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Somalia: Kaum Chancen für Waffenstillstand

Am Mittwoch tritt in Somalia ein Waffenstillstand in Kraft, der am 9. Juni zwischen der nie gewählten, aber international unterstützten „Übergangsregierung“ und einem Teil der Opposition vereinbart wurde. Spätestens an diesem Tag sollen alle Kampfhandlungen eingestellt werden. Die Waffenruhe soll zunächst für 90 Tage gelten und könnte anschließend verlängert werden.

Praktische Bedeutung wird dieser Waffenstillstand aber kaum erlangen. Erst am Dienstag voriger Wochen starben bei Kämpfen in Zentralsomalia und in der Hauptstadt Mogadischu 53 Menschen. 36 Tote gab es, als Widerstandskämpfer einen Nachschub-Konvoi der äthiopischen Besatzungstruppen in Mataban, 400 Kilometer nördlich von Mogadischu, überfielen. In die Kämpfe in der Hauptstadt, bei denen schwere Waffen eingesetzt wurden, waren neben Äthiopiern auch ugandische Soldaten der afrikanischen „Friedenstruppe“ AMISOM verwickelt.

An den „Friedensverhandlungen“, die Anfang Juni in der ehemaligen französischen Kolonie Dschibuti geführt wurden, hatten sich die maßgeblichen Führer des bewaffneten Widerstands nicht beteiligt. Das Abkommen lehnen sie als nicht repräsentativ zustande gekommen und bedeutungslos ab. Damit ist das Oppositionsbündnis Allianz zur Wiederbefreiung Somalias (ARS), das seinen Sitz in der eritreischen Hauptstadt Asmara hat, faktisch – jedoch noch nicht formal - gespalten. Diejenigen ARS-Politiker, die dem Vertrag zustimmten, haben sich damit zugleich verpflichtet, „sich von allen bewaffneten Gruppen oder Individuen zu distanzieren, die sich nicht an die Bestimmungen dieses Abkommens halten“. Sie könnten ab Mittwoch unter starken Druck der „Übergangsregierung“ geraten, nun auch praktisch Farbe zu bekennen.

Indessen meldete die Hauptkraft des bewaffneten Widerstands und der ARS, die Union der Islamischen Gerichte (UIC), in der vergangenen Woche neue militärische Erfolge. In Zentralsomalia besetzte ihre Kämpfer vorübergehend die Städte Wadschid und Belet Huen, im Südwesten des Landes die Stadt Huddur. Solche Aktionen, die es seit Jahresbeginn zahlreich gab, zielen derzeit noch nicht darauf ab, Territorium dauerhaft zu behaupten. Das wäre gegen die waffentechnisch weit überlegenen äthiopischen Truppen, die über Panzer, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und schwere Artillerie verfügen, unmöglich. Zweck der meist zwei- bis dreistündigen Aktionen ist vielmehr, die Strukturen der „Übergangsregierung“ zu zerstören, Waffenlager zu beschlagnahmen und die Insassen der Gefängnisse zu befreien. In der Regel leisten die schlecht bezahlten, nicht motivierten Söldner der „Übergangsregierung“ keinen Widerstand, sondern weichen in die Umgebung aus.

Wenige Tage vor den letzten Aktionen der UIC war berichtet worden, dass die äthiopischen Truppen sich überraschend und stillschweigend aus allen Städten und Stützpunkten in Zentralsomalia zurückgezogen haben. Das schafft ihnen jedoch zusätzliche Probleme, weil dieses Gebiet für ihren Nachschub nach Mogadischu wichtig ist.

Die Afrikanische Union hat am 1. Juli das Mandat ihrer „Friedenstruppe“ erneut um ein halbes Jahr verlängert. Zugleich forderte sie die UNO auf, AMISOM recht bald durch Blauhelm-Soldaten zu ersetzen. Dafür gibt es jedoch nicht die geringsten Anzeichen. Schon bei der Einsetzung von AMISOM im Januar 2007 hatte die AU die Ablösung durch UN-Truppen in spätestens sechs Monaten verlangt. Statt, wie beschlossen, 8.000 Mann zählt AMISON nur 2.450 Soldaten: 1600 aus Uganda und 85 aus Burundi.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Juli 2008