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Noch mehr Soldaten
UN-Chef will Interventionstruppen in Somalia verstärken, um Offensiven gegen Stützpunktgebiete der Aufständischen zu ermöglichen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-mun will noch mehr ausländische Soldaten nach Somalia schicken. Anderenfalls drohe die „Verschlechterung der Sicherheitslage“ in dem Bürgerkriegsland den „zerbrechlichen politischen Prozess zu untergraben“, warnt der Chef der Weltorganisation in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat. Auszüge aus dem nicht veröffentlichten Schreiben wurden am Mittwoch bekannt.
Ban fordert dringend, die Personalstärke der seit 2007 in Somalia stationierten, rein afrikanischen Interventionstruppe AMISOM „vorübergehend“, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren, um 4.400 Soldaten zu erhöhen. Die Aufstockung soll hauptsächlich dazu dienen, zusätzliche Kräfte für Großoffensiven gegen die Stützpunktgebiete der islamistischen Kampforganisation Al-Schabab zu gewinnen. Dadurch sollen die Möglichkeiten der Aufständischen, Kämpfer zu rekrutieren, Steuern einzutreiben und Ansätze eines eigenen Wirtschaftsraums zu betreiben, entscheidend eingeschränkt werden.
Derzeit zählt AMISOM ungefähr 18.000 Mann. Ihre Kontingente kommen hauptsächlich aus Uganda, Burundi und Kenia, daneben auch aus Dschibuti und Sierra Leone. Die Kenianer sind dem AMISOM-Kommando im Grunde nur formal unterstellt und führen in Wirklichkeit in drei grenznahen Regionen Südsomalias, mit der wirtschaftlich und strategisch wichtigen Hafenstadt Kismajo als Zentrum, ihren eigenen Krieg. Kenia hat dort, sehr zum Umwillen der somalischen Zentralregierung in Mogadischu, einen international nicht anerkannten Pufferstaat namens Jubaland errichtet, den sie von einer lokalen Miliz verwalten lässt. Politiker und Militärs der Zentralregierung wurden in Kismajo schon wiederholt festgenommen und abgeschoben.
Seit AMISOM vor etwa zwei Jahren massiv verstärkt wurde, hat sie die Al-Schabab aus nahezu allen Städten vertreiben können, während die Fundamentalisten in einigen ländlichen Gebieten Südsomalias immer noch starken Rückhalt in der Bevölkerung haben und von dort aus einen klassischen Guerrillakrieg führen. „Um die Initiative zurückzugewinnen und weitere Rückschläge zu vermeiden, ist es dringend erforderlich, die militärischen Kampagnen gegen Al-Schabab wieder aufzunehmen und zu verstärken“, fordert Ban in seinem Schreiben an den Sicherheitsrat. „Ohne die in diesem Brief empfohlene zusätzliche Unterstützung besteht die Gefahr, dass unser gemeinsamer Einsatz von den nicht zu rechtfertigenden Aktionen der Aufständischen zunichte gemacht wird.“
Neben einer zahlenmäßigen Verstärkung von AMISOM verlangt Ban auch mehr finanzielle und militärische Unterstützung für die Interventionstruppe. Konkret erwähnt der UN-Chef die Lieferung neuer Kampfhubschrauber, da es ohne diese „unrealistisch“ sei, erfolgreiche Offensiven gegen die Guerrillaorganisation durchzuführen. Uganda hat im vorigen Jahr drei der vier ihm zur Verfügung gestellten Hubschrauber bei einem Unfall verloren.
Bans Schreiben an den Sicherheitsrat folgt den Ergebnissen und Empfehlungen einer Analyse, die eine von ihm beauftragte Arbeitsgruppe im September vorgelegt hatte, nachdem sie im August nach Somalia gereist war. Die Schabab-Streitkräfte seien immer noch mehrere tausend Mann stark und bekämen ständig weiteren Zulauf durch Rekrutierungen in den von ihnen beherrschten Gebieten, wird in diesem Bericht gewarnt. Alle Geländegewinne der letzten zwei Jahre seien gefährdet. Wenn es nicht gelinge, Al-Schabab militärisch zurückzudrängen, könne diese ihre Aktivitäten noch mehr als jetzt schon auf andere Länder der Region ausdehnen.
Bei einem anscheinend von Al-Schabab organisierten Überfall auf eine Nobel-Einkaufspassage in der kenianischen Hauptstadt Nairobi waren im September über 60 Menschen getötet worden. Allerdings hatte es bis zur immer massiveren Intervention von AMISOM in Somalia überhaupt keine Anschläge von Al-Schabab im Ausland gegeben.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 19. Oktober 2013