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Somalia: Bewaffnete Opposition zeigt Stärke
Die internationalen Nachrichtenagenturen meldeten in der vergangenen Woche die "vorübergehende Einnahme" zweier somalischer Städte durch die Streitkräfte der bewaffneten Opposition. Es handelte sich um Hudur und Belet Weyne, in Deutschland besser bekannt unter dem Namen Belet Huen, seit dort während der UN-Operationen 1993-94 Bundeswehrsoldaten stationiert waren. Beide Städte liegen in Zentralsomalia und in der Nähe der Grenze zur Ogaden-Provinz Äthiopiens, die überwiegend von Somalis bewohnt ist. Außerdem befinden sich beide Orte an Kreuzungspunkten strategisch wichtiger Straßen, über die der Nachschub für die äthiopischen Besatzungstruppen verläuft, die seit Dezember 2006 die Hauptstadt Mogadischus und große Teile Somalias kontrollieren.
In Belet Weyne hielten sich die hauptsächlich von der fundamentalistischen Union der Islamischen Gerichte (UIC) gestellten Widerstandskräfte am Donnerstag nur drei Stunden, bevor sie den Ort kampflos verließen. Hingegen dauerte es über zwei Tage, bis am Sonnabend wieder äthiopische Truppen und Milizionäre der von ihnen gestützten somalischen Regierung in Hudur einrückten.
Was die Nachrichtenagenturen als "vorübergehende Einnahme" bezeichnen, zielt nicht auf die dauerhafte Besetzung von Städten, zu der die UIC angesichts der hohen waffentechnischen Überlegenheit der Äthiopier noch nicht in der Lage ist. In erster Linie geht es darum, die Präsenz des bewaffneten Widerstands zu demonstrieren und politische Propaganda zu machen. Zu diesem Zweck werden improvisierte Kundgebungen abgehalten, auf denen bekannte Kämpfer der UIC sprechen. Außerdem werden, soweit möglich, die Haftanstalten unter Kontrolle gebracht, um die Gefangenen zu befreien. Polizeistationen und Kasernen der Regierungstruppen werden angegriffen, um sich der Waffenbestände zu bemächtigen.
Solche "vorübergehenden Einnahmen" finden oft auch statt, ohne dass sie von den internationalen Agenturen registriert werden. Ähnliche Aktionen des bewaffneten Widerstands gab es seit Ende Februar auch in Dinsur, Bur Hakaba und Wanla Weyn. Alle diese Städte liegen in Zentralsomalia und waren bis zur äthiopischen Intervention unter Kontrolle der UIC. Seit Jahresanfang ist eine verstärkte Kampftätigkeit der Opposition in dieser Region festzustellen. Sie bedroht letztlich auch die ebenfalls dort gelegene Provinzhauptstadt Baidoa, die immer noch der Sitz der von Äthiopien gestützten somalischen Regierung und ihres Parlaments ist.
Die Aktionen der UIC werden meist von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt. Darunter Händler und Unternehmer, die schon vor zwei Jahren den Aufstieg der Islamisten förderten, weil diese in den von ihnen beherrschten Gebieten für gesetzliche Verhältnisse und damit auch für eine Wiederbelebung des Wirtschaftslebens sorgten.
Unterdessen sind die Hintergründe des US-amerikanischen Militärschlags gegen die südsomalische Kleinstadt Dobley am 3. März immer noch nicht vollständig klar. Während zunächst von mehreren Todesopfern die Rede war, scheint es inzwischen so, als habe es nur Verletzte gegeben. Nach US-Angaben wurden mindestens zwei Cruise Missiles von einem U-Boot auf Gebäude in Dobley abgefeuert. Ziel soll Ali Saleh Nabhan gewesen sein, der mit Anschlägen 1998 in Nairobi (Kenia) und Dar es Salaam (Tansania) sowie 2002 in Mombasa (Kenia) in Verbindung gebracht wird.
Es war seit Januar 2007 schon der vierte Angriff der USA gegen Ziele in Somalia. Offenbar traf keiner die "al-Kaida-Terroristen", denen sie angeblich gegolten hatten.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 11. März 2008