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Äthiopier zurück

Addis Abebas Soldaten kämpfen wieder im Nachbarland Somalia

Erstmals seit ihrem Abzug im Januar haben äthiopische Truppen am Wochenende wieder in die Kämpfe im Nachbarland Somalia eingegriffen. Das melden örtliche Medien und internationale Nachrichtenagenturen auf Grund von Augenzeugenberichten aus Beledweyne.

Danach sind am frühen Sonnabendmorgen “Hunderte” äthiopische Soldaten mit Panzerfahrzeugen in die grenznahe zentralsomalische Stadt einmarschiert. In ihrer Begleitung befanden sich Einheiten der Übergangsregierung (TFG). Die Islamisten von Al-Schabaab zogen sich nahezu kampflos aus dem Westteil der Stadt zurück, den sie zuletzt kontrolliert hatten. Es soll lediglich zwei Tote gegeben haben. Die Herrschaft über Beledweyne, wo in den frühen 1990er Jahren deutsche Soldaten im Rahmen einer UN-Mission stationiert waren, hatte in den letzten Monaten mehrmals gewechselt.

Augenzeugen berichten, dass die schlecht bezahlten Milizionäre der Übergangsregierung in den ersten Stunden nach dem Einmarsch Ladengeschäfte, Hotels und öffentliche Einrichtungen plünderten. Inzwischen sollen sie sich zusammen mit den Äthiopiern weitgehend aus der Stadt zurückgezogen und Stützpunkte in der nahen Umgebung errichtet haben. Beobachter erwarten, dass die Übergangsregierung in nächster Zeit mit äthiopischer Unterstützung auch andere von Islamisten konktrollierte Orte in der Provinz Hiran, deren Hauptstadt Beledweyne ist, angreifen will.

Sprecher der TFG bestritten die Teilnahme äthiopischer Truppen an den Militäroperationen. Die Islamisten äußerten sich zu den Vorgängen zunächst nicht. Die äthiopischen Streitkräfte, die als zweitstärkste des Kontinents (nach Ägypten) gelten, waren seit dem Beginn des somalischen Bürgerkriegs 1991 immer wieder im Nachbarland, vor allem im grenznahen Bereich, aktiv. Im Dezember 2006 intervenierte Äthiopien massiv, vertrieb die Islamisten aus der Hauptstadt Mogadischu und drängte sie zunächst landesweit in die Defensive.

Die Intervention der Soldaten aus dem traditionell verfeindeten, christlich regierten Nachbarland war jedoch in Somalia von Anfang an extrem unpopulär und verstärkte den Zulauf zu den bewaffneten islamistischen Organisationen. Im Laufe des Jahres 2007 erholten sie sich wieder von der militärischen Niederlage. 2008 eroberten sie viele Bezirke und Städte zurück, darunter die bedeutende Hafenstadt Kismajo im äußersten Süden des Landes.

Im Januar 2009 zog Äthiopien alle Truppen aus Somalia ab. Schon im März wurde aber wieder die Anwesenheit äthiopischer Soldaten in grenznahen Bereichen einiger Provinzen im Zentrum und im Südwesten des Landes gemeldet. Was sie dort, neben der Errichtung von Kontrollstationen an wichtigen Straßen, wollten, war zunächst unklar. Die Regierung in Addis Abeba bestritt anfangs kategorisch, wieder Militär ins Nachbarland entsandt zu haben. Später räumte sie den Sachverhalt ein, behauptete aber, es gehe nur um militärische Aufklärung.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 1. September 2009