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Somalia: Chaos in Mogadischu

Nach dem Rückzug der Milizen der fundamentalistischen UIC (Union der Islamischen Gerichte) aus Mogadischu herrschte am Donnerstag in der somalischen Hauptstadt Chaos. Warlords, die sich aufgrund des Kräfteverhältnisses zeitweise der UIC untergeordnet hatten, versuchten, das Vakuum zu ihren Gunsten zu nutzen. Es kam zu Überfällen, Schießereien und Plünderungen. Berichte sprechen von organisierten Angriffen auf Waffenlager.

Von äthiopischen Truppen unterstützte Milizen der "Übergangsregierung" drangen im Verlauf des Donnerstags in mehrere Vororte der Hauptstadt ein, während das Stadtzentrum offenbar von Milizen kontrolliert wurde, die mit der "Übergangsregierung" verbündet sein sollen. Ein Sprecher sagte, die "Übergangsregierung" führe zunächst Gespräche mit Klanchefs, Milizenführern und anderen maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften, um einen möglichst reibungslosen, unblutigen Machtwechsel zu gewährleisten.

Äthiopische Truppen waren am 23. Dezember von Baidoa aus zur Offensive gegen die UIC angetreten, die bisher den größten Teil Somalias kontrolliert hatte. Die UIC-Milizen, die im Gegensatz zu den Äthiopiern nicht über Kampfflugzeuge, Panzer und schwere Artillerie verfügen, zogen sich seither weitgehend kampflos aus einer Reihe von Städten zurück. Auch die Räumung Mogadischus entspricht dieser Taktik. Die Macht der UIC beruhte zu keiner Zeit auf militärischer Stärke, sondern in erster Linie auf gesellschaftlichem Konsens: Nach 15 Jahren Bürgerkrieg und dem kriminellen Willkürregime konkurrierender Warlords erhofften sich große Teile der somalischen Bevölkerung von der UIC die Herstellung relativ sicherer, stabiler Verhältnisse. Tatsächlich trat im Herrschaftsbereich der UIC ein schneller Wandel ein. Die zahllosen Straßensperren, an denen Banden "Wegezoll" kassiert hatten, verschwanden. Erstmals seit vielen Jahren konnten der Hafen und der Flughafen von Mogadischu wieder in Betrieb genommen werden.

Die US-amerikanischen Medien sprechen jetzt offen davon, dass die äthiopische Militärintervention unter dem Segen der Bush-Regierung steht. Jendayi Frazer, Unterstaatssekretärin im US-Außenministerium, hatte am 14. Dezember bereits vorweg die Begründung geliefert: Die Hoffnung der USA, dass sich innerhalb der UIC - einer Koalition unterschiedlicher Gruppen - die "gemäßigten" Kräfte durchsetzen, habe sich nicht verwirklicht. Das Führungsgremium der UIC werde jetzt von "Individuen der Ostafrika-Zelle von al-Kaida kontrolliert. Die Führungsschicht der UIC sind Extremisten, sie sind Terroristen." Frazer warf Ägypten, Jemen, Eritrea und Saudi-Arabien vor, die UIC zu unterstützen. Die US-Regierung übe auf diese Staaten deswegen "Druck auf höchster Ebene" aus.

Am Dienstag verteidigten Sprecher des US-Außenministeriums ausdrücklich die äthiopische Militärintervention und mahnten lediglich zur "Zurückhaltung" gegenüber der Zivilbevölkerung. Eine vom arabischen Staat Katar eingebrachte Resolution, die den Abzug der äthiopischen Truppen aus Somalia fordert, scheiterte am Dienstag und Mittwoch im UNO-Sicherheitsrat. Hingegen sprachen sich sowohl die Afrikanische Union (der bis auf Marokko alle Staaten des Kontinents angehören) als auch die Arabische Liga für den Abzug aller ausländischen Truppen aus Somalia aus.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 29. Dezember 2006