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Humanitäre Katastrophe in Somalia - Neue Massenflucht aus Mogadischu

Nach dreitägigen Kämpfen in der somalischen Hauptstadt Mogadischu am Wochenende und Montag ist die Zahl der Flüchtlinge um weitere 90.000 angewachsen. Darauf hat das UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk der UNO, am Donnerstag aufmerksam gemacht. Gleichzeitig erklärten 39 internationale Hilfsorganisationen, dass sie angesichts der Lage in Somalia nicht in der Lage seien, der sich entwickelnden "humanitären Katastrophe" wirksam entgegenzuwirken.

Viele der neuen Flüchtlinge sind Frauen und Kinder, die sich aus den Kampfgebieten in Sicherheit gebracht haben, während die Männer zurückgeblieben sind, um die Behausungen und das Eigentum der Familien zu schützen. Ein großer Teil der Flüchtlinge lebt bei strömendem Regen unter freiem Himmel. Nach einer Schätzung des UN-Koordinators für humanitäre Hilfe in Somalia, Christian Balslev-Olesen, wurden in diesem Jahr durch die Kämpfe vor allem in Mogadischu rund 450.000 Menschen aus ihren Hütten, Häusern und Wohnungen vertrieben. Dadurch betrage die Gesamtzahl der Binnenflüchtlinge nun mehr als 800.000 Menschen. Hinzu kommen einige Hunderttausend, die in Nachbarländern Zuflucht gesucht haben.

Die Fluchtbewegungen aus Mogadischu ziehen zunehmend auch die Umgebung der Hauptstadt in Mitleidenschaft. Viele Flüchtlinge leben vorwiegend von der Unterstützung durch Mitglieder ihres Klans, nachdem die Arbeit der internationalen Hilfsorganisationen immer schwieriger wird. Zusammen mit der schlechtesten Ernte seit 13 Jahren, Unterbrechung von Handelswegen und Naturkatastrophen hat die Massenflucht zu einer Explosion der Preise insbesondere für Grundnahrungsmittel geführt. Sie liegen für Reis, Mais und Pflanzenöl mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der letzten fünf Jahre.

Ausgelöst wurde die gegenwärtige Situation, die als schlimmste seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 beschrieben wird, durch die Machtübernahme der sogenannten Übergangsregierung in Mogadischu im Dezember 2006. Das niemals gewählte, aber vom UN-Sicherheitsrat einseitig und bedingungslos unterstützte Gremium stützte sich dabei auf über 10.000 Soldaten aus dem traditionell mit Somalia verfeindeten Nachbarland Äthiopien. Seither haben die äthiopischen Truppen, zusammen mit den Milizen der "Übergangsregierung", vergeblich versucht, die Hauptstadt unter Kontrolle zu bringen. Große Teile von Mogadischu wurden dabei völlig zerstört, rund 400.000 Bewohner mussten flüchten. Nur wenige von ihnen sind dauerhaft zurückgekehrt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. November 2007