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Bomben auf Somalia

Kenia droht mit der Bombardierung von somalischen Städten. Ein Militärsprecher in Nairobi nannte am Dienstag neun Orte als potentielle Angriffsziele. Einige davon – wie Kismajo, Afmadow und Jilib – liegen im Süden Somalias, wo die kenianischen Streitkräfte schon seit dem 16. Oktober operieren. Andere, wie Baidoa und Afgoje, sind jedoch mehrere hundert Kilometer von der kenianischen Grenze entfernt. Allen genannten Städten ist gemeinsam, dass sie von der islamistischen Organisation Al-Schabab beherrscht und verwaltet werden. In seiner über das Internet verbreiteten Erklärung forderte der kenianische Militärsprecher Major Emmanuel Chirchir die Bevölkerung der neun Orte auf, “sich von Al-Schabab fernzuhalten”, um nicht Opfer von Luftangriffen zu werden, die jederzeit stattfinden könnten.

Bereits am Sonntag hatten kenianische Militärflugzeuge ein Flüchtlingslager in der südsomalischen Stadt Jilib bombardiert. Nach Angaben der internationalen Hilfsorganisation Medecins Sans Frontiers (Ärzte ohne Grenzen), die dort tätig ist, wurden bei dem Angriff 52 Menschen, “alles Zivilisten, zumeist Frauen und Kinder”, verletzt; außerdem habe es drei Tote gegeben. 31 Kinder, neun Frauen und fünf Männer seien mit Splitterverletzungen in das von der MSF betriebene Krankenhaus in Marare eingeliefert worden.

Trotz dieser klaren Aussagen beharrt das kenianische Militär auf der Behauptung, der Angriff habe einem Ausbildungslager von Al-Schabab gegolten, es seien zehn Kämpfer der Islamisten getötet worden, aber es sei nicht ein einziger Zivilist - “keine Frauen, keine Kinder” - zu Schaden gekommen.

Der kenianische Einmarsch, an dem mittlerweile mindestens 4000 Soldaten beteiligt sein sollen, wurde zunächst vom somalischen Präsidenten Scharif Scheikh Ahmed scharf kritisiert. Kenia erzwang daraufhin eine Zustimmungserklärung der – zwar international anerkannten, aber nicht demokratisch legitimierten – Übergangsregierung (TFG) in Mogadischu. Dieses Einverständnis wurde am Montag durch die Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung beider Regierungen vertieft. Darin versichert die TFG, dass sie “die Aktivitäten der kenianischen Streitkräfte” unterstütze, dass diese “vollständig” mit ihr “koordiniert” seien und dass sie “im Geiste der guten Nachbarschaft und der afrikanischen Einheit” stattfänden.

Beide Regierungen setzen sich darüber hinaus für eine noch stärkere Internationalisierung des Krieges in Somalia ein. An die “internationale Gemeinschaft” richten sie die Forderung, bei der Verhängung einer Blockade über den von Al-Schabab kontrollierten Hafen Kismajo behilflich zu sein. Außerdem müsse die derzeit nur in Mogadischu stationierte ugandisch-burundische “Friedenstruppe” AMISOM künftig auch in den durch die kenianischen Streitkräfte “befreiten Gebieten” Südsomalias zum Einsatz kommen.

Indessen schreitet die “Befreiung” aber nur langsam voran. Bisher haben die Kenianer noch nicht einmal ihr erstes Operationsziel, die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Afmadow, erreicht. Gleichzeitig verstärken kleine Trupps von Al-Schabab ihre Überfälle auf Nachschubtransporte der Invasoren. Die Angaben über die Verluste beider Seiten liegen wie üblich weit auseinander.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. November 2011