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Somalia: Ein Land will endlich Frieden

Wenige Tage nach den seit langem schwersten Kämpfen in der somalischen Hauptstadt Mogadischu meldeten mehrere Agenturen am Wochenende die Vereinbarung eines Waffenstillstands zwischen der Regierung und einem Teil der bewaffneten islamistischen Opposition. Gleichzeitig gab der neue Präsident Scheik Scharif Ahmed, der selbst als gemäßigter Islamist gilt, seine Zustimmung zur Praktizierung der Scharia, einer am Islam orientierten Rechtssprechung, bekannt.

Allerdings beschränkt sich die Macht der Regierung zur Zeit fast ausschließlich auf Teile von Mogadischu. Die meisten Städte und Landgebiete Somalias werden von Islamisten beherrscht – und dort gilt ohnehin die Scharia. Die Islamisten befinden sich in der Offensive, haben Angriffe der kaum noch vorhandenen regierungsloyalen Truppen nicht zu befürchten und stehen daher militärisch überhaupt nicht unter Druck, sich auf irgendwelche Vereinbarungen einzulassen, sofern sie ihnen nicht erhebliche politische Vorteile bieten.

Am Sonntag dementierte ein Muse Abdi Arale, ein Sprecher der Hisbal Islam (Islamische Partei) die Meldungen über einen Waffenstillstand mit der Regierung. „Wir werden den Feind und seine Handlanger jederzeit angreifen, wenn wir wollen.“

Kern der zumindest voreiligen Berichte ist offenbar, dass die Hisbal Islam den Sprechern des Hawije-Clans, der in Mogadischu dominierend ist, eine Zusage gegeben hat, ihre bewaffneten Kräfte aus einigen Bezirken der Hauptstadt zurückzuziehen. Anfang der vorigen Woche hatte es bei mehrtägigen Kämpfen zwischen Islamisten und der in Mogadischu stationierten afrikanischen Friedenstruppe AMISOM über 50 Tote gegeben. Die Opfer waren überwiegend Zivilisten, die ums Leben kamen, nachdem Islamisten AMISOM-Stützpunkte attackiert hatten und die aus Uganda und Burundi stammenden Soldaten mit Artillerie auf Wohngegenden schossen, in denen sie die Angreifer vermuteten. Zuvor waren am Sonntag vor einer Woche bei einem Selbstmordanschlag elf burundische Soldaten getötet worden.

Somalischen Berichten zufolge hat ein Sprecher von Hisbal Islam eingeräumt, dass „einige Mitglieder“ der Gruppierung an den Kämpfen beteiligt waren, die vor allem am 24. und 25. Februar in der Hauptstadt geführt worden waren, und hat das als einen Koordinationsfehler innerhalb der noch ganz jungen Organisation dargestellt. Hisbal Islam entstand erst vor wenigen Wochen durch den Zusammenschluss von vier Gruppen. Die bedeutendste von diesen ist der militante Flügel der seit Juni 2008 gespaltenen Union der Islamischen Gerichtshöfe (UIC). Die zweite, gemäßigte Fraktion der UIC dominiert inzwischen die Regierung. Sie stellt den Präsidenten und besetzt mehrere Schlüsselpositionen des neu gebildeten Kabinetts. Nicht der Hisbal Islam angeschlossen hat sich die radikal-islamistische Al-Schabaab, die Hauptkraft der bewaffneten Opposition, die derzeit einen großen Teil Somalias beherrscht.

Präsident Scharif Ahmed hat immer wieder seinen Willen bekundet, durch politische Gespräche ohne Vorbedingungen zu einer landesweiten Verständigung und Versöhnung zu kommen, die auch Al-Schabaab einzubeziehen versucht, die auf der Terrorliste der US-Regierung steht. Auf militärische Stärke kann sich die neue Regierung dabei kaum stützen: Ihre geplante 10.000-Mann-Truppe befindet sich bestenfalls im Aufbau. Aber das Angebot einer umfassenden nationalen Versöhnung steht im Einklang mit dem Bedürfnis der meisten Bewohner des seit 1991 vom Bürgerkrieg geschundenen Landes, insbesondere auch der Hauptstadt, in der ganze Bezirke in Trümmern liegen, nach Frieden und zuverlässigen, geordneten Verhältnissen. Sprecher dieses Friedenswillens sind Clan-Älteste und führende Geistliche des Landes, die zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln versuchen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. März 2009