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Kopfüber ins Abenteuer

EU will Rekruten für den somalischen Bürgerkrieg ausbilden

Die EU hat am Donnerstag in Brüssel auf einer Pressekonferenz ihre Trainingsmission für Somalia vorgestellt, die Anfang Mai beginnen soll. 100 Offiziere und 40 weitere Personen aus mehreren europäischen Ländern sollen in zwei aufeinander folgenden Lehrgängen von jeweils sechs Monaten insgesamt 2000 Soldaten für die somalische „Übergangsregierung“ ausbilden. Das Training wird im ugandischen Militärlager Bihanga stattfinden. Deutschland wird sich nach einem Beschluss der Bundesregierung mit bis zu 20 Soldatinnen und Soldaten an der Mission beteiligen. Spanien stellt mit 38 Ausbildern das größte Kontingent, gefolgt von Frankreich mit 26.

Der Einfluss der nicht demokratisch legitimierten „Übergangsregierung“ ist auf das Regierungsviertel und wenige andere Punkte der Hauptstadt Mogadischu beschränkt. Sie wird nur durch die mit Panzern und schwerer Artillerie ausgerüstete afrikanische „Friedenstruppe“ AMISOM an der Macht gehalten, die aus insgesamt 5400 ugandischen und burundischen Soldaten besteht.

Nach Angaben des spanischen Obersten Ricardo Gonzalez Elul, der die Trainingsmission leitet, wird die Ausbildung das Aufspüren von Minen, den Straßenkampf in Stadtgebieten, Kommunikationstechnik und Erste Hilfe beinhalten. Die militärische Ausrüstung der Rekruten soll teils von der Afrikanischen Union und teils von der EU gestellt werden.

Der Einsatz der Trainingsmission beruht auf einem EU-Beschluss, der bereits am 15. Februar gefasst wurde. Im damals verabschiedeten Text wurde Wert darauf gelegt, noch vor Beginn der Ausbildung zu klären, wie die regelmäßige Bezahlung der späteren somalischen Soldaten gesichert werden kann und wie ihr Einsatz überwacht werden soll. Diese Vorbehalte ergeben sich aus den bisherigen Erfahrungen: Die „Übergangsregierung“ bezahlt ihre ohnehin schlecht motivierten Truppen oft monatelang nicht, und viele Soldaten behelfen sich, indem sie die Bevölkerung ausplündern. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Schießereien zwischen Einheiten der Regierungstruppen. Außerdem laufen viele Soldaten bei der ersten Gelegenheit mit ihren Waffen zu den Islamisten über, die den größten Teil Somalias beherrschen.    

Auf die Frage von Journalisten, ob diese Probleme inzwischen gelöst seien, antwortete Oberst Elul nur völlig unkonkret mit der Behauptung, es gebe „starke Initiativen“, einschließlich eines „Überwachungsprogramms“ in Mogadischu. Da die EU in der somalischen Hauptstadt aber kein Militärpersonal unterhält, sollen die Kontrollmaßnahmen anscheinend an die AMISOM delegiert werden.

Völlig unklar ist, wie die EU-Trainingsmission mit der Tatsache umgehen will, dass Rekruten für die somalischen Regierungstruppen häufig mit Gewalt oder falschen Versprechungen „angeworben“ werden und dass sich unter ihnen ein hoher Anteil von Minderjährigen befindet. Die Washington Post berichtete am Dienstag über zwei Ausbildungsstützpunkte im benachbarten Kenia, wo Hunderttausende Somalis leben, die durch den Bürgerkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Dem Blatt zufolge wurden in den grenznahen kenianischen Flüchtlingslagern sogar Zwölfjährige für die somalische „Übergangsregierung“ rekrutiert. Auch in Afghanistan waren Vorwürfe laut geworden, dass die Bundeswehr dort Minderjährige für den Krieg ausbildet.

Indessen erklärte vor einer Woche ein Sprecher der größten islamistischen Organisation Somalias, Al-Schabaab, man werde die Herrschaft über ganz Mogadischu übernehmen, noch bevor die Rekruten der EU-Mission ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 9. April 2010