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Ja zur Invasion

Die international anerkannte, aber nicht demokratisch legitimierte somalische Übergangsregierung (TFG) hat eine Zustimmungserklärung zu den Operationen kenianischer Streitkräfte im Süden des Landes abgegeben. Zuvor hatte Somalias Präsident Scharif Scheikh Ahmed die Invasion aus dem Nachbarland am Montag als unangebracht, illegal und schädlich für die Beziehungen zwischen beiden Staaten verurteilt. Kenia hatte daraufhin von der Übergangsregierung eine „klärende Stellungnahme“ gefordert.

In der am Mittwoch veröffentlichten Erklärung wird zunächst der kenianischen Regierung Dank für ihre Mitwirkung bei der „Stabilisierung“ Somalias und bei der Ausbildung einer beträchtlichen Zahl somalischer Soldaten – es handelte sich um mehrere tausend – ausgesprochen. Die Übergangsregierung teile den kenianischen Standpunkt, dass die islamistische Organisation Al-Schabab, die weite Teile Somalias beherrscht, „ein gemeinsamer Feind beider Länder“ sei. „Um eine gemeinsame Sicherheitsstrategie zu entwickeln“ sei man mit der Regierung in Nairobi übereingekommen, „bei koordinierten Sicherheits- und Militäroperationen, an deren Spitze von Kenia ausgebildete TFG-Soldaten stehen, zusammenzuwirken“. Zugleich wird allerdings auf die Notwendigkeit hingewiesen, „die Souveränität und territoriale Integrität Somalias“ zu respektieren.

Das richtet sich gegen Kenias Absicht, in den drei südsomalischen Regionen Unter-Juba, Mittel-Juba und Gedo einen „halbautonomen“ Pufferstaat zu errichten, der weitgehend der Kontrolle durch die in der Hauptstadt Mogadischu residierende Übergangsregierung entzogen sein soll. Im April dieses Jahres wurde nach einer mehrtägigen Konferenz in Nairobi die „Republik Azania-Jubaland“ proklamiert. Sie beansprucht als Territorium die drei Südregionen mit dem von Al-Schabab beherrschten Hafenort Kismajo als Hauptstadt. An der Spitze dieses Phantasiestaates steht Präsident Mohamed Abdi Mohamed, bekannter unter seinem Spitznamen Ghandi. Der in in Frankreich ausgebildete Politiker hat dort auch die größte Zeit seines Lebens verbracht hat und war von Februar 2009 bis November 2010 Verteidigungsminister der TFG.

Die kenianischen Streitkräfte waren am 15. Oktober mit mindestens zwei Bataillonen von jeweils 800 Mann aus mehreren Richtungen nach Somalia einmarschiert. Inzwischen wurden die Invasionstruppen auf über 4000 Soldaten verstärkt. Strategisches Ziel ist die Eroberung von Kismajo, durch dessen Hafen Al-Schabab nach Schätzung der UNO rund die Hälfte ihrer Einnahmen bezieht. Die Kenianer stehen inzwischen an mehreren Stellen rund 100 Kilometer tief in Somalia, ohne dass es bisher zu größeren Gefechten gekommen wäre. Lediglich bei Angriffen aus dem Hinterhalt wurden mehrere kenianische Soldaten getötet. Die Regierung in Nairobi hat angekündigt, dass ihre Truppen unbegrenzt lange in Somalia bleiben sollen, „bis Al-Schabab geschlagen ist“.

Am Donnerstag rief Sheikh Muktar Robow, einer der Führer der Islamisten, bei einer Kundgebung nördlich von Mogadischu zu Anschlägen im Nachbarland auf. „Die Zeit, Kenia zur Beendigung des Krieges aufzurufen, ist vorbei. Die einzige Option besteht darin, sie zu bekämpfen. Kenia, du hast den Krieg begonnen und musst jetzt die Konsequenzen tragen.“

Seit Beginn der Invasion starben in Kenia bei drei Anschlägen mindestens fünf Menschen. Es ist jedoch unklar, ob dahinter wirklich Anhänger von Al-Schabab steckten.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. Oktober 2011