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Bundesregierung stellt sich dumm
Die deutsche Bundesregierung ignoriert hartnäckig Berichte der UNO über die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen für die Milizen der somalischen „Übergangsregierung“ (TFG). Das Außenministerium wiederholte am Donnerstag die Routine-Behauptung, dafür gebe es „keine Anhaltspunkte“. Deutschland ist von den Vorwürfen unmittelbar betroffen, da die Bundeswehr an der Ausbildung von Soldaten für die TFG beteiligt ist.
Das Thema, das beispielsweise in US-amerikanischen Medien wie Washington Post und New York Times schon seit Monaten dokumentiert und diskutiert wird, ist in Deutschland erst jetzt durch eine Anfrage der Linken an die Bundesregierung öffentlich geworden. In einem Jahresbericht des UN-Generalsekretärs, betitelt „Kinder und bewaffnete Konflikte“, der im Mai vorgelegt wurde, wird festgestellt, dass sowohl die somalische „Übergangsregierung“ als auch die islamistischen Organisationen Kinder und Jugendliche für sich kämpfen lassen. Nach einem Protokoll zur internationalen Konvention der Kinderrechte ist es unzulässig, Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, zu Kampfeinsätzen zu verwenden. Somalia gehört allerdings zu den ganz wenigen Ländern, die sich bisher geweigert haben, das Protokoll zu unterschreiben.
Im diesjährigen UN-Bericht heißt es, dass die TFG im vorigen Jahr rund 3000 neue Rekruten ausgebildet habe, von denen ungefähr die Hälfte noch nicht 18 gewesen seien. Erwähnt werden auch Meldungen über die Anwerbung von Jugendlichen für die TFG-Truppen in somalischen Flüchtlingslagern in Kenia. Über die Vorgänge bei diesen Anwerbungen hatte die Washington Post am 6. April eine ausführliche Reportage gebracht. In einem Anhang zum diesjährigen Kindersoldaten-Report des UN-Generalsekretärs werden 16 „Parteien“ namentlich aufgezählt, die schon seit mindestens fünf Jahren regelmäßig in diesen Berichten auftauchen. 15 davon sind Rebellenorganisationen. Die einzige dort genannte Regierung ist die TFG.
Auf die Frage der Linken nach der Stellung der Bundesregierung zu diesem UN-Bericht heißt es in der Antwort von Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, lediglich: „Die Bundesregierung verurteilt den Einsatz von Kindersoldaten. Auch die international anerkannte Übergangsregierung Somalias lehnt den Einsatz von Kindersoldaten ab und engagiert sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Jüngste Berichte (…) hat der Präsident zum Anlass genommen, diese ablehnende Haltung öffentlich zu bekräftigen.“
Irren sich also die Berichterstatter der Vereinten Nationen und die Reporter der größten US-amerikanischen Tageszeitungen, die über den Einsatz von Kindersoldaten durch die TFG berichteten und diesen sogar mit Fotos dokumentierten? TFG-Präsident Scharif Scheikh Ahmed scheint da nicht ganz so sicher: Erst bestritt er die Vorwürfe kategorisch, kurz darauf ordnete er eine Untersuchung an. Gleichzeitig verkündete er, er habe Anweisung gegeben, alle Kinder und Jugendlichen aus den TFG-Milizen zu entlassen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 24.7.2010