtet.
Somalias Präsident Ahmed hatte das militärische Eingreifen Kenias am Montag als unangemessen, illegal, überflüssig und schädlich für die Beziehungen zwischen beiden Ländern bezeichnet. Das war die erste kritische Reaktion von offizieller Seite, nachdem die Übergangsregierung eine Woche zuvor ein bilaterales Kommunique unterzeichnet hatte, das als Unterstützung des kenianischen Einmarsches interpretiert wurde. Anonymen, angeblich gut informierten somalischen Kreisen zufolge soll Ahmed seinen Protest nicht mit Premierminister Abdiweli Mohamed Ali, einem Staatsbürger der USA, abgesprochen haben.
In der von kenianischen Truppen und verbündeten lokalen Milizen besetzten grenznahen Stadt Dhobley fand am Dienstag eine offenbar inszenierte „Demonstration“ statt, bei der einige hundert Menschen kenianische und somalische Fahnen schwenkten und Bilder von Präsident Ahmed verbrannten. Mehrere konkurrierende Warlords, die in Südsomalia zwei Phantasie-Republiken unter den Namen Jubaland-Azania und Udubland ausgerufen haben, ohne das von ihnen beanspruchte Territorium auch nur annähernd zu kontrollieren, unterstützen die kenianische Invasion mit Lobeshymnen.
Ein kenianischer Militärsprecher hatte am Montag behauptet, dass auch US-amerikanische Kampfflugzeuge und französische Kriegsschiffe an den Operationen in Südsomalia beteiligt seien. Das wurde von beiden Staaten umgehend dementiert. Der Sprecher der französischen Streitkräfte, Thierry Burkhard, kündigte aber gleichzeitig an, dass Transportflugzeuge seines Landes Nachschub zu einem Flughafen in Nordkenia bringen würden.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. Oktober 2011