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Übergang ohne Ende
Somalia soll weitere vier Jahre ohne gewählte Regierung bleiben. Das wurde auf einer von der UNO unterstützten viertägigen Konferenz beschlossen, die am Sonnabend zu Ende ging. Lediglich das Parlament soll bis Juni kommenden Jahres nach einem weder demokratischen noch transparenten Verfahren umgebildet und um mehr als die Hälfte verkleinert werden. Damit sind neue Streitigkeiten zwischen den sogenannten Übergangsinstitutionen programmiert. Zahlreiche Abgeordnete haben bereits ihren Protest angemeldet. Das Parlament war auf der Konferenz lediglich durch seinen bisherigen Sprecher vertreten, dem zuvor am 13. Dezember eine Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen entzogen hatte.
Das Parlament, das sowohl den Premierminister als auch den Präsidenten zu bestimmen hat, war im Jahre 2004 in monatelangen Verhandlungen zusammengestellt worden, die unter dem Patronat der UNO und der Afrikanischen Union stattfanden. Vereinbart war damals, dass die Übergangsinstitutionen spätestens 2009 durch Wahlen abgelöst werden sollten. Dieser Zeitpunkt wurde später auf 2011 verschoben. Anfang September wurde auf einer Konferenz in der somalischen Hauptstadt Mogadischu ein neuer „Fahrplan“ (Roadmap) verabschiedet, der Wahlen im August 2012 vorsah. Diese Festlegung war von vornherein unrealistisch, da freie Wahlen erstens von der „internationalen Gemeinschaft“ gar nicht gewünscht sind – weil sie den militanten Islamisten eine sehr starke Position verschaffen könnten – und zweitens aufgrund des Bürgerkriegs technisch nicht durchführbar wären.
Die Konferenz, die in der vorigen Woche in Garowe, der Hauptstadt von Puntland, stattfand, zog nun unter diesen Teil der Roadmap einen klaren Schlussstrich, indem sie explizit feststellte, dass „die derzeit herrschende Sicherheitslage direkte Wahlen nicht zulässt“. Geplant sind allgemeine Wahlen jetzt für das Jahr 2016, aber mit dem Vorbehalt, dass sie vielleicht selbst dann nicht durchführbar sein werden.
Puntland ist ein Gebiet im Nordosten Somalias, das sich 1998 für autonom erklärte. Anders als Somaliland, das seit 1991 auf seiner Unabhängigkeit besteht, definiert Puntland sich formal als Bestandteil einer noch auszuhandelnden somalischen Föderation. Beide Territorien sind de facto selbstständig, aber von keinem Staat der Welt anerkannt. Das gleiche gilt auch für die erheblich kleinere Republik von Galmudug, die zwischen Puntland und dem übrigen Somalia liegt. Puntland und Galmudug nehmen seit einigen Monaten an den international gesponserten Konferenzen über die Zukunft Somalias teil. Außer ihnen waren auf der Konferenz in Garowe auch der Präsident und der Premierminister sowie der abgesetzte Parlamentssprecher Somalias vertreten.
Der entscheidende Konferenzbeschluss betrifft die Bildung eines neuen Parlaments, das nur noch aus 225 statt den jetzigen 550 Abgeordneten bestehen soll. Über das Zustandekommen dieses Gremiums heißt es in den sogenannten Garowe-Prinzipien: „Die Mitglieder des neuen Parlaments sollen von anerkannten traditionellen Ältesten mit Hilfe qualifizierter Mitglieder der Zivilgesellschaft, die keinerlei politische Ambitionen haben, nominiert werden.“ Sie bedürfen dann allerdings noch der Billigung durch eine 15köpfige „Unabhängige Übergangswahlkommission“, über deren Bildung die Garowe-Prinzipien rein gar nichts aussagen.
Dass das funktionieren könnte, ist äußerst unwahrscheinlich. Als Sofortmaßnahme hat die Übergangsregierung in Mogadischu für zunächst vier Wochen jedes Zusammentreten des Parlaments verboten. Nötigenfalls sollen die Sicherheitskräfte die Abgeordneten daran hindern, sich zu versammeln.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 28. Dezember 2011