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Chance für "nationale Aussöhnung" in Somalia?

In der sudanesischen Hauptstadt Khartum hat am Sonnabend ein Treffen zwischen den streitenden Parteien Somalias begonnen. Die Gespräche zwischen der sogenannten Übergangsregierung, die in der Provinzstadt Baidoa residiert, und der Union der Islamischen Gerichte (UCI), die die Hauptstadt Mogadischu kontrolliert, finden unter Vermittlung der Arabischen Liga statt. Beide Delegationen sind hochrangig besetzt. Falls die Gespräche sich produktiv entwickeln, könnten sie nach Einschätzung von Teilnehmern bis zu zehn Tagen dauern. Damit besteht in Somalia, wo seit 1991 Bürgerkrieg herrscht und keine wirkliche Zentralregierung mehr existiert, erstmals die Chance auf Stabilisierung und Wiederaufbau.

Vertreter der UCI und der Übergangsregierung waren erstmals am 22. Juni in Khartum zusammengetroffen und hatten einen Waffenstillstand vereinbart. Das vereinbarte Folgegespräch zehn Tage später wurde jedoch von der Übergangsregierung abgesagt. Sie stellte für eine Fortsetzung der Verhandlung irreale Vorbedingungen, wie insbesondere die vorherige Entwaffnung der UCI, die mehr als die Hälfte des Landes beherrscht.

In der Zwischenzeit hatte sich die Situation umgekehrt: Während die von einer inneren Krise stark geschwächte Übergangsregierung in eine Fortsetzung der Verhandlungen einwilligte, lehnte die UCI ab. Sie verlangte, dass zuvor Tausende von Soldaten aus dem benachbarten Äthiopien, die die Baidoa-Regierung zu ihrer Unterstützung ins Land geholt hat, Somalia wieder verlassen müssen. Äthiopien und das von Christen regierte Äthiopien sind seit Jahrzehnten miteinander verfeindet. Die Stationierung äthiopischer Soldaten in der Region um Baidoa hat die Kräfte, die bisher die Übergangsregierung unterstützten, gespalten. Die Präsenz dieser Truppen wird bei den Gesprächen in Khartum mit Sicherheit eine zentrale Frage sein, von deren Lösung alles weitere abhängt. Unter optimalen Verhältnissen könnten in Khartum über eine Einbeziehung der UIC in die Übergangsregierung gesprochen. Dieses nicht aus Wahlen hervorgegangene Gremium beherrscht zwar nur die engere Umgebung von Baidoa, wird aber von der UNO und von der Afrikanischen Union anerkannt und unterstützt.

Ein weiteres Problem, über das voraussichtlich in Khartum gleich zu Anfang gesprochen werden muss, ist die Absicht der Afrikanischen Union, in Somalia mit einer "Friedenstruppe" zu intervenieren. Die Baidoa-Regierung hat darum gebeten, aber die ICU lehnt jede ausländische Intervention schärfstens ab und sieht darin ein ernstes Hindernis für eine Politik der "nationalen Aussöhnung". Die bisherige Planung der AU sieht vor, dass schon Ende September erste Einheiten aus Sudan und Uganda nach Somalia geschickt werden sollen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. September 2006