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Bomben in Kampala
Verdacht fällt auf somalische Islamisten
Mindestens 64 Menschen wurden am Sonntag bei zwei Bombenanschlägen in der ugandischen Hauptstadt Kampala getötet. Die Ziele waren das Restaurant „Äthiopisches Dorf“ und ein Rugby-Club. Beide Orte sind besonders bei Ausländern beliebt. Am späten Sonntagabend hielten sich dort wegen der Live-Übertragung des Finales der Fußballweltmeisterschaft mehr Gäste als üblich auf. Die Explosionen in den etwa 10 Kilometer auseinander liegenden Gebäuden erfolgten nach ersten Berichten im Abstand weniger Minuten kurz vor Schluss des Spiels Spanien-Niederlande, das erst in der Verlängerung entschieden wurde. In späteren Meldungen hieß es, dass 30 oder sogar 50 Minuten zwischen den Explosionen gelegen hätten.
Im Rugby-Club gab es 49 Tote, im „Äthiopischen Dorf“ 15. Außerdem wurden 71 Verletzte gezählt. Unter den Toten ist mindestens ein US-Bürger. Drei weitere US-Amerikaner, Mitglieder einer kirchlichen Gruppe, wurden verletzt. Ungefähr zehn Tote sollen Äthiopier oder Eritreer gewesen sein.
Die meisten Medien suggerierten am Montag einen somalischen Hintergrund der Anschläge als fast schon gesicherte Tatsache. Äthiopiens Propagandaminister Bereket Simon formulierte es als erster Politiker noch präziser: „Das ist eine feige Aktion der Al-Schabab-Terroristen“. Im Gegensatz dazu vermied der ugandische Polizeichef Kale Kajihura eine Festlegung und bezog auch einheimische Organisationen wie die „Widerstandsarmee Gottes“ und die „Vereinigten demokratischen Kräfte“ in den Kreis der möglichen Drahtzieher ein.
Zunächst gab es zu den Anschlägen keinerlei Bekennererklärung. Die Nachrichtenagentur AP präsentierte einen angeblichen „Al-Schabab-Kommandanten“ aus Mogadischu namens Jusuf Scheikh Issa mit der ihm zugeschriebenen Aussage: „Uganda ist einer unserer Feinde. Alles, was sie zum Weinen bringt, macht uns glücklich.“ - Issa habe indessen nicht bestätigen können, dass seine Organisation irgend etwas mit den Anschlägen zu tun hatte, meldete AP. Eine Internetsuche ergibt, dass ein Mann dieses Namens zuvor noch nicht öffentlich als Vertreter von Al-Schabab, der bedeutendsten islamistischen Kampforganisation Somalias, aufgetreten ist.
Nahrung bekommt der Verdacht gegen Al-Schabab jedoch durch vorausgegangene Ankündigungen und Aufrufe, den Kampf auf die Hauptstädte von Uganda und Burundi auszuweiten. Dazu hatte ein ugandischer Militärsprecher am vorigen Mittwoch erklärt, dass diese Drohungen nicht neu seien und dass man sie nicht sonderlich ernst nehme. Uganda und Burundi stellen je zur Hälfte die 5300 Mann starke afrikanische „Friedenstruppe“ AMISOM, die seit drei Jahren in Mogadischu stationiert ist. Die Islamisten werfen dieser Truppe „Massaker an der Bevölkerung“ vor. Realer Hintergrund ist, dass AMISOM, die im Gegensatz zu allen somalischen Bürgerkriegsparteien über Panzer und schwere Artillerie verfügt, als Vergeltung für Angriffe der Islamisten immer wieder Granaten auf Wohnviertel der Hauptstadt abschießt.
Die somalischen Islamisten haben aber entgegen ihren wiederholten Ankündigungen noch keine militärischen Aktionen außerhalb ihres eigenen Landes durchgeführt. Außerdem richten sich ihre Anschläge bisher ausschließlich gegen militärische Ziele, wie etwa das AMISOM-Hauptquartier, wo im September 2009 bei einem Selbstmordattentat 17 burundische Soldaten getötet wurden. Der einzige Anschlag, der nicht diesem Raster entsprach, traf im Dezember 2009 eine Feier in der Universität von Mogadischu, an der neben mehreren Regierungsmitgliedern auch viele Studenten teilnahmen. 25 Menschen wurden dabei getötet, 50 verletzt. Alle islamistischen Organisationen distanzierten sich sofort schärfstens von diesem Attentat.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 13. Juli 2010