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Somalia: Wenig Aussichten für "Versöhnungskonferenz"
Am nächsten Montag, dem 16. April, soll in der somalischen Hauptstadt Mogadischu eine seit Wochen angekündigte "nationale Versöhnungskonferenz" stattfinden, deren Dauer auf mehrere Monate veranschlagt wird. Doch zur Stunde ist immer noch völlig ungewiss, ob das große Ereignis wirklich stattfinden wird oder ob es mit Hinweis auf die problematische Sicherheitslage in Mogadischu auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Ungeklärt ist wenige Tage vor dem geplanten Konferenzbeginn auch, wer daran teilnehmen darf und wird.
Die "Übergangsregierung", die sich hauptsächlich auf Tausende von Soldaten aus dem traditionell verfeindeten Nachbarland Äthiopien stützt, will auf jeden Fall die fundamentalistische Union der Islamischen Gerichte (UIC) vom Dialog ausschließen. Sie kann sich dabei auf die Rückendeckung des UNO-Sicherheitsrats, der USA und der EU verlassen. Die UIC übte von Anfang Juni bis zum Einmarsch der Äthiopier Ende Dezember 2006 die Macht in Mogadischu aus. Nach übereinstimmenden Aussagen aller Beobachter wurden unter der Herrschaft der UIC erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 wieder stabile, sichere Verhältnisse in der Hauptstadt hergestellt. Die Regierungen der USA und der EU würden gern die UIC spalten und einzelne "gemäßigte" Führungspersönlichkeiten aus diesem Spektrum für eine Zusammenarbeit mit der "Übergangsregierung" gewinnen. Die Frage ist jedoch, ob diese Personen sich gegen die UIC ausspielen lassen - und wer überhaupt als "gemäßigt" anerkannt wird. Außerdem kann dieser Personenkreis sich derzeit gar nicht legal in Somalia aufhalten, bräuchte für eine Teilnahme an der Konferenz also Garantien für freies Geleit und Unversehrtheit. Es scheint, dass die damit zusammenhängenden komplizierten Probleme bisher noch nicht einmal andiskutiert worden sind.
Die "Übergangsregierung" will nur Individuen - also keine Organisationsvertreter - an der Konferenz teilnehmen lassen, die zuvor der "Gewalt" abgeschworen haben. In der Realität heißt das, dass alle gesellschaftlichen Kräfte, die sich nicht dem Gewaltmonopol der "Übergangsregierung" und des sie dominierenden Darod-Clans unterwerfen, vom Dialog ausgeschlossen werden. Das beträfe neben der UIC vor allem den Hawiye-Clan, der einen beherrschenden Einfluss in Mogadischu hat. Die "Versöhnungskonferenz" würde unter dieser Voraussetzung zum Gespräch der "Übergangsregierung" mit sich selbst und wenigen Verbündeten.
Ein hoffnungsvolles Signal aus der somalischen Hauptstadt ist immerhin, dass der am Montag voriger Woche von den Ältesten der Hawiye verkündete Waffenstillstand seither weitestgehend stabil ist. Zuvor hatten die äthiopischen Streitkräfte zwei Mal erfolglos versucht, mehrere Stadtbezirke zu stürmen, die als Hochburgen der Hawiye gelten. Ein Sprecher des Clans bezifferte am Dienstag die Opfer unter der Zivilbevölkerung auf über 1000 Tote und mehr als 4000 Verletzte. Die Äthiopier hatten mit Panzern und Artillerie ungezielt in die Wohnviertel geschossen, in denen sie bewaffneten Widerstand vermuteten. Die Ältesten der Hawiye haben an den UNO-Sicherheitsrat appelliert, dieses Vorgehen zu verurteilen. Erfolgsaussichten hat dieser Vorstoß aber kaum, da der Rat die äthiopische Militärintervention deckt. Auch eine angekündigten Untersuchung der EU über mögliche Kriegsverbrechen der Äthiopier und der "Übergangsregierung" wird nach Einschätzung von Beobachtern im Sande verlaufen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 11. April 2007