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Die Äthiopier kehren zurück

Verstärkte Militärintervention soll Wende im somalischen Bürgerkrieg erzwingen. Afrikanische „Friedenstruppe“ gibt ungewöhnlich hohe Verluste zu.

Äthiopische Truppen greifen seit einigen Wochen wieder verstärkt in den somalischen Bürgerkrieg ein. Mit ihrer Hilfe konnte die sogenannte Übergangsregierung (TFG) in den vergangenen Tagen mehrere Bezirke der südsomalischen Region Gedo zurückerobern, die bisher unter der Herrschaft der fundamental-islamistischen Organisation Al-Schabab gestanden hatten. Am Sonnabend übernahmen Milizionäre der mit der TFG zusammenarbeitenden Allianz Ahlu Sunna nach wochenlangen Angriffen die Kontrolle über die Grenzstadt Bula Hawo, die im Dreiländereck zwischen Äthiopien, Somalia und Kenia liegt.

Trotz Schließung der Grenze gelang Tausenden die Flucht vor den Kämpfen nach Kenia, wo bereits weit über Hunderttausend somalische Kriegsflüchtlinge leben. Die Islamisten beschuldigen die Regierung in Nairobi, sie habe den Äthiopiern erlaubt, von kenianischem Territorium aus zu operieren. Offiziell wird das bestritten, ebenso wie die somalische Übergangsregierung und Äthiopien eine militärische Zusammenarbeit dementieren. Immerhin gab TFG-Präsident Scharif Scheikh Ahmed aber zu, dass die äthiopischen Streitkräfte bei der Einnahme von Bula Hawo „logistische Unterstützung“ geleistet hätten.

Äthiopien hatte im Dezember 2006 mit mehreren Tausend Soldaten – laut Schätzungen waren es zeitweise mehr als 20.000 – in den somalischen Bürgerkrieg eingegriffen. Nach Anfangserfolgen wie der Vertreibung der Islamisten aus Mogadischu konnten die Interventen aber nicht verhindern, dass das von der TFG kontrollierte Territorium immer mehr zusammenschrumpfte und schließlich fast nur noch aus den südlichen, am Meer gelegenen Bezirken der Hauptstadt bestand. Im Januar 2009 zogen die äthiopischen Truppen offiziell aus Somalia ab, doch operierten immer wieder einzelne Einheiten im grenznahen Gebiet.

In den vergangenen Tagen wurde das äthiopische Militär nicht nur in Gedo, sondern auch in der einige hundert Kilometer nördlich von Mogadischu gelegenen Region Galgudud wieder verstärkt aktiv. Die Interventen bereiten dort offenbar eine Großoffensive in Zusammenarbeit mit den Ahlu-Sunna-Milizen vor. Ursprünglich dem Sufismus, einer Richtung innerhalb des Islam, nahestehend, ist Ahlu Sunna heute eine Allianz von Clanführern und Warlords. Äthiopien bildet ständig weitere Rekruten für AS aus, um sie dann als Hilfstruppen nach Somalia zurückzuschicken. Finanziert wird das Bürgerkriegstraining von der EU.

Auch in Mogadischu hat Al-Schabab seit Mitte Februar militärische Rückschläge und große Verluste an toten und verletzten Kämpfern hinnehmen müssen. Das verdankt die Übergangsregierung, deren eigene Milizen in einem sehr schlechten Zustand sind, hauptsächlich der afrikanischen „Friedenstruppe“ AMISOM, die aus insgesamt etwa 7000 ugandischen und burundischen Soldaten besteht. Ein Sprecher von AMISOM behauptete am Sonntag, sie würden jetzt sieben Distrikte der Hauptstadt kontrollieren, Al-Schabab hingegen nur noch drei. Sechs Bezirke seien umkämpft.

Ebenfalls am Sonntag räumte die „Friedenstruppe“ allerdings auch ein, dass die eigenen Verluste während der letzten zwei Wochen sehr viel höher waren als man bisher zugegeben hatte. Mindestens 53 Soldaten, darunter 43 aus Burundi, seien getötet und 120 weitere zum Teil schwer verletzt worden. Das Geständnis war praktisch unvermeidlich geworden, nachdem Al-Schabab mehrmals Aufnahmen von gefangenen und getöteten AMISOM-Angehörigen präsentiert hatte.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 8. März 2011