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Berliner Zögern

Wegen Sicherheitsbedenken nimmt Deutschland vorerst nicht an der EU-Ausbildungsmission in Somalia teil.

Die Bundesregierung hat die deutschen Soldaten aus dem gemeinsamen Ausbildungsprogramm der EU für die somalischen Streitkräfte ohne viel Aufsehen im Dezember abgezogen. „Vorläufig“, wie es offiziell heißt. Ob sich daran noch etwas ändert, bleibt abzuwarten. Auf den ersten Blick stellt die Berliner Entscheidung einen erstaunlichen Kontrast zu dem kriegerischen Pathos dar, mit dem deutsche Regierungsvertreter am Wochenende die Münchner Sicherheitskonferenz prägten.

Das europäische Ausbildungsprogramm für Somalia, EUTM, läuft schon seit 2011. Das Training, an dem Deutschland mit 20 Bundeswehroffizieren beteiligt war, fand bisher in Uganda statt. Etwa 3.600 Rekruten, mehr als ein Drittel der 10.000 Mann zählenden somalischen Streitkräfte, sollen inzwischen diese mehrstufige Ausbildung durchlaufen haben.

Im Mai vorigen Jahres beschloss die Mehrheit der EU-Staaten jedoch gegen den Willen der deutschen Regierung, das Trainingsprogramm nach Somalia zu verlegen, da es dort inzwischen „sicher genug“ sei. Dagegen beanstandet die Bundesregierung, es fehle in Somalia an den „Rahmenbedingungen zum Schutz“ der Ausbilder, einer „adäquaten medizinischen und logistischen Versorgung“ und der nötigen Infrastruktur.

Tatsächlich folgte die EU mit ihrer Entscheidung offenbar keinen sachlichen Notwendigkeiten und sinnvollen Zielen, sondern nur einem Wunsch der immer noch extrem schwachen Regierung in Mogadischu. Sie übt über den größten Teil des Landes keine Kontrolle aus. Gerade deshalb ist sie jedoch bestrebt, die Sicherheitslage im Lande als zufriedenstellend zu präsentieren. Unter anderem strebt die Regierung in Mogadischu damit an, potentiellen Investoren Zuversicht zu vermitteln und mehr Staaten dazu zu bringen, wieder Botschaften zu eröffnen. Als einziges EU-Land ist derzeit Großbritannien in Somalia direkt vertreten.

Wie die Lage tatsächlich ist, spiegelt sich darin wieder, dass die Fortsetzung des EU-Ausbildungsprogramms auf dem Gelände des internationalen Flughafens von Mogadischu stattfinden soll. Dort befindet sich ein stark bewachter, weiträumig abgeschirmter Militärstützpunkt. Er wird von der afrikanischen Interventionstruppe AMISOM, vermutlich von Sicherheitsleuten ausländischer Kontraktfirmen, und künftig vielleicht auch von EU-Soldaten geschützt. In dieser Hochsicherheitszone ist auch die „Handvoll“ US-amerikanischer Militärberater und Geheimdienst-Koordinatoren untergebracht, die sich seit vorigem Herbst in Somalia befinden. Ihre genau Zahl ist unbekannt.

AMISOM ist seit 2007 in Somalia mit einem vom UN-Sicherheitsrat gebilligten Mandat der Afrikanischen Union tätig. Von anfangs knapp 5.000 Soldaten aus Uganda und Burundi wurde die Truppe immer wieder verstärkt und zählt jetzt 22.000 Mann. Das ist mehr als das Doppelte der wahrscheinlich zu hoch angegebenen Personalzahl der somalischen Streitkräfte. Neben Ugandern und Burundern sind inzwischen auch Kontingente aus Kenia, Dschibuti, Sierra Leone und seit kurzem auch aus Äthiopien hinzugekommen.

Militäreinheiten aus dem traditionell verfeindeten, christlich regierten Nachbarland Äthiopien sind schon seit vielen Jahren vor allem in den somalischen Grenzprovinzen aktiv. Lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen haben ihnen immer wieder schwere Verbrechen gegen die Bevölkerung vorgeworfen. Hinzu kommt, dass sie in ihrem somalischen Machtbereich Hilfstruppen rekrutieren und Warlords protegieren

Die Integration der Äthiopier – offiziell sollen es 4.400 Mann sein - in die AMISOM-Mission bleibt vermutlich eine reine Formalität. Die Regierung in Addis Abeba will damit von der internationalen Finanzierung der afrikanischen Interventionstruppe profitieren. Ähnlich wie das südliche Nachbarland Kenia führt Äthiopien in Somalia mit dem Segen des Westens Krieg auf eigene Rechnung. Das trägt zur Verfestigung der Teilung des ohnehin zersplitterten Landes bei.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. Februar 2014